Europawahl So sehen die Parteien die Zukunft Europas

Berlin · Bei der Europawahl entscheidet sich das Schicksal des Kontinents. Wir stellen die Positionen der deutschen Parteien zu Finanzen, Klima, Soziales,Sicherheit und Migration vor.

  Der Schriftzug "Europa" auf verschiedenen Plakaten der Parteien zur kommenden Europawahl.

Der Schriftzug "Europa" auf verschiedenen Plakaten der Parteien zur kommenden Europawahl.

Foto: picture alliance / dpa/Fredrik von Erichsen

Die Wahlprogramme zur Europawahl 2019 zum Thema Finanzen

  • Union: Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) ist für eine EU-Digitalsteuer, damit Konzerne wie Google mehr Steuern zahlen. Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer fordert diese, aber auf Basis einer Einigung der 36 Mitgliedsländer der OECD. Das EU-Einstimmigkeitsprinzip bei Steuern will die Union abschaffen. Sie fordert ein „EU-Innovationsbudget“ für gemeinsame Forschungsprojekte. Die Vergemeinschaftung von Schulden lehnt die Union ab.
  • SPD: Spitzenkandidatin Katarina Barley fordert die Digitalsteuer zwar öffentlich vehementer, doch lehnt Finanzminister Olaf Scholz ebenso wie die Union eine nationale Lösung wie in Frankreich ab. Auch die SPD strebt eine OECD-Einigung an. Sie will den EU-Haushalt stärker ausweiten als die Union, um mehr Geld in soziale Projekte gegen Jugendarbeitslosigkeit oder Digitalisierung zu stecken. Scholz rechnet mit zehn Milliarden Euro mehr pro Jahr für die EU nach dem Brexit.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen wollen wie von Brüssel vorgeschlagen eine umsatz­orientierte Digitalsteuer für große Konzerne rasch einführen, um Steuerdumping zu unterbinden. In Schritt zwei soll es eine einheitliche Unternehmenssteuer geben. Ein Teil der Einnahmen soll an die EU gehen. Auch CO2, Plastik und den Handel mit Finanzprodukten wollen sie europäisch besteuern. Den EU-Haushalt wollen die Grünen deutlich von 1,0 auf 1,3 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung vergrößern.
  • Die Linke: Die Linke fordert einen EU-weiten Mindeststeuersatz für Unternehmen mit breiten und einheitlichen Bemessungsgrundlagen. Zudem will sie gemeinsame Mindeststandards für die Besteuerung großer Vermögen und Spitzeneinkommen. Die Bundesregierung soll ihren Widerstand gegen die EU-Digitalsteuer aufgeben. Die Linke lehnt die Verteidigungsunion ab, will Militärausgaben kürzen und deutlich mehr für Soziales und Regionalförderung ausgeben.
  • AfD: Die AfD lehnt eigene EU-Steuern ab, weil die EU kein Staat sei. Die EU soll sich auch künftig allein aus Beiträgen der Mitgliedsländer finanzieren. Allerdings fordert die AfD auch, den deutschen Anteil am EU-Haushalt einzustellen. Den mehrjährigen EU-Finanzrahmen bis 2027 lehnt sie entschieden ab. Der EU-Haushalt müsse nach dem Brexit verkleinert werden. Steuerhinterziehung müsse wirksamer bekämpft werden. Zuständig sei dafür aber die OECD, nicht die EU.
  • FDP: Die Liberalen sind gegen eine EU-Digitalsteuer für große Konzerne. Dadurch entstünde die Gefahr eines internationalen Steuerstreits mit Gegenreaktionen anderer Wirtschaftsräume sowie die Gefahr der Doppelbesteuerung digitaler Wertschöpfung. Wie Union und SPD ist die FDP für eine Lösung auf OECD-Ebene. Unterschiedliche Umsatzsteuersätze sollen angeglichen werden. Eigene EU-Steuern lehnt die FDP ab, insbesondere eine Finanztransaktionssteuer.

Die Wahlprogramme zur Europawahl 2019 zum Thema Klima

Europawahl 2024 - Kandidaten: Die Spitzenkandidaten der EU-Wahl
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Die Spitzenkandidaten der Europawahl 2024

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Foto: dpa/Jens Kalaene
  • Union: CDU und CSU streben so etwas wie einen „Pakt für Klimaschutz“ an. Dabei sollen etwa europaweit die „Besteuerung und Bepreisung“ von CO2-Treibhausgasemission eine Rolle spielen. Grundsätzlich will sich die Union aber um Ökologie immer nur im Einklang mit Ökonomie kümmern. Wirtschaft­liche, soziale und umweltpolitische Aspekte sollen vereint werden. Sso sollen klimaverträgliche und individualisierte Mobilität möglich sein. Diesel-Fahrverbote will die Union vermeiden.
  • SPD: Die SPD will den Energiemix weg von Kohle und Atomkraft hin zu mehr erneuerbaren Energien umstellen. Sie bekennt sich zum Ziel, dass der EU-weite CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent gesenkt und der Anteil erneuerbarer Energien auf 27 Prozent erhöht werden soll. Der europäische Emissionshandel soll als zentrales Instrument der EU-Klimapolitik stabilisiert werden. Fracking lehnt sie nicht grundsätzlich ab, sondern fordert Umweltverträglichkeitsprüfungen.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen sagen: Bis 2030 müssen 45 Prozent von Europas Energie, die wir beim Strom, der Wärmeerzeugung und der Mobilität verbrauchen, erneuerbar sein, und bis 2050 müssen es 100 Prozent sein. Die CO2-Emissionen müssen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Bei der Energieeffizienz braucht es eine Verbesserung um 40 Prozent im Vergleich zu 1990, um ein maximales technisch mögliches Niveau der Energieeffizienz für 2050 zu erreichen.
  • Die Linke: Die Linke will auf Atomkraft und Fracking verzichten und den Anteil erneuerbarer Energien deutlich erhöhen. Der Kohleausstieg soll sofort beginnen und bis 2035 abgeschlossen sein. Damit mehr Bürger das Auto stehen lassen, sollen Bus und Bahn kostenlos sein. Finanziert werden soll das durch Steuern, Abgaben oder eine Umlage auf Unternehmen oder Parkgebühren. Autofreie Innenstädte sollen gefördert, ein Großteil des innereuropäischen Flugverkehrs soll auf die Schiene verlagert werden.
  • AfD: Die AfD lehnt das Pariser Klimaschutzabkommen ab. Ebenso alle EU-Maßnahmen, die die Reduzierung von CO2-Emissionen mit Klimaschutz verfolgen. Klimaschutzpolitik ist für die AfD „ein Irrweg“. Sie bezweifelt, dass der Mensch den Klimawandel, insbesondere die Erderwärmung, maßgeblich beeinflusst hat oder steuern könnte, und sagt, ohne CO2 gäbe es keine Pflanzen, Tiere oder Menschen, und: Durch den steigenden CO2–Anteil hätten die Weltnahrungsernten zugenommen.
  • FDP: Die FDP bekennt sich zum Pariser Klimaabkommen und steht dazu, dass zur Reduzierung der Erderwärmung „der menschliche Anteil am Klimawandel“ und CO2-Emissionen massiv minimiert werden. Zentraler Ansatzpunkt sei ein schneller Einstieg in ein internationales System, das weltweit Anreize zur Reduktion der Emissionen in allen Sektoren setze. Sektoral und regional isoliert gesetzte Ziele zur Emissionsminderung wie die Stilllegung deutscher Kohlekraftwerke hätten wenig Sinn.

Die Wahlprogramme zur Europawahl 2019 zum Thema Soziales

Europawahl 2019: Kandidaten der deutschen Parteien in der Übersicht
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Europawahl: Die deutschen Kandidaten

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Foto: dpa/Jörg Carstensen
  • Union: In der Sozialpolitik setzt die Union auf Subsidiarität: Die EU soll so wenig wie möglich zentral über ein gemeinsames Budget regeln. So lehnen CDU und CSU beispielsweise die Idee einer gemeinsamen europäischen Arbeitslosenversicherung ab. Sie fürchten, dass die Deutschen die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland oder Spanien finanzieren müssen. Auch einen europäischen Mindestlohn hält CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer für den falschen Weg.
  • SPD: Die Sozialdemokraten setzen sich für einen „europäischen Mindestlohn“ und eine „europäische Sozialversicherung“ ein. Damit steht die SPD im Gegensatz zur Union. Es war die SPD, die auch in den Koalitionsvertrag Deutschlands europäische Verantwortung und gegenseitige Solidarität hineinverhandelt hat. Sie setzt sich für den europaweiten Kampf gegen Leiharbeit und Werkverträge ein und verfolgt das Projekt eines gemeinsamen Budgets zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Die EU soll ein „Garant für soziale Rechte“ werden, die für den einzelnen Bürger einklagbar sein sollen. Zudem streben die Grünen eine europäische Grundsicherungs-Richtlinie an, die soziale Mindeststandards für jedes Land festlegt. Gleiches soll für die Gesundheitsversorgung gelten. In Anlehnung an die schwedische Altersversorgung sprechen sich die Grünen für einen Bürgerfonds aus, durch den die Bürger einen Teil ihres Einkommens in eine staatliche Anlage stecken können.
  • Die Linke: Einen umfassenden Schutz gegen Armut für alle Menschen in Europa unabhängig von Herkunft und Nationalität fordert die Linke. Gemeint sind: „Wohnen, Gesundheit, Bildung, Zugang zu sozialen und kulturellen Dienstleistungen, zu sozialen Sicherungssystemen, zu Wasser und Energie“. Diese sozialen Rechte sollen einklagbar werden. Im Kampf gegen Arbeitslosigkeit will die Linke einen EU-Solidarfonds einrichten, der Ländern mit besonders hoher Arbeitslosigkeit hilft.
  • AfD: Erfolgreiche Länder sollen laut AfD Vorbild für Länder mit niedrigen Standards sein. Im Wahlprogramm heißt es: „Keinesfalls darf es zu einer Vereinheitlichung von Sozialsystemen, wie beispielsweise bei der Arbeitslosenversicherung, kommen, da dies eine weitere Senkung der Sozialstandards zur Folge haben wird.“ Sie erklärt, dass kein Land der EU eine die Bevölkerung erhaltende Geburtenrate aufweise, und spricht sich für eine „Geburten fördernde Familienpolitik“ aus.
  • FDP: Die Liberalen sehen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik „im Kern“ als Aufgaben der Mitgliedstaaten. Europa könne bei grenzüberschreitenden Problemen (Jugendarbeitslosigkeit oder Altersvorsorge für Wanderarbeitnehmer) unterstützend tätig werden. Sie schlägt vor, Jugendarbeitslosigkeit durch „einen europäischen Berufsausbildungsmarkt“ zu bekämpfen. Die FDP pocht darauf, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit erhalten bleibt und nationale Tarifverträge nicht verdrängt werden dürften.

Die Wahlprogramme zur Europawahl 2019 zum Thema Sicherheit

  • Union: CDU und CSU wollen die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU auch darin sichtbar machen, dass sie sich für einen gemeinsamen ständigen Sitz der EU im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einsetzen. Zugleich denken sie an einen Sicherheitsrat auf europäischer Ebene, der die sicherheitspolitischen Interessen der EU analysiert und koordiniert. Manfred Weber will als möglicher EU-Kommissionspräsident die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei umgehend beenden.
  • SPD: Das sicherheitspolitisch geprägte Denken der EU soll laut SPD einen friedenspolitischen Ansatz erhalten. Sie steht hinter einer europäischen Armee. Feste Steigerungen der Verteidigungshaushalte oder Umverteilungen zugunsten von Rüstungsausgaben lehnt die SPD ab. Die Zusammenlegung frei­werdender Ressourcen soll ausreichen. Die SPD hat das Ziel eines Europa ohne Nuklearwaffen. Ohne Neustart der Türkei-Verhandlungen hält die SPD eine EU-Mitgliedschaft für ausgeschlossen.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Nachdrücklich wollen die Grünen eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die vor allem feministisch sein soll. Die Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten soll Leitlinie sein. Ein EU-Beitritt der Türkei ist für die Grünen mit Erdogans Linie nicht vorstellbar, soll aber für eine demokratische Türkei möglich sein. Das EU-Türkei-Abkommen als Teil der Abschottungspolitik wollen die Grünen beenden. Mit Afrika streben sie eine Partnerschaft auf Augenhöhe an.
  • Die Linke: Die Linke will Waffenexporte europaweit verbieten. Zuvor soll schon jedes Land bestraft werden, das sich nicht an die Restriktionen beim Waffenexport in Konfliktgebiete hält. Weder Aufrüstung noch eine europäische Armee sind für sie geeignet, Frieden zu schaffen. Europa soll atomwaffenfrei werden. Auslandseinsätze kommen für die Bundeswehr auch im EU-Rahmen nicht infrage. Entwicklungszusammenarbeit will die Linke von Grenzschutz und Migrationskontrolle trennen.
  • AfD: Neben der zentralen Forderung, das EU-Parlament abzuschaffen und die ausschließliche Recht­setzungskompetenz den Nationalstaaten zu übertragen, lehnt die AfD auch eine Vergemeinschaftung der Außen- und Sicherheitspolitik ab. Eine Europa-Armee soll es nicht geben, und auch die strukturierte Zusammenarbeit wird von der AfD abgelehnt. Gute Beziehungen will die AfD zu Frankreich, den USA und Russland, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei will sie abbrechen.
  • FDP: Die FDP will europäische Nachrichtendienste bei der Cyberabwehr stärken und privates Schutzgut in die Spionageabwehr einbeziehen. Die Polizeibehörde Europol soll nach ihren Vorstellungen zum europäischen Kriminalamt ausgebaut werden und die Behörden bei der Terrorabwehr noch besser vernetzen. Die derzeitige „Hohe Vertreterin“ der EU für Außen- und Sicherheitsfragen soll eine echte „EU-Außenministerin“ werden, die EU nach außen hin geschlossener auftreten.

Die Wahlprogramme zur Europawahl 2019 zum Thema Migration

  • Union: CDU und CSU rangen nach den Wechseln an den Parteispitzen um die Positionen zur Migrationspolitik. Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) sagte, die Politik müsse kontrollieren können, „wer auf unserem Territorium“ ist. Europa solle Außengrenzen sichern und Schutzbedürftigen helfen. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hält Grenzschließungen als „Ultima Ratio“ für möglich. CDU und CSU wollen Frontex stärken und Rückführungen abgelehnter Asylbewerber beschleunigen.
  • SPD: Die SPD will Flüchtlinge auf die europäischen Staaten solidarisch verteilen und fordert einfache Regelungen für legale Zuwanderung nach Europa. Es soll humanitäre Visa geben, damit Schutzsuchende unter Vorbehalt sicher einreisen können. Sie will schnellere und einheitlichere Asylverfahren und eine konsequentere Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Kommunen, die Geflüchtete aufnehmen, sollen mit Mitteln aus einem neuen Fonds bei den Integrationskosten entlastet werden.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Europa ist für die Grünen ein Kontinent der Migration. Sie wollen eine humanitäre und geordnete Migrations- und Asylpolitik und fordern ein gemeinsames europäisches Einwanderungsrecht, das es Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus erleichtern soll, in die EU einzuwandern. Sie wollen über Einreisekontingente legale Fluchtwege schaffen und die Seenotrettung ausbauen. Zudem pochen sie auf ein einheitliches Asylsystem mit einem solidarischen Verteilschlüssel.
  • Die Linke: Eine Abschottung Europas lehnen die Linken ab. Sie fordern eine Visaliberalisierung und wollen Menschen, die dauerhaft in der EU leben, volles Wahlrecht einräumen. Das Dublin-System gehört aus ihrer Sicht abgeschafft, Schutzsuchende sollen sich das Land aussuchen können, in dem sie Asyl beantragen. Als Rezept für eine sichere Flucht und gegen Schleuserkriminalität schlagen sie Investitionen in zivile Seenotrettungsprogramme vor. Fähren statt Frontex lautet die Forderung.
  • AfD: Bei der AfD sieht man die europäische Zivilisation durch die aktuelle Asylpolitik in „existenzieller Gefahr“. Die AfD fordert dauerhafte Kontrollen an der nationalen Grenze, lehnt ein europäisches Asylrecht ab und will, dass die EU-Außengrenzen von den betroffenen Staaten selbst geschützt werden. Zudem soll die Freizügigkeit in der EU auf Personen beschränkt werden, „die für sich selbst sorgen können“. Die Partei fordert einen Austritt Deutschlands aus internationalen Migrationsabkommen.
  • FDP: Die Liberalen plädieren für eine einheitliche EU-Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Die geregelte Migration etwa von Facharbeitern soll einem Punktesystem folgen, das nach Qualifikation und Sprachkenntnissen gestaffelt ist. Die FDP ist für einen Spurwechsel, damit Flüchtlinge aus dem Asyl- ins Einwanderungsverfahren gelangen. Frontex soll zu einer „echten europäischen Grenzschutzbehörde“ werden. Die FDP fordert eine konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber.
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