Folgen der Hochwasser-Katastrophe Wie Berlin den Flut-Opfern finanziell helfen will

Berlin · 200 Millionen Euro Soforthilfe hat das Bundeskabinett für die Opfer der Flutkatastrophe beschlossen. Aber am Ende dürften es weit mehr werden, weil die betroffenen Länder tiefer in ihre Kassen greifen wollen. Über die längerfristige Absicherung von klimabedingten Starkwetter-Ereignissen ist eine kontroverse Debatte entbrannt.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD, rechts) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch in Berlin.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD, rechts) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch in Berlin.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die Bundesregierung hat zur Linderung der größten Not in den Hochwassergebieten eine Soforthilfe des Bundes von 200 Millionen Euro beschlossen, die aber noch aufgestockt werden dürfte. „Wenn es so ist, dass mehr gebraucht wird, dann ist es so, dass wir auch mehr Geld zur Verfügung stellen“, sagte Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nach der Kabinettsentscheidung am Mittwoch in Berlin. Die Länder sollen die Hilfen verdoppeln, so dass kurzfristig mindestens 400 Millionen Euro bereit stehen sollen. Zu den Hilfsleistungen die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Um welche Summen wird es am Ende bei der Soforthilfe von Bund und Ländern gehen?

Absehbar ist schon jetzt, dass die Soforthilfe von Bund und Ländern deutlich höher ausfallen wird als zunächst angekündigt. Denn allein das Land Nordrhein-Westfalen will laut Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) 200 Millionen Euro zur Verfügung. Demnach dürfte für NRW insgesamt eine Summe von mindestens 400 Millionen Euro an Soforthilfe bereit stehen, da der Bund die Hilfen der Länder verdoppelt. Auch Bayern hat bereits 50 Millionen Euro angekündigt. Olaf Scholz erklärte, der Bund werde „jedes Mal die Hälfte dazu finanzieren“. Am Geld werde die Hilfe nicht scheitern. Die Finanzierung über den Bundeshaushalt sei kein Problem, ein Nachtragsetat dafür nicht nötig.

Wie soll die Soforthilfe von Bund und Ländern funktionieren?

Scholz erklärte, die Hilfen sollten schnell und unbürokratisch fließen, eine Einkommensprüfung sei nicht geplant. Die Details sollten die Länder vor Ort organisieren. Für die Verteilung der Hilfsgelder vor Ort sollen in den meisten Ländern dann die Kommunen zuständig werden. Rheinland-Pfalz kündigte an, jeder betroffene Haushalt solle eine Soforthilfe von bis zu 3500 Euro bekommen.

Was ist längerfristig an Hilfen geplant?

Die Bundesregierung plant darüber hinaus einen milliardenschweren Aufbaufonds, aus dem den Opfern der Flutkatastrophe beim Wiederaufbau ihrer Häuser geholfen werden soll. Die Länder sollen auch den Fonds zur Hälfte tragen. Darüber soll eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz Ende des Monats oder Anfang August befinden. „Sachsen-Anhalt wird sich solidarisch an den finanziellen Herausforderungen durch einen Aufbaufonds beteiligen. Dieselbe Solidarität hat Sachsen-Anhalt ja auch im Jahr 2013 vom Bund und den Bundesländern erfahren“, erklärte Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt. Innenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte am Mittwoch, die Schadenssumme beim letzten Extrem-Hochwasser in elf Bundesländern habe 2013 rund sechs Milliarden Euro betragen. Kanzlerkandidat Scholz versicherte, dass alle Schäden von Betroffenen ausgeglichen würden: „Wir werden Geschäfte wieder aufbauen, wir werden Fabriken wieder aufbauen, wir werden Häuser wieder aufbauen“, sagte Scholz.

Was wird darüber hinaus zur Absicherung diskutiert?

Der Bund schlägt den Ländern zudem Gespräche über ein Absicherungssystem „für dieses, aber auch für künftige überregionale Schadensereignisse von erheblichem Ausmaß“ vor. Der Bund nimmt den Kommunen überdies die Kosten für die 8000 Einsatzkräfte der Bundeswehr, der Bundespolizei und des Technischen Hilfswerks ab, eine höhere zweistellige Millionensumme.

Soll es eine Versicherungspflicht von Hausbesitzern gegen Elementarschäden geben?

Innenminister Seehofer berichtete, darüber sei längere Zeit im Kabinett diskutiert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte eine solche Pflicht ebenso wie die Versicherungsbranche bereits abgelehnt, SPD-Kanzlerkandidat Scholz lehnte sie dagegen nicht ab. Darüber müsse es Gespräche mit den Ländern geben, sagte er. „Das wird sehr mühselig.“ Viele Versicherungsunternehmen würden in den gefährdeten Gebieten keine Policen anbieten, sagte Seehofer. Nicht alles sei versicherbar. FDP-Chef Christian Lindner sagte der „Bild“-Zeitung: „Wir müssen über eine Klima-Haftpflicht sprechen, weil sich solche Ereignisse häufen.“

Was passiert bei Betroffenen mit einer Elementarversicherung?

Das ist noch offen. Seehofer sagte, Bayern habe die Versicherungsleistungen 2013 von den Hilfen des Staates abgezogen. Da der Staat allen Flutopfern einen Ausgleich ihrer Schäden garantiert, könnte hier eine Schieflage entstehen: Wer sich versichert hat und dafür viel Geld investierte, könnte am Ende genauso da stehen wie jemand ohne Versicherung. Seehofer und Scholz hatten dafür am Mittwoch noch keine Lösung parat.

Womit dürfen betroffene Unternehmen rechnen?

Von der Flut betroffene Firmen und Solo-Selbstständige sollen Hilfen aus dem Corona-Härtefallfonds beantragen können. Zudem stellte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auch weitere Umsatzhilfen in Aussicht. Für viele nähmen die Krisen kein Ende, auf Corona sei das Hochwasser gefolgt, erklärte Altmaier: „Deshalb werden wir neben Sofort- und Aufbauhilfen auch Mittel zur Überbrückung von Umsatzausfällen bereitstellen.“

Welche Hilfen plant der Arbeitsminister darüber hinaus?

„Wir werden verstärkt mit Hilfe der Mittel der Bundesagentur für Arbeit Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen sichern“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) unserer Redaktion. „Das Kurzarbeitergeld ist ja nicht nur ein Instrument für eine kurzfristige Konjunkturkrise, sondern es kann den Beschäftigten und Unternehmen in den betroffenen Regionen in ihrer Not auch helfen. Wenn es notwendig ist, werde ich nicht zögern, die in der Corona-Krise verbesserten Kurzarbeitergeld-Regeln über Ende September hinaus zu verlängern. Das prüfen wir jetzt“, sagte Heil. „Mich hat auch die Situation der sozialen Einrichtungen in den betroffenen Regionen schockiert. In Sinzig in Rheinland-Pfalz sind in einer Einrichtung zwölf schwer behinderte Menschen gestorben. Das hat mich tief bewegt und meine Gedanken sind bei den Verstorbenen und ihren Familien. Im Kontakt mit den Sozialministern in Rheinland-Pfalz und NRW werden wir sehen, wie wir diesen sozialen Einrichtungen verstärkt helfen können.“

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