Fußball Seit 40 Jahren ist er die Stimme des 1. FC Kleve

Kleve · Erich Billion ist mit Leib und Seele Stadionsprecher des Oberligisten. Der 75-Jährige war 1982 beim „Jahrhundertspiel“ gegen den FC Barcelona dabei. 2016 wollte er aufhören, doch seine Expertise wird gebraucht.

 Erich Billion kann einfach nicht aufhören. „Jeder Verein braucht Idealisten“, sagt der 75-jährige Edelfan des 1. FC Kleve.

Erich Billion kann einfach nicht aufhören. „Jeder Verein braucht Idealisten“, sagt der 75-jährige Edelfan des 1. FC Kleve.

Foto: Maarten Oversteegen

Das größte Spiel begleitete Erich Billion bereits zum Start seiner Laufbahn. Im Jahr 1982 begann er offiziell als Stadionsprecher beim Sportclub Kleve, nachdem er zuvor bereits mehrfach eingesprungen war. Im Spätsommer war dann das Star-Ensemble des FC Barcelona im Klever Gustav-Hoffmann-Stadion zu Gast – und Erich Billion voll in seinem Element. Doch der Sprecher musste die 10.000 Fans bereits frühzeitig enttäuschen. Der argentinische Superstar Diego Maradona fiel kurzfristig mit einer Grippe aus, die Zuschauer quittierten die Abwesenheit mit Pfiffen.

„Dieses Jahrhundertspiel vergisst du nie wieder. Das sagen viele Menschen in Kleve. Es war mir aber auch immer eine besondere Ehre, bei Partien gegen inländische und ausländische Erstligisten dabei zu sein“, sagt der 75-Jährige.

Borussia Dortmund, Fortuna Düsseldorf, VfL Bochum, MSV Duisburg, Borussia Mönchengladbach und der FC Schalke 04 – große Namen präsentierten sich in der Kreisstadt. Zudem war die deutsche U-20-Nationalmannschaft gleich zwei Mal zu Gast. Und Erich Billion war immer in vorderster Front dabei, als der Klub ihn brauchte. „Als Stadionsprecher muss man immer ruhig bleiben, deeskalieren und einen guten Überblick behalten können, auch wenn es manchmal unübersichtlich wird“, sagt Erich Billion.

Im Jahr 1962 schloss er sich dem SC Kleve 63 als Jugendspieler an, später war er in verschiedenen Funktionen für den Verein unterwegs. Für die Stelle als Stadionsprecher aber ist er mit seiner prägnanten Stimme und seinem besonnenen Auftreten wie gemacht.

So war dann auch klar, dass Erich Billion Stadionsprecher bleiben würde, als der SC Kleve 63 und der VfB Kleve 03 im Jahr 2000 zum 1. FC Kleve fusionierten. Die Sprecherkabine im Stadion am Bresserberg blieb seine zweite Heimat, ein kleiner Rückzugsort.

 Erich Billion (am Mikrofon sitzend) begann seine Arbeit als Stadionsprecher vor fast 40 Jahren.

Erich Billion (am Mikrofon sitzend) begann seine Arbeit als Stadionsprecher vor fast 40 Jahren.

Foto: KN

„Hier hat man den besten Überblick. Außerdem sitzt man beheizt“, sagt der 75-Jährige. Doch im Sommer 2016 wollte Erich Billion eigentlich kürzertreten. Die Kultfigur, die bei weitaus mehr als 500 Begegnungen mit von der Partie gewesen war, übergab die Rolle an den lokalen Radioreporter Ralf Fischer. Bei einer Landesliga-Partie gegen den Cronenberger SC wurde er offiziell verabschiedet. Doch er ist bis heute dabei, auf Erich Billion kann und will Ralf Fischer nicht verzichten. Der erfahrene Stadionsprecher ist die Vertretung schlechthin. Und nicht selten hören die FC-Fans tatsächlich noch die Stimme des 75-Jährigen.

An Spieltagen gibt es für den Klever reichlich zu tun. Die Spielstände müssen angesagt, die digitale Anzeigetafel bedient, die Stadionmusik eingestellt und die Aufstellungen der Mannschaften mitgeteilt werden. Torschützen nennt Erich Billion, genauso wie falsch geparkte Fahrzeuge, Auswechselungen und die Spielstände auf den anderen Sportplätzen der fünfthöchsten deutschen Spielklasse. Unternehmer wollen den Namen ihrer Firma im Stadion hören, die Losnummern müssen mitgeteilt werden.

Erich Billion muss eine Menge im Blick behalten. Kein Spiel ist wie das andere. „Manchmal ist das gar nicht so leicht. Bei Regenwetter oder Flutlicht am Bresserberg kann die Sicht schonmal sehr schlecht werden. Dann braucht man mal Helfer, um die richtigen Torschützen zu nennen“, sagt der Rentner. Zu Regionalliga-Zeiten musste er auch die Pressekonferenzen mit den Trainern leiten, doch bei Oberliga-Begegnungen ist die Anzahl der Sportjournalisten mittlerweile eher übersichtlich.

Besonders gerne erinnert er sich an eine Partie des 1. FC Kleve gegen den MSV Duisburg Mitte der 2000er-Jahre. Damals gab es ein Handgemenge im Auswärtsblock. Doch Uniformierte brauchten nicht einschreiten, da Erich Billion eine pfiffige Idee hatte. Der Sprecher richtete sich direkt an die Gästefans aus dem Ruhrgebiet: „Bitte beruhigen Sie sich. Sie befinden sich in einem Fußballstadion, nicht auf einer Kampfsportveranstaltung, wo alle gegen alle kämpfen. Bewahren Sie bitte die Contenance.“

Erich Billion frischte damit die Stimmung auf, die MSV-Anhänger beruhigten sich merklich. „Sie mussten erst einmal darüber nachdenken, was Contenance überhaupt bedeutet. Man muss als Stadionsprecher eben immer situativ reagieren, sich immer wieder anpassen und alles dafür tun, das Geschehen positiv zu beeinflussen. Mit Humor geht das häufig am besten“, sagt Erich Billion.

Mit dem Appell an die Duisburger schrieb er Vereinsgeschichte. Bis heute ruft der Stadionsprecher in brenzligen Situationen, etwa beim Lokalderby gegen den Oberligisten 1. FC Bocholt, die Fans zur Haltung auf. Ans Aufhören denkt Erich Billion übrigens noch nicht. Zu sehr hänge er an seinem Hobby – und vor allem an seinem 1. FC Kleve. Bei jedem Heim- und Auswärtsspiel unterstützt der Edelfan das Team. „Jeder Verein braucht Idealisten“, sagt der 75-Jährige.

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