Säbelfechter sagen „Sayonara Tokio“ So verabschieden sich Hartung, Wagner und Co. nach der Olympia-Niederlage

Dormagen/Tokio · Die Stunden nach der verpassten Medaille bei den Olympischen Spielen in Tokio verbringen die Fechter des TSV Bayer Dormagen als Team. Es sind die letzten Stunden als Fecht-Team.

 Selfie in der Nacht nach der verpassten Bronzemedaille im Olympischen Dorf: (v.l.) Max Hartung, Benedikt Wagner, Matyas Szabo und Richard Hübers.

Selfie in der Nacht nach der verpassten Bronzemedaille im Olympischen Dorf: (v.l.) Max Hartung, Benedikt Wagner, Matyas Szabo und Richard Hübers.

Foto: B. Wagner

Unendlich enttäuscht und tieftraurig, aber hoch erhobenen Hauptes sind die Säbelfechter des TSV Bayer Dormagen am Mittwoch von der internationalen Bühne abgetreten, rührten dabei die Zuschauer an den Bildschirmen mit bewundernswerter Contenance.

Auf dem Weg hinunter von der Planche, auf der sie sich noch kurz zuvor mit aller Leidenschaft gegen die Niederlage im Kampf um Olympia-Bronze gestemmt hatten, passierten Max Hartung, Benedikt „Peter“ Wagner und der für den verletzten Matyas Szabo eingesprungene Richard Hübers die feiernden Ungarn. Und Wagner schaffte es tatsächlich, „mich auch ein Stück weit für sie zu freuen, denn ich weiß, dass sie wie wir alles für diesen Moment gegeben haben.“ Mit dem jetzt dreimaligen Einzel-Olympiasieger Áron Szilágyi, der im letzten Gefecht des wie immer mitreißenden Mannschaftswettbewerbes gegen einen wie entfesselt auftrumpfenden Hartung um ein Haar einen 14-Punkte-Vorsprung verspielt hätte, ist er praktisch aufgewachsen. „Er ist mein Jahrgang. Wir haben seit der Jugend alle Wettkämpfe als Konkurrenten und Freunde erlebt.“

 Die imposante Rainbow Bridge in Tokio bei Nacht mit den Olympischen Ringen, fotografiert von Benedikt „Peter“ Wagner, Säbelfechter des TSV Bayer Dormagen.

Die imposante Rainbow Bridge in Tokio bei Nacht mit den Olympischen Ringen, fotografiert von Benedikt „Peter“ Wagner, Säbelfechter des TSV Bayer Dormagen.

Foto: Benedikt Wagner

Erst als dem Trio vor dem Mikrofon des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schlagartig bewusst wurde, dass ihre so überaus erfolgreiche und erfüllende, aber auch mit vielen Entbehrungen und Schmerzen verbundene Karriere im Leistungssport nun wirklich vorbei ist, brachen alle Dämme. „Es hat uns übermannt und wir haben hemmungslos geweint“, sagt Wagner. Und trotzdem möchte er diesen Augenblick um nichts in der Welt missen. „Gerade in seiner Emotionalität, ja auch in seiner Traurigkeit war das ein einzigartiger Moment, den ich nie mehr vergessen werde.“

Die folgenden Stunden verbrachten die da natürlich längst wieder mit dem im kleinen Finale schmerzlich vermissten Matyas Szabo vereinten Fechter gemeinsam mit Bundestrainer Vilmos Szabo (Dormagen) und ihrem Physiotherapeuten Daniel Hummen (Neuss) im Olympischen Dorf. Wagner: „Wir haben die Tage in Tokio, aber auch die in den vergangenen Jahren gemeinsam erlebte Zeit als eine Art Gesamtkunstwerk noch mal Revue passieren lassen. So ließ sich die Enttäuschung besser verarbeiten. Ein sehr schöner Abend.“

Um um diese unwiederbringlichen und darum so kostbaren letzten Momente als verschworenes Team noch ein bisschen länger genießen zu können und weil an Schlaf ohnehin nicht zu denken war, machten die vier „Gefallenen Helden“ die Nacht einfach zum Tag. Eine Pizza in der 24 Stunden geöffneten Mensa brachte die nötige Grundlage, noch viel später, so gegen 2.30 Uhr, sorgte ein Selfie vor den Olympischen Ringen für das optische Highlight der Spiele. Klar, dass es am Morgen danach etwas später und das Mittagessen zum Frühstück wurde. Die Frage, warum es gegen die Ungarn so schiefgegangen war, beschäftigte Wagner da schon nicht mehr ganz so arg. „Es war wohl eine Mischung aus vielem: Die Nervosität nach der Verletzung von Matyas im Halbfinale, taktische Vorgaben, die wir nicht umsetzen konnten, die Klasse der Ungarn, die viel aggressiver als wir in den Wettkampf gestartet sind.“ Als Fehlschlag mag er das olympische Abenteuer trotz der abermals verpassten Medaille aber nicht verbucht wissen: „Wir haben gut gefightet und alles reingeworfen.“

Aber wenn ihre Maschine am Freitag um 18.45 Uhr am Frankfurter Flughafen landet, das kleine Abschiedsfest am Dienstag im Restaurant Zeitlos im TSV-Sportlertreff und der gemeinsame Kurzurlaub vorbei sind, beginnt für ihn und zwei seiner (Fecht-)Freunde (nur Matyas Szabo will noch bis Paris 2024 weitermachen) ein neuer Lebensabschnitt: Hartung („Das wird ein entscheidender Umbruch in meinem Leben. Es ist das Karriereende: Zack bumm!“) macht als Geschäftsführer der Sportstiftung NRW weiter, Hübers hat sich in Wien für das Masterstudium „Research in Economics and Finance“ eingeschrieben – und Wagner? Der heiratet im Oktober seine langjährige Freundin Julia. So sehen Gewinner aus – auch ohne Olympiamedaille.

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