Angriffe im ganzen Land Russland greift die Ukraine an – Scharfe Reaktion im Westen

Kiews · Beobachter haben seit Tagen eine russische Invasion in die Ukraine erwartet. Nun hat Präsident Putin den Militäreinsatz angeordnet. Die USA und ihre Verbündeten verurteilen das Vorgehen scharf.

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Russland greift die Ukraine an

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Foto: AP/Vadim Ghirda

Russland hat einen Krieg gegen die Ukraine begonnen. Präsident Wladimir Putin ordnete am frühen Donnerstagmorgen eine Militäroperation in den Regionen Luhansk und Donezk an. Angriffe mit Kampfflugzeugen, Hubschrauber und Raketen wurden auch aus anderen Teilen der Ukraine gegen militärische Infrastruktur gemeldet. In der unklaren Lage ließen sich die Berichte nicht sofort nachprüfen.

Erstmals stehen sich damit russische und ukrainische Soldaten in dem seit acht Jahren dauernden Konflikt gegenüber.

US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die westlichen Verbündeten sowie die Europäische Union und die Nato verurteilten Putins Vorgehen scharf und kündigten umgehend weitere Sanktionen an.

Russland hat nach den Worten von Biden „vorsätzlich“ einen „Krieg“ gegen die Ukraine begonnen.

In einer Fernsehansprache sagte Putin: „Ich habe beschlossen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen. Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind.“ Russland strebe die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine an.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte „sofortige Sanktionen“ gegen Moskau. Selenskyj telefonierte unter anderem mit Biden und Scholz. Selenskyj rief den Kriegszustand aus.

Vertreter der 30 Nato-Staaten kamen zu einer Krisensitzung zusammen. Aus Bündniskreisen hieß es, dass bei der Sitzung beschlossen werden könnte, dem Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte weitreichende Befugnisse zu übertragen.

Militärische Nato-Unterstützung für die Ukraine gilt weiter als ausgeschlossen, weil dadurch ein noch größerer Krieg zwischen der Nato und Russland ausgelöst werden könnte.

Die EU wird nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel umgehend ein neues Sanktionspaket beschließen. Dieses werde „massive und schwerwiegende Folgen“ für Russland haben. Für den Abend ist ein EU-Krisengipfel in Brüssel geplant.

Die USA, die EU und weitere Verbündete haben bereits Sanktionen verhängt.

Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine.

Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs gab es russischen Beschuss im Osten des Landes. Russisches Militär habe Gebiete und Siedlungen entlang der Staatsgrenze sowie mehrere Flugplätze angegriffen, teilte der Generalstab in Kiew mit. Landungsoperationen des russischen Militärs in der südostukrainischen Stadt Odessa habe es nicht gegeben. „Die Situation ist unter Kontrolle.“

Das Militär schoss nach eigenen Angaben im Gebiet Luhansk fünf russische Flugzeuge und einen Hubschrauber ab.

Insgesamt wurden nach Angaben des Generalstabs mindestens sechs Flugplätze angegriffen, darunter Boryspil, etwa 40 Kilometer von Kiew entfernt, Tschuhujiw im Gebiet Charkiw und Kramatorsk im Gebiet Donezk. Die Armee wehre Luftangriffe ab und sei in voller Kampfbereitschaft, hieß es.

Ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur in Kiew berichtete, dass auch in Kiew Donnerschläge zu hören waren. Es war unklar, woher diese kamen. „Jetzt hören wir einige Explosionen“, schrieb auch eine Anwohnerin aus Kiew in einem privaten Chat, der dpa vorlag.

Die von Russland unterstützten Separatisten meldeten nach dem Einmarsch die Einnahme von zwei Kleinstädten. Es handele sich dabei um Stanyzja Luhanska und um Schtschastja, teilten die Separatisten mit. Demnach sind Truppen über den Fluss Siwerskyj Donez vorgedrungen, der bisher die Frontlinie bildete.

US-Präsident Biden verurteilte den „unprovozierten und ungerechtfertigten“ russischen Angriff auf die Ukraine in dem Gespräch mit Selenskyj. Er habe ihn über weitere harte Sanktionen der USA gegen Russland informiert.

„Die Gebete der ganzen Welt sind heute Nacht beim ukrainischen Volk, während es unter einem unprovozierten und ungerechtfertigten Angriff durch die russischen Streitkräfte leidet“, erklärte Biden. „Präsident Putin hat sich vorsätzlich für eine Krieg entschieden, der katastrophale Todesfälle und menschliches Leid bringen wird. Die Welt wird Russland zur Rechenschaft ziehen.“

Biden wollte noch am Donnerstag seinen Amtskollegen aus der Gruppe der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen besprechen. „Wir werden der Ukraine und dem ukrainischen Volk weiter Hilfe und Unterstützung zukommen lassen“, erklärte Biden.

Bundeskanzler Scholz sicherte Selenskyj „die volle Solidarität Deutschlands in dieser schweren Stunde“ zu. Scholz nannte den russischen Angriff einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Auch Außenministerin Annalena Baerbock verurteilte den Militäreinsatz scharf.

Der britische Premierminister Boris Johnson zeigte sich bestürzt: „Ich bin entsetzt über die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine.“

Der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo sprach von „Europas dunkelster Stunde seit dem Zweiten Weltkrieg“.

US-Außenminister Antony Blinken, Verteidigungsminister Lloyd Austin und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprachen über eine Stärkung der Präsenz des Bündnisses in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten.

Blinken betonte, dass die Verpflichtung der USA, das Bündnisgebiet im Angriffsfall zu verteidigen, „eisern“ sei.

Die US-Regierung hat seit Beginn des Konflikts um die Ukraine bereits rund 6000 Soldaten in osteuropäische Nato-Mitgliedsländer verlegt oder deren Verlegung angekündigt. Die meisten von ihnen wurden nach Polen verlegt, das im Osten an die Ukraine grenzt.

(th/dpa)
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