Teils heftige Reaktionen bei den Lokalpolitikern Remscheider FDP „fassungslos“ nach Thüringen-Wahl

Remscheid · Die überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen, der keine 24 Stunden später wieder seinen Rücktritt verkündete, sorgt auch in Remscheid für heftige Reaktionen in der Politik. Die Linke erkennt sogar Parallelen zum Verhalten der CDU im Remscheider Rat. Die zeigt sich angewidert von dem Versuch, die Vorfälle in Erfurt zu nutzen, um hier vor Ort die CDU zu diskreditieren.

 Protest vor der Staatskanzlei in Erfurt.

Protest vor der Staatskanzlei in Erfurt.

Foto: dpa/Martin Schutt

Als erste Partei meldete sich die FDP zu Wort. „Wir sind nach wie vor fassungslos und erschrocken, dass sich Thomas L. Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen hat wählen lassen“, heißt es in einer Stellungnahme auf der Internetseite, die der Parteivorsitzende Torben Clever und der Sprecher der FDP-Ratsgruppe, Wolf Lüttinger, unterzeichnet haben. Weiter heißt es: „Es kann keinen liberalen Ministerpräsidenten, der mit den Stimmen einer zutiefst antidemokratischen Partei ins Amt gekommen ist, geben. Liberalismus und Faschismus schließen sich gegenseitig aus und daher distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit von den Ereignissen des heutigen Tages. Wir fordern Thomas Kemmerich zum sofortigen Rücktritt auf, um damit den Weg für Neuwahlen in Thüringen freizumachen.“ Am Mittag kam die Nachricht aus Thüringen, dass Kemmerich sein Amt aufgeben will. Seine Fraktion will den Antrag stellen, dass der Landtag aufgelöst wird.

Christine Krupp, Vorsitzende der SPD Remscheid, begrüßte die Erklärung der Remscheider FDP: „Wir danken dem FDP-Kreisvorsitzenden für seine klare und eindeutige Stellungnahme.“ Clever stehe damit in der guten Tradition der FDP, die für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie stehe. „Ein ähnlich klares Bekenntnis“ erwarte die SPD nun auch vom CDU-Kreisvorsitzenden Jens Nettekoven. Ein Herumreden gebe es bei dem Thema nicht. Nettekoven solle „eine klare Haltung zeigen wie seine Bundesvorsitzenden oder der CSU-Vorsitzende Markus Söder“.

 Torben Clever ist FDP-Vorsitzender in Remscheid.

Torben Clever ist FDP-Vorsitzender in Remscheid.

Foto: Röser, Henning (hr)

Ohne die geforderte Reaktion abzuwarten, wird der CDU-Chef aber bereits scharf kritisiert. „Herr Nettekoven ist schnell dabei, wenn es um moralische Bewertung oder Haltungsnoten geht. Heute bekommt er zum Abschied aus seinem Amt als Kreisvorsitzender eine Note von uns: ungenügend.“ Die SPD nimmt hier Bezug auf die Ankündigung Nettekovens, den Parteivorsitz im März abzugeben.

 CDU-Chef Jens Nettekoven zeigte sich enttäuscht vom „Versuch einiger politischer Kräfte in Remscheid, die Geschehnisse in Erfurt für den Wahlkampf hier vor Ort“ zu nutzen.

CDU-Chef Jens Nettekoven zeigte sich enttäuscht vom „Versuch einiger politischer Kräfte in Remscheid, die Geschehnisse in Erfurt für den Wahlkampf hier vor Ort“ zu nutzen.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Horst Kläuser, Remscheider WDR-Journalist im Ruhestand, postete im Nachrichtendienst Twitter ein Video, in dem sein FDP-Mitgliedsausweis mit der Schere zerschnitten wird. Dazu schreibt er: „Ich kann und will nicht in der Nähe einer früher mal liberalen Partei sein, die die AfD-Faschisten rund um Höcke zum Steigbügelhalter machen. Pfui!“

 WDR-Journalist Horst Kläuser hat in einem Twitter-Video gezeigt, wie er seinen FDP-Mitgliedsausweis zerschneidet.

WDR-Journalist Horst Kläuser hat in einem Twitter-Video gezeigt, wie er seinen FDP-Mitgliedsausweis zerschneidet.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Dafür zollt ihm der Vorsitzende der Ratsfraktion der Remscheider Linken, Fritz Beinersdorf, „meinen allerhöchsten Respekt“. Auch Beinersdorf nimmt die Union in die Pflicht. „Ich bin mir nicht sicher, wie sie zu den Ereignissen steht.“ Einerseits habe der designierte neuen CDU-Vorsitzende Matthias Heidtmann in dieser Woche öffentlich erklärt, niemals mit der AFD zusammen zu arbeiten. Der Fraktionsgeschäftsführer der CDU, Ansgar Lange, hingegen habe das Thüringer Ereignis auf Facebook zunächst begrüßt, später dann aber seinen Eintrag wieder gelöscht, berichtet Beinersdorf.

„Das ist eine Lüge“, sagte Lange im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Post mit dem Titel „Sehr gut! Ein Mann der politischen Mitte wurde gewählt!“ sei nach wie vor im Netz zu finden. Lange räumte ein, dass diese Zeile missverstanden werden könnte. Darum habe er im folgenden erklärt, wie er die Lage einschätzt. Gegenüber der BM stellte er klar: „Falls es in Thüringen Absprachen mit der AFD gegeben hätte, wäre dies selbstverständlich ein Unding.“

Beinersdorf erkennt im Wahlverhalten der CDU in Thüringen Parallelen zu Wahlen im Remscheider Rat, „bei denen Neonazis von Pro NRW begünstigt wurden“. Auch stehe die früher formulierte Forderung des scheidenden CDU Vorsitzenden Jens Nettekoven im Raum, ein „entspanntes Verhältnis“ zu den Neonazis von Pro NRW anzustreben, Beinersdorf: „Ich glaube, dass die Remscheider Union gut beraten wäre, hier Klarheit zu schaffen.“

CDU-Chef Jens Nettekoven zeigte sich am Mittag enttäuscht, aber auch angewidert vom „Versuch einiger politischer Kräfte in Remscheid, die Geschehnisse in Erfurt dafür zu nutzen, um Wahlkampf hier vor Ort zu machen und den politischen Mitbewerber CDU zu diskreditieren“. Die CDU werde in Remscheid mit der AFD – falls sie überhaupt für den Rat antritt – nicht zusammenarbeiten. Mit Pro Deutschland und der AFD wolle man nichts zu tun haben.

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