Christian Lindner gehört zu den deutschen Politikern, die in Talkshows häufig präsent sind. Außerdem ist er einer, der in der öffentlichen Diskussion aneckt und für Kontroversen sorgt. Und er ist das bekannteste Gesicht seiner Partei. FDP-Chef Christian Lindner ist definitiv einer, der eine Meinung hat und sie gegen jeden Widerstand vertritt.
Wer ist Christian Lindner?
Christian Lindner ist der Vorsitzende der Freien Demokratischen Partei (FDP) und Finanzminister unter Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch bereits zuvor hatte Lindner einige politische Ämter inne. Von 2000 bis 2009 und von 2012 bis 2017 saß er für die FDP im Landtag von Nordrhein-Westfalen. In der Zeit dazwischen saß der FDP-Chef für seine Partei im Bundestag in Berlin. Auch im aktuellen Bundestag ist er als Abgeordneter vertreten. Außerdem ist er amtierender Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Bundestag. Bevor er FDP-Chef wurde, war Lindner von 2009 bis 2011 Generalsekretär der FDP auf Bundesebene.
Er ist außerdem Mitglied des Deutschen Atlantischen Gesellschaft, der NRW-Stiftung, des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung, des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr und des Fördervereins des Kinderhospizes Regenbogenland in Düsseldorf, dessen Botschafter er auch ist. Außerdem gehört er dem Wirtschaftsrat von Borussia Dortmund und dem Senat der Deutschen Nationalstiftung an. Er hat eine Rennlizenz, den Jagdschein und den Sportbootführerschein See.
Was hat Christian Lindner studiert?
1998 legte er am Städtischen Gymnasium in Wermelskirchen sein Abitur ab. Anschließend leistete er seinen Zivildienst als Hausmeister an der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung ab. An seiner Schule war er zudem Schülersprecher. Nach eigener Aussage habe er sich schon damals für Politik interessiert und gerne diskutiert.
Danach widmete er sich seinem Studium. An der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn studierte FDP-Chef Lindner von 1999 bis 2006 Politikwissenschaften. Als Nebenfächer hatte er Philosophie und Staatsrecht. Nach elf Semestern wurde er Magister Artium. Das Thema seiner Magisterarbeit lautete "Steuerwettbewerb und Finanzausgleich. Kann die Finanzverfassung reformiert werden?"
Noch während seines Studiums wurde Lindner Reserveoffizier der Luftwaffe. Die Wehrpflicht hatte er Jahre zuvor verweigert, weil er bereits 1997, also noch als Schüler, eine unternehmerische Tätigkeit begonnen hatte. Diesen Grund widerrief FDP-Chef Lindner, als er Reserveoffizier wurde. Laut eigener Aussage habe er schon damals lieber zur Bundeswehr gewollt. 2002 erhielt Lindner die Beförderung zum Oberstleutnant. In Köln-Wahn war er vier Jahre lang als Einsatztagebuchführer bei Wehrübungen des Luftwaffenführungskommandos eingesetzt. 2008 beförderte ihn die Bundeswehr zum Verbindungsoffizier zum Landeskommando Nordrhein-Westfalen. 2011 wurde er schließlich Hauptmann der Reserve.
Seine unternehmerische Tätigkeit begann Lindner schon als Schüler. Von 1997 bis 1999 und von 2002 bis 2004 war er als Unternehmensberater und im Stromhandel tätig. Er gründete eine kleine Werbeagentur, die vor allem regionale Telefongesellschaften an den Markt begleitete. Im Jahr 2000 gründete Lindner zusammen mit zwei Freunden, Hartmut Knüppel und Christopher Patrick Peterka, die Internetfirma Moomax GmbH. Als Partner gewannen sie den Risikokapitalfonds Enjoyventure. Lindner fungierte als Geschäftsführer. Bereits Ende 2001 musste das Internet-Unternehmen Insolvenz anmelden. Infolgedessen verließ er das Unternehmen. Für den Niedergang der Firma macht der Chef der FDP das Platzen der Börsenblase verantwortlich. Als er später Generalsekretär der FDP in NRW wurde, gab er seine unternehmerische Tätigkeit auf.
Wie verlief der politische Karriere von Christian Lindner?
Ebenfalls während seiner Schulzeit trat Lindner in die FDP ein. Damals war er 16 Jahre alt. Zunächst war er im Ortsverband Wermelskirchen tätig. Die Partei spiegelt laut Lindners eigener Aussage sein Lebensgefühl wider. Er wurde Landesvorsitzender der Liberalen Schüler NRW und hatte dieses Amt von 1996 bis 1998 inne. Außerdem gehörte er als Vorstandsmitglied den Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalen an. Beim Landesparteitag 1998 forderte Lindner, die FDP müsse sich stärker den Anliegen junger Menschen öffnen. Um das zu erreichen, kandidierte er für den Landesvorstand seiner Partei und wurde prompt gewählt. Seit 1998 gehört er dem Landesvorstand der FDP nun bereits an.
Am 14. Mai 2000 gab es in NRW Landtagswahlen. Lindner hatte seinen Wahlkampf im Rheinisch-Bergischen Kreis mit 10.000 Bananen bestritten, die er dort verteilte. Die Liberalen schafften mit 9,8 Prozent den Wiedereinzug in den nordrhein-westfälischen Landtag. Lindner wurde mit seinen damals 21 Jahren der bis dahin jüngste Abgeordnete in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Er übernahm die Rolle des Sprechers für Generationen, Familie und Integration. Zwei Jahre nach der Wahl wurde der heutige FDP-Chef Lindner Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Rheinisch-Bergischer Kreis und ist dies bis heute. Von 2004 bis 2012 war er außerdem stellvertretender Vorsitzender des FDP-Bezirksverbandes Köln.
Die politische Karriere nahm weiter Fahrt auf, als Lindner 2004 Generalsekretär des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der FDP wurde. Dieses Amt hatte er bis 2010 inne. In dieser Funktion war er Wahlkampfleiter für die Landtagswahl 2005. Und das mit Erfolg. Nach 39 Jahren, in denen die SPD an der Landesregierung beteiligt war, übernahm eine schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Lindner wurde stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag und Sprecher für die Bereiche Innovation, Wissenschaft und Technologie.
Als Lindner Im Jahr 2009 30 Jahre alt wurde, war für ihn klar, dass er sich auf Bundesebene für seine Partei engagieren wollte. Dem Bundesvorstand gehörte er bereits seit 2007 an. Bis 2011 blieb er in diesem Vorstand. Am 27. September 2009 kam es zu Bundestagswahlen. Lindner wurde damals über die NRW-Landesliste zum ersten Mal in den Bundestag gewählt. Eigentlich hatte er vor, sich in Berlin dem Thema Wirtschafts- und Energiepolitik zu widmen. Doch daraus wurde nichts. Im Dezember des gleichen Jahres wurde er nämlich auf Vorschlag von Guido Westerwelle FDP-Generalsekretär der Bundespartei und damit Nachfolger von Dirk Niebel. Zwei Jahre später, im Dezember 2011, legte er dieses Amt nieder. Im Mai 2011 hatte Philipp Rösler das Amt des Parteichefs übernommen. Christian Lindner sagt über seinen Verzicht, dass seine eigenen Ansprüchen und die Erwartungen Dritter nicht zusammengepasst hätten. Als Generalsekretär führte er eine Kommission an, die ein neues Grundsatzprogramm für die FDP erarbeiten sollte.
Der Landesparteitag der FDP in NRW wählte ihn im April 2012 zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Mai 2012. Außerdem wurde er zum FDP-Vorsitzenden für Nordrhein-Westfalen gewählt. Bei der Wahl im Land holte die Partei 8,6 Prozent und zog in den Landtag ein. Lindner selber holte in seinem Wahlkreis 11,6 Prozent der Erststimmen. Im neuen Landtag wurde er zum Vorsitzenden der FDP-Fraktion gewählt. Sein Mandat im Deutschen Bundestag in Berlin endete damit.
Dennoch wurde er im März 2013 zu einem von drei stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Liberalen gewählt. Die anderen beiden waren Holger Zastrow und Sabine Leutheuser-Schnarrenberger. Von dort war sein Weg an die Parteispitze nicht mehr weit. Bei der Bundestagswahl 2013 verpasste die FDP den Einzug in den Deutschen Bundestag. Parteichef Rösler trat in der Folge zurück. Christian Lindner erklärte, für den Vorsitz zu kandidieren. Er forderte, dass sich seine Partei erneuern müsse. Im Dezember 2013 wurde er schließlich als 34-Jähriger zum jüngsten Vorsitzenden in der Geschichte der Liberalen gewählt. Seit damals hat er dieses Amt nicht wieder abgegeben. Bei den internen Wahlen schaffte er es stets, im Amt zu bleiben. 2014 wurde er zudem in den Programmausschuss Chefredaktion des ZDF-Fernsehrates gewählt.
Als Bundesvorsitzender trat er bei der Landtagswahl in NRW im Mai 2017 an. Unter anderem machte er die Bildung, Bürgerrechte, Digitalisierung und eine härtere Gangart bei innerer Sicherheit zu seinen Themen. Die Freien Demokraten erhielten bei der Wahl im Land 12,6 Prozent der Stimmen und zogen in den Landtag ein. Mit der CDU bildeten sie schließlich eine schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). FDP-Chef Christian Lindner entschied sich jedoch gegen ein Engagement in der Politik auf Ebene des Landes. Joachim Stamp wurde im November 2017 sein Nachfolger als Landesvorsitzender. FDP-Chef Christian Lindner sah seine Zukunft in Berlin.
So wurde er bei der Bundestagswahl 2017 Spitzenkandidat der Freien Demokraten. Mit 10,7 Prozent gelang der Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag.
Einen Tag nach der Wahl wurde er zum Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion gewählt. Außerdem wurde er Mitglied im Vermittlungsausschuss und im Gemeinsamen Ausschuss. Nach der Wahl hatten die Liberalen die Chance auf eine Jamaika-Koalition mit der CDU und den Grünen. Die Sondierungsgespräche dauerten vier Wochen. Im November 2017 erklärte der FDP-Parteichef die Gespräche für gescheitert. Es kam stattdessen zu einer Großen Koalition, die FDP ging in die Opposition. In dieser macht Christian Lindner vor allem als scharfer Kritiker der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Bundesregierung von sich Reden. Vor allem bei der Politik rund um das Coronavirus hat er den Begriff "unverhältnismäßig" geprägt.
Was sind politische Ziele von Christian Lindner?
FDP-Chef Lindner fordert Steuersenkungen statt Steuererhöhungen und den Abbau der Bürokratie. Er spricht sich dafür aus, dass abgeschaltete Atomkraftwerke abgeschaltet bleiben. Einen schnellen Atomausstieg lehnt er jedoch ab. Um den Klimawandel zu stoppen, fordert er, dass Deutschland sich stärker im Ausland engagieren solle, zum Beispiel beim Schutz des Regenwaldes. Außerdem müsse der Ausbau von Leitungen der Windenergie schneller vorangetrieben werden. Sollten die Leitungen nicht schnell genug gebaut werden, solle die Windenergie in Deutschland gebremst werden. Außerdem lehnt er den Kohleausstieg ab. Der Kohleabbau werde benötigt, bis genügend Stromleitungen gebaut seien. Elektromobilität lehnt er hingegen ab, weil zu viel Strom aus Braunkohle produziert werde. Die Bewegung Fridays for Future lehnt er mit dem Argument ab, dass Kinder kein Gespür für globale Zusammenhänge hätten. Den Grünen wirft er vor, eine Deindustrialisierung zu betreiben, Autos zu bekämpfen und den Menschen eine andere Lebensweise diktieren zu wollen.
Er spricht sich gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel aus. Geschehnisse wie die im Sommer 2015 dürften sich nicht wiederholen. Er fordert legale Fluchtwege nach Europa und menschenwürdige Unterkunftsmöglichkeiten in Nordafrika. Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer gerettet werden, sollten zurück nach Afrika gebracht werden. In der Verkehrspolitik lehnt er Geschwindigkeitslimits ebenso ab wie Elektromobilität.
Im Bereich Bildung befürwortet er Studiengebühren und einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem zweiten Lebensjahr.
In der Politik rund um das Coronavirus hielt er die Maßnahmen der Regierung unter Angela Merkel für unverhältnismäßig. Er plädierte für einen weniger harten Lockdown und für mehr Freiheiten, nicht nur für Geimpfte. Menschen, die zum Beispiel in der Gastronomie tätig sind, sieht er als Opfer der Politik. Als wegen der Corona-Pandemie die bundesweite Notbremse eingeführt wurde, kündigte er eine Verfassungsbeschwerde an.
Wofür wurde Christian Lindner kritisiert?
Seine Haltung in der Corona-Politik stößt in großen Teilen der Bevölkerung auf Kritik. Manche Bürger werfen ihm vor, das Coronavirus zu verharmlosen und stattdessen die Wirtschaft in den Fokus zu rücken.
Im Jahr 2000 gründete er mit Freunden das Unternehmen Moomax GmbH, welches Internet-Avatare auf den Markt bringen wollte. Auch der Risikokapitalfonds Enjoyventure war als Geldgeber beteiligt. Die 1,4 Millionen Euro, welche Enjoyventure zum Ausbau der Beteiligung an Moomax von der KfW-Bankengruppe geliehen hatte, mussten nach der Insolvenz nicht zurückgezahlt werden. Die 600.000 Euro Eigenkapital von Enjoyventure gingen verloren. Lindner erklärte damals, die Mittel seien verwendet worden, um Arbeitsplätze zu schaffen. Es stellte sich heraus, dass es nicht einmal zehn Arbeitsplätze gewesen sein sollen. Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Zeitungen erbrachten, dass ein Großteil der insgesamt zwei Millionen Euro als Gehälter an die drei Moomax-Geschäftsführer geflossen sein müsse. Lindner erklärte, dass er und die anderen Geschäftsführer weniger als zehn Prozent von den zwei Millionen Euro erhalten hätten.
Im Januar 2013 erschienen zwei Artikel in der Zeitschrift "Wirtschaftswoche". Darin steht, dass Mitarbeiter des Politikers zwei Artikel bei Wikipedia zu seinen Gunsten bearbeitet hätten. Die IP-Adressen, die genutzt wurden, wiesen auf den Bundestag und den NRW-Landtag hin. Ein Mitarbeiter soll bei beim Berliner Tagesspiegel interveniert haben, einen Artikel zu löschen, der sich mit unternehmerischen Misserfolgen des FDP-Chefs befasst, damit dieser nicht mehr als Quelle für Wikipedia genutzt werden könne. Eine Rechtsanwaltskanzlei soll die Wirtschaftswoche aufgefordert haben, die Artikel zu löschen. Auch andere Medien sollen von der Kanzlei aufgefordert worden sein, Artikel zu löschen oder zu verändern. Die Wirtschaftswoche kam der Forderung nach, erkannte aber keine Rechtspflicht an.
2017 sorgte er für öffentlichen Unmut, da sich die Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl lange hin zogen. Das Scheitern der Verhandlungen wird ihm persönlich angelastet. Sauer auf stieß vielen der Satz "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren".
Anfang 2020 unterstützte der Parteichef die Aufstellung von Thomas Kemmerich für die Wahl als Ministerpräsidenten von Thüringen. Tatsächlich wurde Kemmerich gewählt. Dies war allerdings nur durch Stimmen der AfD möglich. Kemmerich und die FDP gerieten in die Kritik. FDP-Chef Lindner sah die FDP dafür nicht in der Verantwortung. Später revidierte er diese Einschätzung als Fehler. Stattdessen schlug er Stefan Kaufmann, den Präsidenten des thüringischen Verfassungsgerichtshofs, als Kandidaten vor. Kaufmann bezeichnete diese Aussage als unprofessionell, da er nicht gefragt worden sei, ob er das überhaupt möchte.
Ebenfalls 2020 wurde ihm Sexismus vorgeworfen. Bei der Verabschiedung von Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte der Parteichef, er habe mit ihr "in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300 Mal den Tag zusammen begonnen". Das sorgte für Gelächter. Daraufhin sagte Lindner: „Ich spreche über unser tägliches, morgendliches Telefonat zur politischen Lage. Nicht, was ihr jetzt denkt.“ Schon 2017 warf man ihm Sexismus vor. Damals sagte er in einer Rede, er sei mit Claudia Roth aufgewacht, machte eine Kunstpause und ergänzte: „Entschuldigen Sie – ich habe gesagt: ‚mit‘, nicht ‚neben‘. Die hatte nämlich heute Morgen ein Interview im Deutschlandfunk.“ Die Zeitschrift Emma verlieh ihm daher im Juli 2020 den Preis "Sexist Man Alive".
Das ist Christian Lindner im Porträt.