TV-Nachlese zu „Lanz“ „Man macht das mit Brutalität“

Düsseldorf · Vom Omikron-Olympia über Autobosse zur Atomkraft: Bei „Lanz“ dreht sich das Gespräch erst um China, dann um Energiepolitik. Als Gemeinsamkeit beider Teile entpuppen sich Fragen nach Macht und Prinzipien.

Die Talkrunde bei „Markus Lanz“ am 18. Januar 2022.

Die Talkrunde bei „Markus Lanz“ am 18. Januar 2022.

Foto: ZDF

Am Dienstagabend ging es bei in der Talkshow „Markus Lanz“ im Kern um zwei Themen: um die umwelt- und energiepolitische Strategie der Ampelkoalition sowie um die Corona-Lage und die Winter-Olympiade in China.

 Die Gäste:

  • Ulf Röller, Journalist
  • Johannes Hano, Journalist
  • Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin
  • Wolfram Weimer, Publizist

 Darum ging’s:

Um China, Atomstrom, westliche Prinzipien und verschiedene Regierungsstile.

 Die Talk-Highlights:

Das Gespräch im ersten Teil der Talkshow konzentriert sich auf China. Der aus dem Ostasien-Studio des ZDF zugeschaltete Journalist Ulf Röller beschreibt klipp und klar, was er dort beobachtet. Das rückt gleich etwaige Vorstellungen davon zurecht, was Pandemiebekämpfung in einer Diktatur bedeutet. „Man macht das mit Brutalität“, sagt Röller. Auf den Einzelnen werde dabei überhaupt keine Rücksicht genommen. Über die Impfpflicht-Debatte in Deutschland muss der Journalist schmunzeln, weil allein das Wort eine Wahl beinhalte. In China müsse der „gottgleiche“ Regierungschef Xi Jinping nur sagen, das Volk müsse geimpft werden. „Jeder weiß dort, man muss machen, was gesagt wird.“

Mit Blick auf die Olympischen Spiele meint Röller, deutsche Sportler und Funktionäre werden während der Sportveranstaltung wohl darüber stauen, welchen Kontrollverlust ein positiver Corona-Test nach sich ziehe. Von der Einweisung in ein Quarantäne-Hotel bis zur Zwangsblutabnahme hätten sie dann keine Wahl. „Da wird China keine Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten nehmen“, so Röller.

Eine politische Analyse der Olympischen Spiele in Peking verweigert der Journalist. Er pocht auf seine Beobachterrolle und sagt schließlich: „Es ist für einen Reporter wie mich, der tägliche Kontrolle und Einschränkungen durch die Polizei erlebt, zumindest irritierend, dass ein Land wie China, das die Freiheitsbewegung in Hongkong plattgemacht hat, das Arbeitslager in Xinjiang hat, das im Südchinesischen Meer in der Taiwanfrage einen Militäraufmarsch veranstaltet, alles Dinge, die nichts mit einer friedlichen, demokratischen Weltordnung zu tun haben, dass dieses Land eine Olympiade geschenkt bekommt, um sein Modell des autoritären Denkens zu promoten.“

Daraufhin wendet sich Moderator Markus Lanz an Umweltministerin Steffi Lemke und fragt nach einer politischen Reaktion. Lemke erinnert daran, dass die Innen- und die Außenministerin ihre Teilnahme abgesagt hätten, und verweist darauf, dass diese Frage bereits bei anderen internationalen Großveranstaltungen aufgekommen sei. Doch das reicht dem Kolumnisten und Verleger Wolfram Weimer nicht. Er fordert ein Signal der gesamten Bundesregierung nach dem Vorbild von Großbritannien oder Japan: „Macht Sport, aber wir machen die Party der Diktatur nicht mit.“

Der Journalist Johannes Hano wendet ein, dass China ein solcher diplomatischer Boykott nicht anficht. „Nach innen können sie dann sagen: Seht ihr, der böse Westen gönnt uns den Erfolg nicht, aber sie kommen trotzdem.“ Schließlich würde die Sportveranstaltung ja dennoch stattfinden.

Angesichts der Ausführungen des Peking-Korrespondent Röller scheint gar die Frage falsch gestellt, ob oder wie die Bundesregierung einen Einfluss auf die Meinungsfreiheit in China nehmen kann. „Xi Jinping ändert ja bereits bei uns die Prinzipien und die Meinungsfreiheit“, sagt Röller und schieb ein konkretes Beispiel hinterher. „Sie werden keinen deutschen Autoboss finden, der es wagt, die Worte ‚Arbeitslager‘ und ‚Xinjiang‘ in einem Satz zu nennen.“ Diese „Strategie der langsamen Verschiebung von roten Linien“ sieht Röller in China viel deutlicher. Eine militärische Strategie hält er für unwahrscheinlich, auch weil sie sich auf die für China wichtigen Märkte auswirken würde.

Seine Beobachtungen ergänzt der Journalist mit Hintergrundinformationen. Unter anderem auf der Basis von Kolonialisationserfahrungen herrsche in China die Einstellung, nun sei das Jahrhundert der Chinesen gekommen. Machthaber Xi Jinping glaube, das System der Chinesen sei überlegen. „Er glaubt, dass wir schwach sind, weil wir nicht wirklich an unsere Prinzipien Freiheit und Demokratie glauben.“ Diese Einschätzung des Westens sei etwa dadurch bestärkt worden, dass die Demokratiebewegung in Hongkong keine Unterstützung bekommen habe. Respekt habe Xi Jinping nur vor demonstrativer Stärke, ein immer weiter reichendes Entgegenkommen dagegen habe China bislang nicht milder gestimmt. „Die große Frage wird sein, ob Amerika und Europa wirklich bereit sind, zu ihren Prinzipien zu stehen und China ein Angebot zu machen, das es annehmen kann“, so Röllers Fazit.

Im zweiten Teil der Talkshow haken sich Lanz und Weimer daran fest, dass das Thema „Klimaschutz“ in der neuen Bundesregierung nicht allein in die Zuständigkeit der anwesenden Umweltministerin Steffi Lemke fällt. Diese bemüht sich etwas zu erklären, das jenseits von Ränkespielen steht: ein Interesse, wirklich etwas gegen die Klimakrise zu erreichen. „Es bringt mehr für den Klimaschutz, wenn mehr Ministerien darüber reden und zuständig sind“, sagt sie. Weimer hingegen sieht das als Entmachtung und hält das Vorgehen für einen Fehler. Klimapolitik liege besser in nur einer Hand, sagt er. Dann verlegt er sich darauf, über steigende Energiepreise zu klagen. „Die Chinesen nutzen ihre billige, schmutzige Energie, um ins in verschiedenen Industrien aus dem Feld zu nehmen“, sagt Weimer.

Da schaltet sich der Journalist Hano ein. „Ist das nicht gerade ein Plädoyer dafür, dass man Klimapolitik in verschiedenen Ressorts braucht?“ Hano glaubt, um die anstehenden klimapolitischen Fragen zu beantworten brauche es auch das Wissen anderer Bereiche, etwa aus dem Wirtschaftsministerium. Schließlich rät die Umweltministerin Lemke dem Publizisten Weimer, sich daran zu gewöhnen, dass die neue Bundesregierung anders arbeite als ihre Vorgängerregierung – „ohne permanentes Gegeneinander der Ressorts“.

Aber damit sind die Reibereien nicht beendet. Beim Thema Atomstrom sieht Weimer ein Comeback am europäischen Horizont und bringt Beispiele an, deren Löchrigkeit Lemke im Nu bloßstellt. Kleinlaut muss Weimer etwa zugeben, dass Polen nicht etwa ein Atomkraftwerk baue, sondern dies nur angekündigt habe. „Das tun sie seit zehn Jahren“, ergänzt Lemke, „aber sie machen es nicht, weil die Finanzen fehlen, weil das Risiko zu groß ist, das Risiko nicht vernünftig versicherbar ist und es kein Endlager gibt.“

Zum Schluss berichtet der Journalist Hano von seinen beruflichen Einsätzen in Fukushima nach dem dortigen Atomunfall. Zuvor sei er weder für noch gegen Atomkraft gewesen, sagt Hano. Das habe sich nach dieser Erfahrung verändert. Das verseuchte Gebiet um Fukushima sei ungefähr so groß wie das Saarland gewesen, und viele Menschen dort hätten alles verloren, obwohl das Atomkraftwerk „weit vom Schuss“ gelegen sei. In Deutschland oder Frankreich sei noch weniger Platz. „Wenn das bei uns passiert, in Hamburg, im Rheinland: Dann ist Schicht im Schacht, damit wäre Deutschland ökonomisch am Ende.“

(peng)
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