Römer-Zeit in Neuss Die Unesco-Welterbestätte rückt näher

Neuss · Der Weg zum Unesco-Welterbe führt über Paris. Dort soll es am 9. Januar unter anderem um das römische Erbe am Rhein gehen. Bei der Kulturorganisation der Vereinten Nationen soll der Antrag eingereicht werden, den Niedergermanischen Limes in die Welteerbeliste aufzunehmen.

Diese Karte zeigt den Verlauf des Niedergermanischen Limes. Die alte Römer-Grenze zog sich von Rheinland-Pfalz durch Nordrhein-Westfalen bis an die niederländische Nordseeküste.

Diese Karte zeigt den Verlauf des Niedergermanischen Limes. Die alte Römer-Grenze zog sich von Rheinland-Pfalz durch Nordrhein-Westfalen bis an die niederländische Nordseeküste.

Foto: Karte: Steve Bödecker, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Grafik: Martin Pütz, LVR-LandesMuseum Bonn; Kartengrundlage GLOBE Task Team and others

Es wäre ein für Neuss durchaus wichtiger Schritt. Denn die Stadt will ihre römische Vergangenheit stärker betonen. Ende November 2019 hatten Markus Ulrich und Joachim Schmidt vom Aachener Planungsbüro Archigraphus ihr Konzept dazu bereits im Kulturausschuss vorgestellt. Installationen, ein Torbogen in Originalabmessung und eine Radtour entlang der alten Limesstraße zwischen Uedesheim und Büchel gehören dazu. Die Aufnahme in die Welterbeliste würde manches Vorhaben wohl erleichtern. Und für das Stadtmarketing würde sie Möglichkeiten bieten, das Römer-Erbe mit einer neuen Note auszuspielen. Denn der Status Welterbe bringt in der Regel touristischen Schwung.

Den erhofft sich auch Jürgen Sturm, Geschäftsführer von Neuss Marketing. „Für Neuss wäre die Aufnahme des Niedergermanischen Limes in die Welterbeliste sehr wichtig. Als eine der ältesten Städte Deutschlands sind wir schließlich eng mit dem Römer-Erbe verbunden. Und Rom ist touristisch ein großes Thema“, sagt er. „Das sieht man ja auch in anderen Städten wie Xanten oder Trier.“ Die Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste könnte noch einmal vergrößertes Interesse an Neuss wecken und für einen zusätzlichen Schub sorgen. „Der Welterbe-Status wäre sehr hilfreich, um Neuss als Römerstadt besser zu vermarkten“, betont Sturm.

„Rom in Neuss“ – das ist eine spannende Zeitreise. Wenn heutzutage davon die Rede ist, dass Neuss ein bedeutender Wirtschafts- und Handelsstandort ist und von seiner Lage am Rhein profitiere, dann folgt schließlich häufig der Anschlusssatz: Das war schon bei den alten Römern so. Unter Kaiser Augustus wurden ab etwa 19 vor Christus römische Legionen am Rhein stationiert. Das hatte nicht nur Auswirkungen auf die Siedlungslandschaft und das Leben in der Region. Es entwickelte sich reger Handel an der römischen Außengrenze. Die Grenze – nichts anderes bedeutet das lateinische Wort Limes – sehen Experten in Gänze als „das größte lineare Denkmal in Europa“ an, wie es beim Amt für Bodendenkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland (LVR) heißt. Der Niedergermanische Limes soll daher künftig zum Welterbe „Grenzen des Römischen Reiches“ zählen.

 Diese „Römer“ machten die Geschichte des Imperium Romanum 2018 mit einer Wanderung lebendig.

Diese „Römer“ machten die Geschichte des Imperium Romanum 2018 mit einer Wanderung lebendig.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Steve Bödecker, Limes-Beauftragter des Landes NRW, verweist auf die Bedeutung des Niedergermanischen Limes als Außengrenze des Römischen Imperiums bis etwa 430 nach Christus. Da der Rhein damals die Grenze war, wird auch vom „nassen Limes“ gesprochen. Bis zu 30.000 Soldaten hatten die Römer zeitweise überwiegend am westlichen Ufer stationiert. „Das war ein Schwerpunkt der gesamten römischen Armee“, erklärt Bödecker. Neuss – das antike Novaesium – zählte neben Köln, Bonn, Xanten, Kalkar und Kleve zu den wichtigsten Standorten der Römer.

Der Niedergermanische Limes ist rund 385 Kilometer lang, 220 davon ziehen sich durch das Rheinland. Die alte Römer-Grenze verläuft zwischen Vinxtbach in Rheinland-Pfalz und dem Seebad Katwijk in den Niederlanden. Entlang dieser Strecke gibt es in NRW insgesamt 19 Kommunen mit wichtigen Fundplätzen des römischen Militärs.

Zu den bedeutendsten zählt das Castrum Novaesium in Gnadental. Zahlreiche Fundstücke aus dem Legionslager können im Clemens-Sels-Museum besichtigt werden. Entdeckt wurde das frühere Legionslager Ende des 19. Jahrhunderts durch den Neusser Archäologen Constantin Koenen, der es von 1888 bis 1900 ausgrub. Auch deshalb trägt es im Volksmund den Namen „Koenen-Lager“. Die Ausgrabung war nicht nur für die Geschichtsforschung wegweisend, wie zum Beispiel Peter Stenmans im 1970 in zweiter Auflage erschienenen Buch „Neuss im Wandel der Zeiten“ hervorhebt. „Das Ergebnis der langen Grabungen war ein voller Erfolg: Novaesium bot zum ersten Male ein Bild von einem römischen Legionslager, von denen man bisher nur aus Beschreibungen antiker Militärschriftsteller eine Vorstellung hatte“, schreibt er.

Für die Grenzregion galt zur Römer-Zeit: Wachtürme – wie zum Beispiel Am Reckberg – und Kastelle sicherten den Waren- und Personenverkehr entlang des Rheins und über die Grenzen des Imperiums hinaus. Der „nasse Limes“, der in das Unesco-Welterbe aufgenommen werden soll, gilt als so bedeutend wie weitere römische Grenzen, die bereits geschützt sind. In England handelt es sich um den Hadrianswall und den Antoniuswall, in Deutschland ist es der Obergermanisch-Raetische Limes, der in Rheinbrohl beginnt und sich über eine Strecke von rund 550 Kilometer bis in die Nähe von Regensburg erstreckt.

Vom Antrag bis zur Aufnahme in die Welterbeliste ist es allerdings noch ein Stück. Erwartet wird, dass eine Entscheidung im Juli 2021 fallen könnte. Angesichts der Vorarbeiten befinden sich die Antragsteller damit aber bereits auf der Zielgeraden. Denn die Welterbe-Bemühungen reichen bis 2005 zurück, als eine Potenzialanalyse des Grenzabschnitts begann. Deren Ergebnisse fließen nun in den Aufnahmeantrag ein.

Hier gibt es fünf Fakten zur Römerzeit in Neuss.

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