Bilder aus kanadischem Archiv in Sonsbeck zu sehen Rückkehr in die zerstörte Heimat

Sonsbeck · Der Sonsbecker Verein für Denkmalpflege hat im Nachgang seiner preisgekrönten Ausstellung „75 + 1 Jahre Freiheit“ neues Bildmaterial aus einem kanadischen Archiv erhalten. Es dokumentiert die Kämpfe im Zweiten Weltkrieg um Sonsbeck, Xanten, Veen und Kalkar.

 Dieses Foto von vermutlich heimkehrenden Sonsbeckern entstand vor dem Gebäude, in dem sich heute das Restaurant La Passione befindet.

Dieses Foto von vermutlich heimkehrenden Sonsbeckern entstand vor dem Gebäude, in dem sich heute das Restaurant La Passione befindet.

Foto: Verein für Denkmalpflege

Bilder vom Krieg in der Ukraine bestimmen derzeit die Nachrichten. Kein Tag, an dem nicht bewaffnete Soldaten, zerstörte Gebäude, vor allem aber Menschen auf der Flucht in Zeitung, Fernsehen und Internet zu sehen sind. Als sich dem Verein für Denkmalpflege Sonsbeck nun ganz unerhofft ein kanadisches Archiv mit bislang unbekannten Fotos aus Sonsbeck, Xanten, Veen und Kalkar während des Zweiten Weltkrieges eröffnet hatte, haben die Mitglieder zunächst überlegt, wie sie damit umgehen wollen. Die mit einem Sonderpreis des NRW-Heimatministeriums ausgezeichnete Antikriegsausstellung „75 + 1 Jahre Freiheit“ war gerade gelaufen. Und man wollte die Menschen nicht überfordern. Aber manche Analogien haben die sechsköpfige Arbeitsgruppe derart überrascht, „dass wir uns entschieden haben, nicht trotz, sondern wegen des Krieges in der Ukraine einen Teil der Bilder zu zeigen“, sagt Mitinitiator Thomas Grütters. An Christi Himmelfahrt sowie Pfingstsonntag und -montag wird die Sonderausstellung in der Gommanschen Mühle zu sehen sein.

Insgesamt rund 100 Bilder sind dem Denkmalverein aus Kanada zugespielt worden. Einige Fotos sind in Belgien und Frankreich entstanden, viele dokumentieren aber auch den Vormarsch der alliierten Truppen am Niederrhein. Für die Gruppe war das ein unerhoffter Glücksfund, wie Grütters erzählt: „Während unserer Kriegsausstellung sind wir mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen. Darunter war ein junges Pärchen, das für einen Bekannten aus London nach Informationen über die frühere Kneipe Metzekath in Bönninghardt gesucht hat.“

 Die Arbeitsgruppe mit Peter Labuda (v.r.), David Riedel, Dietrich von Quistorp, Viktor Indendae, Christiane Grütters, Heinz-Peter Kamps und Thomas Grütters mit einigen der Ausstellungsbilder vor der Gommanschen Mühle.   RP-Foto: Fischer

Die Arbeitsgruppe mit Peter Labuda (v.r.), David Riedel, Dietrich von Quistorp, Viktor Indendae, Christiane Grütters, Heinz-Peter Kamps und Thomas Grütters mit einigen der Ausstellungsbilder vor der Gommanschen Mühle. RP-Foto: Fischer

Foto: Armin Fischer (arfi)

Der Brite sei während des Zweiten Weltkriegs in der Alpener Ortschaft stationiert gewesen und wolle nun ein Buch über die Zeit schreiben. Tatsächlich konnte Thomas Grütters in seiner privaten umfangreichen Postkartensammlung eine Postkarte von der Kneipe finden, die er zur Verfügung stellte. Einige Wochen später erhielt er eine E-Mail von dem Pärchen – mit Verweis auf das kanadische Archiv und der kurzen Nachricht: „Bei weiteren Recherchen fürs Buch entdeckt. Aber die Bilder kennt ihr sicher alle schon.“

Aber keines der rund 100 Fotos war dem Denkmalverein bekannt. „Wir haben uns sofort daran gemacht, sie zu sortieren und zu identifizieren“, erzählt David Riedel, der mit Grütters die Arbeitsgruppe leitete. Zum Teil war‘s echte Detektivarbeit. Zum Beispiel ist auf einem Bild ein Haus zu sehen, das es nicht mehr gibt. Drumherum nur Ruinen. „Wir haben lange gerätselt, wo das Bild entstanden sein könnte, bis uns eine Mauer im Hintergrund aufgefallen ist“, so Grütters. Diese Mauer kannten die Mitglieder bereits von einem anderen Bild. Demnach muss das Wohnhaus dort gestanden haben, wo heute das Gebäude der Initiative Integratives Leben steht.

Das neue Material veranschaulicht mehr als die Zerstörung der Gemeinde. Es dokumentiert auch die Rückkehr der Menschen. „Das Spannende ist, dass die Fotos alle mit einem Datum versehen sind“, so Riedel. Mehrere Bilder vom 6. März 1945 zeigen beladene Fußgruppen in Sonsbeck oder die in Richtung Sonsbeck unterwegs sind. „Wir wissen aus anderen Quellen, dass die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt komplett evakuiert war“, sagt Heinz-Peter Kamps, Vorsitzender des Denkmalvereins. Der 6. März 1945 sei der Tag gewesen, an dem kanadische Truppen die Gemeinde aus Nazi-Hand befreit hätten. „Die Fußgruppen sind also höchstwahrscheinlich Sonsbecker, die nach der Befreiung in ihre zerstörte Heimat zurückkehren.“

Andere Bilder zeigen Geschosse, Soldaten, Schützengräben. Auch die Friedenseiche ist zu sehen, die nach Informationen aus einer Schulchronik am 6. oder 7. März von einem kanadischen Panzer zusammengeschoben und so stark beschädigt worden ist, dass sie einige Jahre später gefällt werden musste. Viele Fotos sind mit einem Häkchen gekennzeichnet worden – als Zeichen für die Freigabe. Manche Motive wie das einer Gruppe Soldaten vor einer Landkarte sind aber auch mit dem Schriftzug „banned“ (verboten) überschrieben. „Die durften aus strategischen Gründen damals wohl nicht veröffentlicht werden“, schätzt Riedel, der die Kennzeichnung bei einem Teil der Bilder mit viel Mühe wegretuschiert hat.

Auffälliger findet der Sonsbecker aber: „Die Ähnlichkeiten zu den Bildern vom Krieg in der Ukraine sind zum Teil verblüffend“, sagt Riedel. Zum Auftakt der Ausstellung „75 +1 Jahre Freiheit“ habe man noch das Glück betont, dass in Europa so lange Frieden herrsche. „Nur wenige Monate später hat sich die Situation aber komplett gewandelt“, sagt Teammitglied Christiane Grütters. Die Ausstellung schlägt eine Brücke zwischen damals und heute: Nicht zuletzt mit einem Bild von dem in Schutt und Asche liegenden „Bauernhaus“, in dem heute ukrainische Flüchtlinge Unterkunft finden.

(beaw)
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