Champions League Borussia gegen Liverpool und Inter – das wäre was

Mönchengladbach · Ein bisschen Wunschkonzert für die Champions League: Mit den „Reds“ und den Mailändern verbindet Borussia Mönchengladbach eine innige Geschichte. Zugleich wären es schöne sportliche Herausforderungen. Darum wären es passende Gegner in der Königsklasse.

Berti Vogts (Gladbach, li.) gegen Kevin Keegan (Liverpool) am 25.05.1977 im Finale des Europacup.

Berti Vogts (Gladbach, li.) gegen Kevin Keegan (Liverpool) am 25.05.1977 im Finale des Europacup.

Foto: Imago/Foto: imago/Colorsport

Die neue Saison bekommt mehr und mehr ihre Konturen. Sie wird für Borussia Mönchengladbach mit einem Heimspiel beginnen, das steht nun fest. Denn der FC Oberneuland, Gegner in der ersten DFB-Pokalrunde, hat das Heimrecht getauscht. So wird am 12. September im Borussia-Park gespielt. Eine Woche später, am 19. September, startet Gladbach hei Borussia Dortmund in die Bundesliga-Spielzeit (18.30 Uhr). Am 26. September ist dann das erste Heimspiel in der Liga, um 15.30 Uhr kommt Union Berlin nach Gladbach. Und fünf Tage später klärt sich, mit welchen Gegnern es Borussia in der Champions League zu tun bekommen wird.

Am 1. Oktober wird in Athen die Gruppenphase ausgelost. Noch sind einige Plätze in der Königsklasse zu vergeben in den letzten Qualifikationsrunden, weswegen eine finale Konstellation in den vier Töpfen, aus denen die Gruppen genährt werden, noch nicht gegeben ist. Zudem ist der Fußball kein Wunschkonzert, natürlich. Borussia muss und wird nehmen, und zwar mit Freude, was sie kriegt. Indes: Ein bisschen Spekulation darf aber sein. Und als Parameter darf dabei die Emotion herhalten.

Was das angeht, steht ganz oben auf der Wunschliste der Borussen die Anfield Road, das Stadion des FC Liverpool. Patrick Herrmann und Stefan Lainer haben sich klar positioniert. „Es wäre ein Traum, da zu spielen“, sagte zum Beispiel der österreichische Verteidiger. Was wäre das für eine Geschichte: Borussias Trainer Marco Rose misst sich mit Jürgen Klopp, der einst prophezeite, dass Rose ein Trainer von Format werden würde und auf gewisse Weise ein Mentor Roses ist.

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Foto: Borussia/Christian Verheyen

Und dann ist da Borussia Beziehung zu den „Reds“, die große Geschichte der beiden Klubs, die sich in den 1970er Jahren immer wieder auf höchster Ebene trafen. Es gibt jedoch für die Borussen einiges aufzuarbeiten aus sportlicher Sicht. Denn dreimal hat Borussen den FC getroffen, und dreimal wurde geweint. Zwei Finals – 1973 das im Uefa-Cup, 1977 das der Landesmeister - gingen gegen die „Reds“ verloren, zudem 1978 das Uefa-Cup-Halbfinale. Liverpool ist Borussias Trauma. Und genau deswegen ist die Anfield Road ein Sehnsuchtsort. Die Fans beider Klubs pflegen eine enge Freundschaft, immer wieder besuchen Gladbach-Anhänger das Stadion im Herzen Liverpools, sogar „Die Elf vom Niederrhein“ wird dort gespielt. Es hätte jedoch eine gewisse Tragik, wenn es ausgerechnet nun, da, Stand jetzt, keine Fans dabei sein können, das Los Liverpool passieren würde. Es würde der Geschichte einige Emotionen rauben. Dennoch: Die „Reds“ wären definitiv ein passender Gegner für die Königsklasse.

Ein anderer Klub, der historisch mit höchsten Emotionen verbunden ist, ist Inter Mailand. Kommt es dazu, dann muss, es geht nicht anders, wirklich nicht, dieses Spiel der Auftakt sein am 20. Oktober, wenn es losgeht mit der Königsklasse. Wie sehr würde die Geschichte schreien nach Aufmerksamkeit, und zu Recht, ist sie doch eine der skurrilsten der Fußball-Historie: die Geschichte vom Büchsenwurf vom Bökelberg, die sich am 20. Oktober 1971 abspielte. Wenn die These mancher Kommunikationswissenschaftler stimmt, dass Medien Wirklichkeit konstruieren, dann hat es Borussias wundervolles 7:1 gegen Inter Mailand, das an jenem Tag stattfand, nicht wirklich gegeben. Denn das Fernsehen war nicht dabei, es ist ein Spiel ohne Bilder. Das, was da geschah im ersten Achtelfinale des Europapokals der Landesmeister, war tatsächlich so etwas wie ein phantastisches Trugbild. Dieses 7:1 ist die Mutter aller Borussen-Spiele – seine herrliche Schönheit aber wird zerstörte durch eine profane Cola-Dose. Diese berührte Mailands Roberto Boninsegnas Kopf in der 28. Minute. Der Italiener ging zu Boden, war nach eigenen Angaben sofort ohnmächtig, wurde vom Feld getragen und hinter verriegelter Kabinentür für spieluntüchtig erklärt. Inter legte Protest ein, denn „die Spieler hatten von da an Angst“, sagte Klubchef Ivanhoe Fraizolli. Uefa-Beobachter Matt Busby erklärte: „Die Uefa wird sich mit diesem Vorfall befassen müssen.“

Zeugen des Spektakels werden nur 27 500 Menschen, die nämlich, die im Stadion dabei sind. Der Rest der deutschen Fußballgemeinde war ausgeschlossen – weil es keine Übertragung im Fernsehen gab. Es ging um 6600 Euro. Die ARD unterbreitete vier Stunden vor dem Anstoß ein Angebot: 60 000 Mark, die üblichen elf Prozent Mehrwertsteuer inklusive. Borussias Manager Helmut Grashoff war aber der Meinung, dass die Fernseh-Anstalt die Steuer drauflegen müsse und will 66 600 Mark. „Keiner wollte nachgeben“, notierte die „Rheinische Post“. Borussias „Nibelungen-Angriff“ passiert also im kleinen Kreis jenseits medialer Beobachtung.

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Foto: Horstmüller

Am 29. Oktober, nach siebenstündiger Verhandlung, ordnete die Disziplinarkommission der Uefa eine Platzsperre für das nächste Uefa-Heimspiel, eine Geldstrafe von 10.000 Franken und die Wiederholung der Partie an, die am 1. Dezember in Berlin (nicht wie zunächst vorgegeben in Bern) ist. Das 0:0 reichte nicht, um das zwischenzeitliche 2:4 in Mailand wettzumachen. Borussias größter Abend war zugleich ihr traurigster. Das ist die bittere Wirklichkeit, ob mit oder ohne Fernsehen. Es gab eine Revanche, 1979, und die ging gut aus, Borussia setzte sich durch nach Verlängerung im zweiten Spiel in Runde zwei des Uefa-Cup, den Borussia am Ende zum zweiten Mal gewann in jener Saison. Doch der Büchsenwurf bleibt eine tiefe Wunde in Borussias Seele. Zugleich ist er zum Mythos geworden.

Liverpool und Inter – das wäre was. Historisch ein großes Vergnügen und sportlich eine schöne Herausforderung. Genau das ist es, was die Champions League bringen soll: tolle Spiele und tolle Geschichten. In beiden Fällen würde beides zusammenkommen. Darum wären es passende Gegner in der Königsklasse. Und man wird sich ja mal was wünschen dürfen. Benfica Lissabon zum Beispiel als dritten im Bunde. Doch müssen sich die Portugiesen erst noch qualifizieren, bevor sie im Lostopf landen. Kommt es dazu, wäre es ein herrlich. Kaum eine Stadt steht mehr für Sehnsucht als Lissabon mit seiner Geschichte und ihrem Soundtrack, dem Fado. Es würde passen zu Borussias Rückkehr in die Champions League. Denn die Sehnsucht ist groß.

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