Profil der Kandidaten Der Kampf ums Kanzleramt

Berlin · Wer tritt die Nachfolge von Angela Merkel an: Annalena Baerbock, Olaf Scholz oder Armin Laschet? Was die drei Bewerber um das wichtigste politische Amt der Bundesrepublik Deutschland eint – und was sie trennt.

 Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet wird auf einem Fernsehschirm gezeigt, während die Mitbewerber von Grünen und SPD, Annalena Baerbock und Olaf Scholz, im Fernsehstudio bei einer Diskussionsrunde des WDR-Europaforums in Berlin sitzen. Es war das erste Aufeinandertreffen der drei Kanzlerkandidaten im Mai 2021.

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet wird auf einem Fernsehschirm gezeigt, während die Mitbewerber von Grünen und SPD, Annalena Baerbock und Olaf Scholz, im Fernsehstudio bei einer Diskussionsrunde des WDR-Europaforums in Berlin sitzen. Es war das erste Aufeinandertreffen der drei Kanzlerkandidaten im Mai 2021.

Foto: dpa/Oliver Ziebe

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik bewerben sich drei Personen um das Amt des Kanzlers oder der Kanzlerin. Mit Ausnahme der ersten Wahl 1949 war immer ein amtierender Kanzler dabei. Auch das ist nach dem Verzicht von Angela Merkel auf eine fünfte Amtszeit nicht mehr der Fall. Die drei Bewerber bringen einen höchst unterschiedlichen politischen Lebenslauf mit, sind aber in einigen Punkten auch nahe beieinander.

Herkunft der Kanzlerkandidaten

So unterschiedlich die politischen Auffassungen der beiden Anwärter und der Kandidatin für das Kanzleramt ausfallen, alle drei kommen aus einem eher bürgerlichen Haushalt der Mittelschicht und haben sich früh politisch engagiert. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz (63) ist Sohn eines Ehepaars, das als Handelsvertreter in der Textilbranche tätig war. Die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock (40) stammt aus einer Familie, in der ebenfalls beide Elternteile berufstätig waren, ihre Mutter als Sozialpädagogin, ihr Vater als Maschinenbau-Ingenieur. Dagegen übernahm die Mutter des christdemokratischen Kanzlerkandidaten Armin Laschet (60) die klassische Rolle einer Hausfrau, während sein Vater vom Bergarbeiter zum Lehrer umschulte, als die in den 60er Jahren Mangelware wurden. Den zunächst zögerlichen CDU-Politiker musste ein Jugendfreund förmlich in die Partei drängen. Scholz war dagegen schon seit jungen Jahren Mitglied der Jungsozialisten und hatte sich schon früh als Schülersprecher seines Gymnasiums politisch betätigt. Auch Baerbock wurde durch ihre Eltern früh politisiert, die sie auf Demos gegen das Wettrüsten und die Atomkraft mitnahmen. In die Partei der Grünen trat sie mit 24 Jahren ein. Alle drei Kandidaten sind juristisch ausgebildet, die Vertreterin der Grünen besitzt einen Master im Völkerrecht, den sie an der renommierten London School of Economics absolvierte. Baerbock war auch sportlich als Trampolinspringerin erfolgreich und nahm sogar an den Deutschen Meisterschaften teil. Ähnliche sportliche Aktivitäten sucht man bei Laschet und Scholz eher vergebens. Hingegen machte der SPD-Politiker Scholz eine klassische juristische Ausbildung mit erstem und zweitem Staatsexamen und wurde danach Fachanwalt für Arbeitsrecht. Laschet hörte nach dem ersten juristischen Staatsexamen auf und betätigte sich als Redenschreiber der Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth und Chefredakteur des Aachener Bistumszeitung. Die drei Bewerber fürs Kanzleramt kommen auch aus unterschiedlichen Regionen in Deutschland – Scholz wuchs in der Millionen-Metropole Hamburg auf und wurde durch die quirlige Hansestadt stark geprägt. Baerbock betont gern, dass sie in Niedersachsen auf dem Bauernhof aufwuchs. Der CDU-Politiker Laschet ist fest mit seiner Heimatstadt Aachen, einer mittleren Großstadt mit eher provinziellem Charakter und großer Geschichte, verbunden.

Politischer Aufstieg der Kanzlerkandidaten

Im Grunde sind alle drei Kandidaten Berufspolitiker. Die Grünen-Chefin Baerbock fand über die europäische Schiene in die politische Szene und war später Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik in der Bundestagsfraktion. Gleichzeitig stürzte sie sich in die Grünen-Parteiarbeit und ist seit 2013 Bundestagsabgeordnete. Ihren politischen Durchbruch feierte sie 2018 in einer erfolgreichen Kampfkandidatur gegen die linke niedersächsische Konkurrentin Anja Piel und wurde zusammen mit dem schon länger etablierten Robert Habeck Parteivorsitzende. Fachlich beschlagen, bienenfleißig und durchsetzungskräftig wurde sie schließlich zur ebenbürtigen Partnerin des beliebten Polit-Stars. Ihr Meisterstück war der Einsatz für den parteiübergreifenden Kompromiss für eine freiwillige Organspende. Habeck gab in diesem Jahr den Weg zu ihrer Kanzlerkandidatur frei, nicht zuletzt, um auch eine aussichtsreiche Frau beim Rennen um das wichtigste politische Amt zu installieren.

Der erfahrenste im Feld der Bewerber ist Bundesfinanzminister Scholz, der nach eigenem Bekunden schon fast alle politischen Ämter außer der Kanzlerschaft innehatte. Er war Innensenator in Hamburg, SPD-Generalsekretär, Bundesarbeitsminister und Erster Bürgermeister Hamburgs, bevor er in der großen Koalition von 2017 Chef des Finanzressorts wurde. Er gilt als politisch äußerst beschlagen – regional, national wie international. Sein Manko ist das Fehlen einer starken Emotionalität, die ihn vor allem als Wahlkämpfer nicht so richtig in Geltung kommen lässt.

Eine Mischung aus Erfahrung und emotionsgeladenen Engagement ist der CDU-Vorsitzende Laschet. Er startete in der Aachener Kommunalpolitik und war sowohl im Bundestag wie im Europäischen Parlament Abgeordneter, bevor er sich 2005 als Integrationsminister im Kabinett des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) der Landespolitik zuwendete. Laschet musste einige empfindliche politische Niederlagen hinnehmen, eher er im Mai 2017 die Landtagswahl überraschend gegen die beliebte NRW-Landeschefin Hannelore Kraft (SPD) gewann, die freilich nach sieben Jahren als Ministerpräsidentin amtsmüde wirkte. In einem parteiinternen Ringen setzte sich der Rheinländer Laschet erst gegen zwei Konkurrenten um den CDU-Vorsitz durch, dann später gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) als gemeinsamer Kanzlerkandidat der Union. Viele an der Basis sind noch nicht davon überzeugt, dass er das Rennen gewinnen wird, obwohl die CDU/CSU in den Umfragen vorne liegen.

Profil der Kanzlerkandidaten

Die Bewerber um das Kanzleramt gelten alle als eher pragmatisch, gehören der linken oder rechten Mitte an. Laschet war in der Flüchtlingsfrage eng an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem humanitären Kurs der erleichterten Aufnahme der Gestrandeten. Auch in der Integrationsfrage vertritt der CDU-Chef eine eher weltoffene und kosmopolitische Richtung, mit der er bei einigen Parteifreunden und –freundinnen aneckt. Der gläubige Katholik kommt aus der sozialpolitischen Tradition der Union, versuchte aber zuletzt, sich auch ein wirtschaftsfreundliches und liberales Image zuzulegen. Er ist ein klassischer Mann der Mitte.

Scholz startete seine Karriere mit betont linken Themen, und sein Einsatz für einen Mindestlohn von zwölf Euro unterstreicht diese Vergangenheit. Zugleich unterstützte er die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetzgebung der Regierung von Gerhard Schröder (SPD), der Kritiker vorhalten, sie hätten die Sozialdemokratie ruiniert. Scholz bewies als Stadtchef Hamburgs eine betont wirtschaftsfreundliche Politik, er setzt sich massiv für Industriearbeitsplätze ein und sucht den engen Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Allerdings vertritt er auch ehrgeizige ökologische Ziele – immer mit sozialem Anstrich. Dem Staat billigt er über eine Investitionsoffensive eine neue aktivere Rolle zu.

Für die Grünen-Politikerin Baerbock ist die Überwindung der Klimakrise das oberste politische Ziel, dann folgen ihr Einsatz für weltweite Menschenrechte, Frieden und die Gleichberechtigung von Frauen, Homosexuellen und Migranten. Trotzdem sucht auch sie den Dialog mit der Wirtschaft und bremst allzu weitreichende ökologische Forderungen aus der eigenen Partei aus. Als Mitglied der Evangelischen Kirche teilt sie christliche Werte – besonders, was ihre Haltung zu ethischen Fragen des Lebens und der Reproduktion ausmacht. Allerdings bezeichnet sie sich als nicht gläubig.

Privates zu den Kanzlerkandidaten

Annalena Baerbock ist verheiratet. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Politikberater Daniel Holefleisch, in Brandenburg. Ihre beiden gemeinsamen Töchter sind im Grundschulalter. Die Grünen-Politikerin spricht fließend Englisch, in Reden fällt ihre Nervosität hin und wieder auf. Dann verhaspelt sie sich, deswegen redet sie nicht immer frei.

Scholz lebt inzwischen in Potsdam, tritt dort bei der Bundestagswahl als Kandidat an. Er ist kinderlos, verheiratet mit Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst. Zuletzt zog das Paar aus seiner Wohnung in einem Mehrfamilienhaus aus, weil binnen kurzer Zeit zweimal Einbrecher in die Räume eingedrungen waren.

Laschet wohnt im Aachener Stadtteil Burtscheid. Hier lebt er mit Frau Susanne, einer gelernten Buchhändlerin, im Reihenhaus. Die beiden haben drei erwachsene Kinder. Der älteste Sohn Johannes, genannt Jo, hat als Mode-Influencer einige Bekanntheit erreicht und brachte den Vater wegen der Weitergabe der Handynummer seines Auftraggebers, Christian von Daniels, Chef des Modeherstellers Van Laack, in Erklärungsnöte.

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