Krieg in der Ukraine „Da starren wir hier am Niederrhein auch nur drauf wie das Kaninchen auf die Schlange“

Duisburg · Putins Angriff auf die Ukraine beschäftigt auch Dutzende Firmen am Niederrhein und den Hafen in Duisburg. Über die Neue Seidenstraße laufen Lieferketten nach China auch über russisches Gebiet. Flixbus hat unterdessen alle Verbindungen in die Ukraine gestoppt.

 Die Neue Seidenstraße: Lieferketten führen vom Duisburger Hafen per Zug auch über ukrainisches und russisches Gebiet nach China.

Die Neue Seidenstraße: Lieferketten führen vom Duisburger Hafen per Zug auch über ukrainisches und russisches Gebiet nach China.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Putins Angriff auf die Ukraine hat auch Auswirkungen auf das Brauchtum und die Wirtschaft in Duisburg. Die ersten Anfragen haben die Niederrheinische Industrie und Handelskammer (IHK) am Donnerstag erreicht: „Auf meinem Hof steht ein Lkw mit Waren für Russland und die Ukraine. Die Ware ist aber noch nicht bezahlt. Was sollen wir tun?“

 Rüdiger Helbrecht, der für Außenhandel zuständige Experte der IHK, kennt diese Fragen mittlerweile. Verbindliche Antworten kann er den Firmen in diesen Tagen auch nicht geben. Sollen die Lkw starten, können sie das überhaupt? „Das ist ein geopolitischer und weltpolitischer Konflikt. Da starren wir hier am kleinen Niederrhein auch nur drauf wie das Kaninchen auf die Schlange“, sagt Helbrecht.

Am Nachmittag hat auch der Hauptausschuss Duisburger Karneval (HDK) den für Rosenmontag geplanten Umzug abgesagt. Das kündigte der HDK in den sozialen Netzwerken an. Eigentlich sollten die Narren am Montag durch die Schauinsland-Arena ziehen. Rund die Hälfte der 10.000 Tickets ging im Vorverkauf bereits weg. Wie die Rückabwicklung der bereits gekauften Karten erfolgt, sei noch nicht klar. Der HDK hatte die Veranstaltung kurzfristig organisiert.

Etwa 40 Unternehmen in Duisburg und am Niederrhein in den Kreisen Wesel und Kleve unterhalten Handelsbeziehungen mit Russland, rund 15 bis 20 haben in dieser Beziehung mit der Ukraine zu tun. „NRW-weit machen Im- und Exporte von und nach Russland aber nur etwa zwei Prozent aus, im Fall der Ukraine sind es lediglich 0,3 Prozent. Das dürfte in unserer Region ganz ähnlich sein“, erläutert Helbrecht. Auf Ebene der Kammern läuft der Kontakt über die Außenhandelskammern in Moskau und Kiew. „Wir hatten heute Morgen noch Kontakt per Videokonferenz mit den dortigen Kollegen. In Kiew sind die Mitarbeiter der Außenhandelskammer zurzeit aber alle ohnehin im Homeoffice.“

Auch sie hätten in der ukrainischen Hauptstadt lange Schlangen an den Tankstellen und Geldautomaten beobachtet. Alle Straßen in Richtung Westen seien verstopft. Wie sich die Wirtschaftsbeziehungen der hiesigen Unternehmen mit beiden Ländern nun weiter entwickeln, hänge sehr davon ab, welche Sanktionen der Westen nun noch verhängen werde, so der IHK-Außenhandelsfachmann.

Als erste betroffen würden wohl Unternehmen, die zum Beispiel in der Chip-Produktion aktiv sind und entsprechende Komponenten nach Russland liefern. Auch im Maschinenbau und bei der Produktion von Anlagen für die Öl- und Gasförderung sei dann mit Einschränkungen beim Export zu rechnen. Alle Firmen, die sich auf dem Finanzmarkt engagieren, könnten ohnehin betroffen sein. „Das wäre aber natürlich im Zweifelsfall etwas schmerzhafter für die Russen“, so Helbrecht. In der Ukraine seien die Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschaft für die meisten im Moment ohnehin eher zweitrangig: „Die Eindrücke sind zurzeit eher militärisch geprägt.“ 

Nun käme es darauf an, auf welche Sanktionen sich die EU verständigt. Bei der IHK geht man davon aus, dass darüber am kommenden Montag Klarheit herrscht. „Das schärfste Schwert wäre sicher ein Kappen des Swift-Abkommens“, sagt Helbrecht. Das hätte die Verbannung russischer Banken aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk zur Folge, würde aber auch Deutschland treffen. Zahlungsströme in beide Richtungen könnten infolgedessen versiegen.

Nicht erst jetzt verspüren aber die Unternehmen die Verteuerung der Energiepreise. „Die Preise steigen in Krisensituationen grundsätzlich. Das betrifft vor allem energieintensive Unternehmen, von denen wir im Kammerbezirk besonders viele haben“, heißt es seitens der IHK: Aber die weiter steigenden Energiepreise haben natürlich nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft. Auch Verbraucher merken dies in diesen Tagen in Duisburg an der Tankstelle oder beim Blick auf die Heizrechnung.

Auf Anfrage teilt der Duisburger Hafen mit, man werde Auswirkungen der Situation in der Ukraine auf die Geschäftsbereiche des Duisports genau prüfen. Teile der Neuen Seidenstraße, die China mit Duisburg verbinden, laufen über ukrainisches und russisches Gebiet. „Es ist sicherlich mit negativen Folgen zu rechnen“, sagt Hafensprecher Andreas Bartel. „Angesichts der sich rasch verändernden Lage ist es für eine seriöse Aussage zu konkreten Auswirkungen allerdings noch zu früh.“ Bislang seien allerdings keine Störungen in der Lieferkette bekannt.

Unterdessen hat das Busunternehmen Flixbus bekannt gegeben, vorerst keine Tickets mehr für die Verbindungen zu verkaufen, die in die kritischen Gebiete in der Ukraine führen. So führt etwa vom ZOB in Duisburg eine direkte Verbindung in die ukrainische Haupstadt Kiew. Eine Flixbus-Sprecherin teilt auf Anfrage mit: „Wir sind in ständigem Kontakt mit unseren ukrainischen Buspartnern, um die Situation im Land bestmöglich einzuschätzen und mögliche weitere Schritte daraus abzuleiten.“

Für Freitagabend haben die Kirchen ein Ökumenisches Friedensgebet in der Stadt angekündigt. Der Evangelische Kirchenkreis Duisburg und die Katholische Stadtkirche Duisburg laden um 18 Uhr in die Salvatorkirche ein. Superintendent Christoph Urban und Stadtdechant Roland Winkelmann werden Gedanken und Ängste vor Gott bringen. Die beiden Kirchen laden außerdem die Duisburger zu Hause dazu ein, um 18 Uhr, wenn die Glocken läuten, eine Kerze anzuzünden. Auch Oberbürgermeister Sören Link (SPD) will am Freitag an dem Gebet teilnehmen.

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