NRW-Sonderpreis für Sonsbecks Denkmalverein Wenn Historie hip wird

Sonsbeck · Ein junges Team im Verein für Denkmalpflege Sonsbeck sorgt seit einiger Zeit dafür, Ortsgeschichte modern aufzuarbeiten. Mit Erfolg. Nun gab es sogar einen Sonderpreis des NRW-Heimatministeriums.

 Christiane Grütters vom Verein für Denkmalpflege hält den Sonderpreis des NRW-Heimatministeriums in den Händen. Bei der Preisverleihung waren auch (v.l.): SPD-Landtagsabgeordneter René Schneider, André Verhoeven, Bürgermeister Heiko Schmidt, Thomas Grütters, Landrat Ingo Brohl, David Riedel, Heinz-Peter Kamps und Staatssekretär Jan Heinisch.

Christiane Grütters vom Verein für Denkmalpflege hält den Sonderpreis des NRW-Heimatministeriums in den Händen. Bei der Preisverleihung waren auch (v.l.): SPD-Landtagsabgeordneter René Schneider, André Verhoeven, Bürgermeister Heiko Schmidt, Thomas Grütters, Landrat Ingo Brohl, David Riedel, Heinz-Peter Kamps und Staatssekretär Jan Heinisch.

Foto: Franklin Berger

In Zeiten, in denen das kulturelle Leben stillstand, haben sie Ausstellungen neu gedacht und konzeptioniert. Als sämtliche Veranstaltungen wegen der Corona-Pandemie ausfallen mussten, brachten sie die Inhalte zu den Menschen nach Hause. Und damit stießen die Mitglieder des Vereins für Denkmalpflege nicht nur auf ein ganz neues Interesse bei den Sonsbecker Bürgern. Sie dienen auch als Vorbilder in Nordrhein-Westfalen. Am Donnerstag wurde dem Sonsbecker Denkmalverein „für sein beispielhaftes Engagement“ im Heimatministerium in Düsseldorf ein Sonderpreis im Rahmen des diesjährigen Landesheimatpreises verliehen.

Ausgezeichnet wurden zehn Vereine beziehungsweise Projekte in ganz NRW, die aus 238 lokalen Siegern von einer Jury ausgewählt wurden. Der Sonderpreis, den die Sonsbecker erhielten, trägt den Titel „Heimaten in herausfordernder Zeit“. Die Jury würdigt damit die moderne und vielseitige Aufarbeitung der Anti-Kriegs-Ausstellung „75 + 1 Jahre Freiheit“, die die 15-köpfige Arbeitsgruppe (AG) auf die Filmleinwand, ins Internet, in die Schaufenster der Sonsbecker Geschäfte sowie letztlich ins Haus Schiffer gebracht hatte.

Es sei dem Denkmalverein gelungen, trotz der pandemiebedingten Einschränkungen das Interesse an Heimatgeschichte nicht abreißen zu lassen, urteilte die Jury. Man habe neue Kompetenzen entwickelt, die eigene Arbeitsweise neu ausgerichtet und damit nicht nur Ortsgeschichte eindrücklich ins Internet gebracht, sondern auch die Gemeindebevölkerung angeregt, die Freude an Heimatgeschichte und Heimat-Geschichten im Netz zahlreich zu teilen.

„Wir waren von der Ehrung überwältigt und haben nicht damit gerechnet“, sagt Heinz-Peter Kamps. Denn als im Frühjahr 2020 feststand, dass die lange vorbereitete Ausstellung in den kleinen Räumen der Gommanschen Mühle unmöglich durchführbar sei, sei die Enttäuschung zunächst groß gewesen, erzählt der Vorsitzende des Denkmalvereins. „Die Bilder, Dokumente, alles lag dann erst einmal ein Jahr lang im Keller“, so Kamps.

Als Alternative, auch weil der traditionelle Adventskalender der Kirchengemeinde pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, erstellte die AG rund um David Riedel, Christiane und Thomas Grütters mit Hilfe von Veit Scheuermann von der VTS Medienproduktion einen digitalen Adventskalender. Hinter 24 Türchen verbargen sich aufwendige Videos mit Historien und Legenden rund um die Gemeinde, Liedern, Rezepten und plattdeutschen Gedichten. Zahlreiche Sonsbecker wurden integriert, standen vor der Kamera oder steuerten historisches Bildmaterial bei. Ein Riesenerfolg. Der Kalender erreichte mehr als 50.000 Klicks im Netz. „Viele fragten schon am Vorabend ungeduldig, was denn am nächsten Morgen hinter dem Türchen sei“, erzählt Kamps.

2021 wollte der Verein dann einen neuen Anlauf für seine Anti-Kriegs-Ausstellung wagen. Inzwischen waren 75 + 1 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen. „Die Gemeinde hat uns das Haus Schiffer kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine tolle Geste. Dort konnten wir uns in Ruhe ausbreiten“, erzählt Kamps. Doch die Inzidenzen stiegen wieder. „Die Pläne gingen wieder in die Hose“, so Kamps. Zwischenzeitlich habe er sogar befürchtet, dass die andauernden Rückschläge das neue, junge Team entmutigen würden. „Aber alle sind unermüdlich bei der Stange geblieben, haben immer wieder neue Ideen eingebracht“, lobt der Vorsitzende. „Man kann das einfach gar nicht hoch genug schätzen.“

Die neue Idee: Die Ausstellung wurde im April 2021 in die Schaufenster der Geschäfte gebracht. An 13 Stellen dokumentierten großformatige Fotos die Zerstörung der entsprechenden Gebäude kurz nach dem Kriegsende. Die Sonsbecker konnten so Geschichte spazierend erleben. Dazu gaben kurze Onlinevideos Einblick in ganz persönliche Schicksale, etwa das eines Sonsbecker Soldaten, der in Briefen an die Heimat von seinen Erlebnissen an der Front schrieb, oder das eines Zwangsarbeiters, der auf einem Bauernhof in Hamb schuften musste.

Auch diese Aktion war ein großer Erfolg. „Durch das Engagement der Arbeitsgruppe hat der gesamte Verein neuen Aufschwung erfahren“, so Kamps. Während andere Vereine in der Pandemie Mitglieder verloren haben, sind dem Sonsbecker Denkmalverein neue, vorwiegend junge Mitglieder beigetreten.

Und im Oktober 2021 konnte dann endlich die Vernissage von „75 +1 Jahre Freiheit“ im Haus Schiffer stattfinden. Durch das neu erweckte Interesse der Bürger am Denkmalverein kam nochmals weiteres Material zusammen. Zu sehen gab es Exponate aus dem Zweiten Weltkrieg wie Panzerkartuschen und Stahlhelme, zahlreiche Fotos der zerstörten Gemeinde, Feldpostbriefe, Karten und Telegramme von Soldaten sowie eine Sammlung von 188 Totenzetteln von im Krieg getöteten Sonsbeckern. Zum Auftakt wurde im Kastell zudem ein Film mit bewegenden Zeitzeugenberichten gezeigt.

„Durch den Kriegsausbruch in der Ukraine bekommt das Thema natürlich eine neue Dramatik“, sagt Kamps. „Es gab einige Anfragen, ob wir die Ausstellung nicht noch einmal zeigen könnten.“ Auch um der jungen Generation zu veranschaulichen, was die Schrecken des Krieges mit sich bringen. „Aber derzeit ist im Fernsehen so viel Krieg zu sehen, dass wir die Menschen auch nicht überfordern wollen“, so Heinz-Peter Kamps. Eine kleine Ausstellung mit bisher unveröffentlichten Bildern ist in der Mühle zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten geplant. Dort ist dann auch der Sonderpreis des nordrhein-westfälischen Heimatministeriums zu bestaunen.

(beaw)
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