Kommunalwahl in Nettetal Für mehr Vielfalt und Bürgernähe

Nettetal · Mit dreimal hohen Ergebnissen wählten SPD, Grüne und FDP Christian Küsters zum gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten. Er soll die Vorherrschaft der CDU in Nettetal brechen. Sein Ton: moderat.

 Bürgermeisterkandidat Christian Küsters (Grüne) mit Ehefrau Yasmin.

Bürgermeisterkandidat Christian Küsters (Grüne) mit Ehefrau Yasmin.

Foto: Heribert Brinkmann

Im gesamten Kreis Viersen gibt es jetzt nur in Nettetal einen gemeinsamen Kandidaten der Opposition. Eine Ampel aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen hat den Grünen-Vorsitzenden Christian Küsters (43) zum gemeinsamen Kandidaten für das Bürgermeisteramt gewählt. Hans-Willi Troost (FDP) brachte es beim Treffen an der Libelle auf dem Naturschutzhof auf den Punkt: „Wir wollen eine echte demokratische Alternative bieten.“ Eine solche gemeinsame Konstellation gebe es weit und breit nicht noch einmal. Nur gemeinsam rechnen sich die drei Parteien eine Chance aus, die vorherrschende CDU im Rathaus abzulösen.

Dabei geht es nicht um eine Machtfrage, sondern eher um eine andere Art von Politik. Im Rathaus sei der Personalwechsel hoch, gute Leute würden verdrängt. Um Bürgermeister Christian Wagner (CDU) gebe es eine Runde, die ihn hofiere wie abschirme und ihm den roten Teppich ausrolle. Die von Wagner proklamierte Bürgernähe biete nur Pseudo-Veranstaltungen, findet SPD-Fraktionsvorsitzende Renate Dyck. In den Sprechstunden werde viel versprochen, danach passiere wenig. Die Netterunde sei auch eine Selbstdarstellung des Bürgermeisters, mit einem großen Aufgebot aus der Verwaltung werde der Eindruck erweckt, alles im Griff zu haben und zu handeln. Dyck und Tanja Jansen (SPD) kritisieren auch, dass Wagner mit seinem Geschäftsleiterkonzept nur Männer um sich geschart habe. Es gebe an der Spitze der Verwaltung keine Gleichstellung.

Christian Küsters hat von allen drei Parteien viel Rückenwind bekommen. Als letzte der drei Partner stimmte die SPD Nettetal am Montag für Küsters. Bei 27 abgegebenen Stimmen gab es nur ein Nein und eine Enthaltung. Bereits am 16. Mai hatten erst FDP und dann die Grünen gewählt. Bei der FDP wurden elf Stimmen abgegeben, davon ein Nein und eine Enthaltung. Und bei seinen eigenen Grünen gab es bei 17 Stimmen 16 Ja und eine Enthaltung. Für die SPD, die gewohnt ist, immer einen eigenen Kandidaten aufzustellen, war es, so Tanja Jansen, gewöhnungsbedürftig, einen Kandidaten einer anderen Partei mitzuwählen. Aber man habe die Mitglieder frühzeitig eingebunden und mitgenommen, so dass es jetzt bei der Wahl kein Problem mehr darstellte.

Kandidat Christian Küsters, der mit Frau und zwei Töchtern in der Leutherheide wohnt, war von den Ergebnissen überwältigt. Er fühlte sich bei Gesprächen und Begegnungen von den anderen Parteien herzlich aufgenommen und akzeptiert. „In persönlichen Gesprächen habe ich viel Sympathie und Zuspruch erfahren.“ Er habe die Zuversicht, viel erreichen zu können. „Jetzt geht’s los“, sagt er kämpferisch zum Bürgermeister-Wahlkampf, der zum Ziel hat, einen Wechsel im Rathaus herbeizuführen.

Viel Zuspruch hat Küsters auch von seinen Kollegen in der Commerzbank in Düsseldorf erhalten. Für die heiße Wahlkampfphase im August wurde er vom Arbeitgeber freigestellt. Seit Jahren arbeitet Küsters in führender Funktion in der Beratung von Firmenkunden mit Umsätzen ab 13 Millionen Euro aufwärts. Der gebürtige Aldekerker ist auf einem Bauernhof groß geworden. Sein Bruder bewirtschaftet ihn heute. Nach dem Abitur am Liebfrauen-Gymnasium in Mülhausen und dem Wehrdienst beim Wachbataillon in Siegburg begann Küsters bei der Deutschen Bank in Krefeld. Dann schloss er ein Studium in Münster an und wurde 2004 Diplomkaufmann für Banken und Finanzierungen. 2005 fing er bei der Commerzbank an. Seit acht Jahren betreut er große Firmenkunden.

Bei den Banken ist die Digitalisierung bereits weit fortgeschritten. So überrascht es nicht, dass er die Digitalisierung der Verwaltung zu seinem Thema macht. Das mobile Arbeiten will er in die Breite tragen. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, in der das Rathaus fürs Publikum geschlossen war, habe sich gezeigt, welches Potenzial in Online-Dienstleistungen liege. Auch für das digitale Lernen an den Schulen will sich Küsters stärker engagieren, aber auch für den Kulturbereich.

Für einen Wechsel im Rathaus spreche viel. Der hohe Personalwechsel bedeute wenig motivierte Mitarbeiter. Noch wichtiger erscheint Küsters aber auch der Umgang mit den Bürgern. Der Antrag einer Bürgerin, die Bettelampeln abzuschaffen, sei in den Planungsausschuss verwiesen worden und werde mit Hinweis auf das große Mobilitäskonzept auf die lange Bank geschoben. Denn das Konzept solle erst im Herbst überhaupt in Auftrag gegeben werden. Sein Wunsch sei, so Küsters, anders mit Bürgeranträgen umzugehen. Er könne beim Radverkehr keinerlei Umsetzung erkennen. Natürlich ist es besonders ein grünes Thema, auf eine andere Mobilität zu setzen, mehr Radverkehr, weniger Autos.

Der Vater zweier Töchter will sich auch für das Thema Klimawandel stark machen. Der Treffpunkt Naturschutzhof war schon mit Bedacht ausgewählt, wenn auch Corona-Bedingungen geschuldet. Für Nettetal als Naherholungsgebiet spiele der Naturschutz eine entscheidende Rolle.

Hans-Willy Troost (FDP) kritisiert aber auch die Fokussierung der Verwaltung auf eine Fraktion, eben die CDU. Andere Fraktionen fänden mit ihren Anträgen kein Gehör. Auch Guido Gahlings (Grüne) empfand éin Unbehagen, in vielem ausgebremst worden zu sein. Das Ampel-Bündnis sei jetzt eine realistische Perspektive, die alldominante CDU abzulösen. Auf die Dynamik in der Bevölkerung, die alle Beteiligten im Alltag wie an Wahlkampfständen erführen, müsse von der Politik reagiert werden. Seine Familie hat er schon überzeugt. Sie steht hinter ihm. Ohne das funktioniere es nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort