SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil „Armin Laschet duckt sich weg, weil er um seine Stellung in der Partei ringt“

Interview | Berlin · Lars Klingbeil ist optimistisch, auch wenn seine Partei in den Umfragen nicht wirklich vom Fleck kommt. Doch der SPD-Generalsekretär setzt auf einen Haustürwahlkampf, Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Schwäche eines Konkurrenten.

 SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. (Archiv)

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. (Archiv)

Foto: AFP/AXEL SCHMIDT

Herr Klingbeil, vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt richten sich alle Augen auf die Auseinandersetzung Union /AfD. Warum spielt die SPD beim Wahlkampf im Osten keine sichtbarere Rolle?

Klingbeil Wir sind in Sachsen-Anhalt mit Katja Pähle, einer seriösen und sympathischen Spitzenkandidatin, gut aufgestellt. Wir setzen nicht auf Polarisierung, sondern auf bessere Löhne, bessere Bildung, bessere Gesundheitsversorgung. Dass sich so vieles um die AfD dreht, hat damit zu tun, dass die Union bis heute keine Strategie im Umgang mit der AfD hat. Ministerpräsident Reiner Haseloff glaubt man die klare Abgrenzung ja, in der zweiten Reihe sieht das aber schon anders aus. Vordere Listenplätze der CDU sind mit Kandidaten besetzt, die vor einem Jahr die Denkschrift „Das Soziale mit dem Nationalen versöhnen“ herausgegeben haben. Wenn man die AfD umarmt, dann macht man sie stärker. Ich habe Sorge, dass wir das am Sonntag sehen werden.

Wie sicher sind Sie, dass die SPD Teil der neuen Regierung in Sachsen-Anhalt sein wird?

Klingbeil Die Regierungsbildung wird schwierig. Wer Interesse an einer Regierung hat, die auf Respekt, Seriosität und Verantwortung ausgerichtet ist, der kommt an der SPD nicht vorbei.

Und was, wenn die SPD als kleinster Partner eines Dreier-Bündnisses gefragt wäre?

Klingbeil Das wünsche ich mir natürlich nicht, deshalb kämpfen wir bis Sonntag. Ich habe bei meiner Wahlkampftour eine gute Stimmung erlebt. Die Menschen sind offen für unsere Themen.

Wäre eine Allparteienkonstellation das richtige Heilmittel gegen die AfD?

Klingbeil Alle demokratischen Parteien müssen dafür kämpfen, dass die AfD nicht stärkste Kraft wird. Aber die Union muss sich schon heute und erst Recht nach der Wahl selbstkritisch fragen, welche Fehler sie im Umgang mit der extrem Rechten macht. Dieses Umarmen, was wir in den letzten Monaten immer wieder gesehen haben, das funktioniert nicht.

Meinen Sie die Landes- oder die Bundesunion?

Klingbeil Armin Laschet tut so, als ob die Werte-Union nichts mit der CDU zu tun hätte. Zur Bundestagskandidatur von Hans-Georg Maaßen verhält er sich auch nicht. Da macht es sich Herr Laschet zu einfach. So lange die Union in Gänze nicht klar bestimmt, wie man mit Rechts umgeht, so lange ist das ein bundespolitischen Problem. Und damit auch sein Problem.

Sie sehen Armin Laschet da nicht klar aufgestellt?

Klingbeil Ich bin erschrocken über die Schwäche von Armin Laschet. Ich habe ihn immer als jemand wahrgenommen, der sich ganz klar von rechts abgrenzt. Aber gerade tut er das nicht. Annegret Kramp-Karrenbauer ist damals nach Thüringen gefahren und hat dafür gekämpft, dass die unsägliche Koalition aufgekündigt wurde.

Das hat AKK damals den Job gekostet…

Klingbeil Manchmal muss man nach politischen Überzeugungen handeln und darf nicht taktieren. Armin Laschet duckt sich weg, weil er um seine Stellung in der Partei ringt. Ich erwarte von jemandem, der Kanzlerkandidat einer großen Partei ist, dass er eine klare Haltung gegen Rechts hat. Das hat Armin Laschet nicht. Stattdessen verkauft er die Leute für dumm, indem er sagt, die Werte-Union habe nichts mit der CDU zu tun. Dabei sind 80 Prozent der Werte-Union Mitglieder CDU-Mitglieder. Das lass ich ihm nicht durchgehen.

Was müsste Ihrer Meinung nach passieren?

Klingbeil Es muss eine Unvereinbarkeit zwischen der Werte-Union und der CDU-Mitgliedschaft geben. Ich bin denen aus der Union dankbar, die das fordern. Unvereinbarkeiten gibt es in alle Parteien. Wir erleben gerade den schwächsten CDU-Vorsitzenden seit langem.

Unterstellen Sie ihm wahltaktische Gründe oder ein wirkliches Haltungsproblem?

Klingbeil Er traut sich nicht, diese Debatte in der Union zu führen, weil er zu schwach ist und keinen Kurs vorgeben kann. Man muss sich doch vor Augen führen, wie das Ansehen von Deutschland in der Welt aussieht, wenn die AfD stark wird. Ich sage das auch unter dem Eindruck eines Besuchs der Synagoge von Halle, wo ein rechtsextremistischer Täter versucht hat, 70 Menschen jüdischen Glaubens umzubringen. Wir müssen diese Kräfte klein kriegen. Das ist kein Wahlkampfthema, sondern eine Überzeugung.

Sie sind mit der Union in einer Regierung. Wo wollen Sie die Union stellen?

Klingbeil Es wird bei dieser Wahl vor allem um die drei Kanzlerkandidaten gehen, da haben wir mit Olaf Scholz sehr gute Chancen. Die Union ist derzeit regierungsunfähig. Die Fraktion blockiert reihenweise Gesetze, die auf der Zielgeraden sind. Da sind die Lobbyinteressen wichtiger als die Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Die Union braucht dringend mal eine Pause vom Regieren. Ich lehne eine Zusammenarbeit mit der Union ja nicht per se ab, aber in diesem Zustand, mit Korruptionsaffären, einer offenen Flanke nach rechts und ohne Zukunftsideen, ist keine Regierung mehr zu machen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier steht bei den erneuerbaren Energien auf der Bremse, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat gerade mit der Lücke bei der Testverordnung wieder sein Missmanagement gezeigt. Von Andreas Scheuer reden wir lieber nicht.

Die SPD-Ministerin Giffey ist zurückgetreten, Karl Lauterbach muss Einkünfte nachmelden – hat die SPD nicht auch ein Problem mit Spitzenpersonal?

Klingbeil Ich sehe schon einen Unterschied, ob man bei der wiederholten Prüfung der eigenen Doktorarbeit einen Schnitt macht und nach vorne blickt, oder ob man das Impf-Thema, das für das Land am wichtigsten ist, nicht organisiert bekommt. Ich habe Annalena Baerbock auch nicht dafür kritisiert, dass sie Einkünfte nachgemeldet hat, sondern, dass sie als Parteivorsitzende einen Corona-Bonus bekommen hat. Das verstehe ich nicht.

Vor genau einem Jahr hat die große Koalition den „Wumms“ beschlossen, ein 130 Mrd Euro-Konjunkturpaket. Würden Sie heute noch immer sagen, wir kommen mit „Wumms“ aus der Krise?

Klingbeil Mehr als 100 Milliarden Euro sind mittlerweile in Form von Hilfspaketen geflossen, das ist eine gigantische Summe. Wir hatten im Vergleich zu vielen anderen Ländern die Möglichkeit, Hilfestellungen zu bieten. Es war richtig, dass die Regierung der Wirtschaft mit Wumms unter die Arme gegriffen hat. Aber jetzt geht es um die Frage, wie man in den nächsten Monaten für wirtschaftlichen Aufschwung sorgt. Der Wahlkampf wird sich auch darum drehen, wie wir Deutschland nach der Krise wieder stark bekommen.

Ökonomen bezweifeln den langfristigen Effekt des Konjunkturpakets. Hätten nicht mehr nachhaltige Investitionen getätigt werden müssen?

Klingbeil Auch langfristige Investitionen sind Teil des Pakets gewesen. Das Kurzarbeitergeld ist zwar keine Investition, aber es ist ein wichtiges Instrument, um möglichst viele Menschen in ihren Jobs zu halten. Es ist besser, Kurzarbeit zu finanzieren anstatt Massenarbeitslosigkeit. Ob jedes Instrument gut funktioniert hat, darüber werden wir uns noch Jahre streiten können. Aber die Regierung musste schnell handeln, und ich bin froh, dass sie das getan hat und tun konnte – dank der guten sozialdemokratischen Haushaltspolitik von Olaf Scholz.

Markus Söder hat der Union empfohlen, auf keinen Fall als Juniorpartner in ein Bündnis einzusteigen. Würden Sie diese Empfehlung für die SPD übernehmen?

Klingbeil Überraschender wäre es ja zu hören, ob Söder der CSU damit auch nicht empfiehlt, als Juniorpartner in die Unionsfraktion einzusteigen. Ernsthaft: Ich halte überhaupt nichts davon, jetzt über Konstellationen oder Koalitionen zu spekulieren. Ich kämpfe für eine starke SPD – und natürlich ist da viel Luft nach oben. In den 113 Tagen bis zur Bundestagswahl geht es um die Zuspitzung auf die drei Personen Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet.

Laut neuer Forsa-Umfrage liegen SPD und FDP gleichauf bei 14 Prozent. Wie sehr schmerzt es, jetzt um Platz drei bangen zu müssen?

Klingbeil Ich war diese Woche zu Hausbesuchen in meinem Wahlkreis und habe viele gute Gespräche geführt. Das war sehr schön.

Also ist die Strategie, Ablenkung von den Schmerzen zu suchen?

Klingbeil Schmerzen sollte man als Generalsekretär nicht haben, wenn man eine Wahl gewinnen will. Umfragen sind sehr volatil. Armin Laschet hat es in wenigen Wochen geschafft, die CDU von knapp 40 auf 25 Prozent zu bringen. Bei den letzten Landtagswahlen in Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz hat die SPD immer zwischen 6 und 11 Prozent dazugewonnen. Das zeigt, wie stark Zustimmungswerte schwanken. Die persönlichen Umfragewerte von Olaf Scholz sind gut. Die Menschen trauen ihm die Führung des Landes zu. Darauf setzen wir.

Die Infektionszahlen sinken, die Lage entspannt sich. Setzen Sie dennoch weiter auf digitalen Wahlkampf?

Klingbeil Diesen Samstag findet unser Campaign Camp statt, wo wir unsere 299 SPD-Bundestagskandidaten und ihre Wahlkampfteams digital zusammenbringen. Dort setze ich das klare Signal: Jetzt raus an die Haustüren, an die Infostände, in die persönlichen Gespräche. Mit Abstand und Maske – das ist klar. Aber die Zeit, in der wir ausschließlich Zoom-Konferenzen machen, ist vorbei.

Wird dieser Wahlkampf vor allem auf ältere Generationen ausgerichtet sein?

Klingbeil Auch junge Menschen kommen an Infoständen vorbei und auch ältere Menschen sind im Internet. Von unseren 299 Kandidaten sind mehr als ein Drittel am Tag der Wahl unter 40 Jahre alt und 34 davon unter 30 Jahre. Wir hatten noch nie einen so hohen Anteil junger Kandidatinnen und Kandidaten. Auch der Anteil von Frauen und Menschen mit Migrationsbiografie ist gestiegen. Darauf bin ich sehr stolz. Und ich bin mir sicher, dass die junge Generation, die jetzt für die SPD für den Bundestag kandidiert, auch junge Menschen stärker ansprechen wird. In diesem Wahlkampf wächst eine neue SPD heran.

Im Digitalen, besonders in den sozialen Medien, läuft der Wahlkampf härter und schmutziger ab. Wird sich das durch physische Formate bessern?

Klingbeil Das Digitale wird uns ja trotzdem erhalten bleiben. Viele Begegnung werden dadurch auch erleichtert, etwa weil lange Anfahrtswege wegfallen. Und natürlich wird es weiterhin harte Auseinandersetzungen auf Twitter oder Facebook geben. Was die Verbreitung von Fake News angeht, sind wir sehr wachsam. Auf Ebene der Generalsekretäre haben wir uns in die Hand versprochen, dass es ein fairer Wahlkampf wird und keine Falschmeldungen weiterverbreitet werden. Darauf werden wir uns als SPD auch selbstverpflichten. Aber natürlich lebt der Wahlkampf von der harten inhaltlichen Konfrontation. Deswegen lasse ich mich nicht davon abbringen, Armin Laschet wegen seines Umgangs mit der Werteunion zu kritisieren.

Wo ziehen Sie die Grenze des Akzeptablen? Die CSU hat kürzlich etwa einen Tweet über Annalena Baerbock mit Fäkal-Emojis verbreitet…

Klingbeil Die Grenze verläuft dort, wo es um Lügen oder falsche Zitate geht. Die dürfen nicht verbreitet werden. Hier stehen wir auch gegenseitig in der Verantwortung. Was den CSU-Tweet angeht, kann ich nur sagen: Erstens ist das eine schlechte Social-Media-Strategie, zweitens habe ich CSU-Generalsekretär Markus Blume mehr politisches Gespür zugetraut. Das würde ich einfach unter schlechtem Wahlkampf abstempeln.

Auf der Ebene der Generalsekretäre gibt es auch einen Austausch mit den Sicherheitsbehörden, um Strategien gegen Destabilisierungs- und Manipulationsversuche zu entwickeln. Was ist hier geplant?

Klingbeil Wir arbeiten sehr eng mit den Sicherheitsbehörden zusammen. Das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) war bei unserem Parteitag auch vor Ort, weil es auch vorkommen kann, dass es Angriffe gibt. Zum Glück ist es dazu nicht gekommen.

Welche Rolle spielen Manipulationsversuche aus dem Ausland bereits jetzt?

Klingbeil Es gibt immer wieder Angriffe auf die IT-Infrastruktur, hier funktioniert unsere Abwehr gut. Aber bisher stellen keine gezielten Attacken aus dem Ausland fest. Trotzdem müssen wir jeden Tag damit rechnen, auch was die Fake-News-Kampagnen angeht.

(mün,jw)
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