Umut Akpinar „Das Jahr 2021 war unglaublich stark“

Interview | Kleve · Der Coach des Fußball-Oberligisten 1. FC Kleve spricht über die bisherige Leistung seiner Mannschaft, seine eigene Zukunft und Corona-Sorgen.

 Seit der Saison 2017/2018 ist Umut Akpinar Trainer des 1. FC Kleve.

Seit der Saison 2017/2018 ist Umut Akpinar Trainer des 1. FC Kleve.

Foto: Markus van Offern (mvo)

39 Tore, zehn Siege und der starke Tabellenplatz vier – der Fußball-Oberligist 1. FC Kleve steht zur Winterpause blendend da. Trainer Umut Akpinar ist seit dem Sommer 2017 beim 1. FC Kleve im Amt. Der 44-jährige Energieelektroniker aus Emmerich spricht im Interview über seine Vertragsverlängerung, ein etwaiges Karriereende von Abwehrchef Nedzad Dragovic und die Sorgen um seinen Herzensklub Borussia Dortmund.

Herr Akpinar, wie zufrieden sind Sie mit dem sportlichen Jahr 2021?

Umut Akpinar Ich bin zufrieden. Die abgebrochene Saison 2019/20 haben wir auf Platz fünf abgeschlossen. Nun haben wir nach der langen Corona-Pause noch einen draufgesetzt und stehen auf Platz vier. Daher kann ich sagen: Das Jahr 2021 war unglaublich stark.

Sind Sie überrascht, dass der 1. FC Kleve zur Winterpause noch zur Spitzengruppe gehört?

Akpinar Hätte man mir vor der Saison gesagt, dass wir jetzt auf Platz vier stehen würden, hätte ich es nicht unbedingt für wahr gehalten. Immerhin ist die Leistungsdichte in der Liga so hoch wie nie zuvor. Im Vorfeld der Saison haben mit dem 1. FC Bocholt und der SSVg Velbert zwei Klubs gesagt, dass sie um den Aufstieg spielen wollen. Wenn man bedenkt, wie andere Teams sich verstärkt haben, sieht man viele weitere Mannschaften, die das Potenzial haben, oben mitzuspielen.

Welche Niederlage hat Sie richtig geärgert?

Akpinar Das 0:1 gegen den 1. FC Monheim Ende Oktober tat weh. Das war eigentlich eines unserer besten Heimspiele. Doch durch ein Glückstor, bei dem der Wind ordentlich mitgeholfen hat, verlieren wir das Ding. Das war sehr ärgerlich, da hatten wir Punkte verdient.

Die Oberliga teilt sich nach der Hinrunde in eine Aufstiegs- und eine Abstiegsrunde. Aktuell hat der 1. FC Kleve bei noch fünf ausstehenden Partien zwölf Punkte Vorsprung vor der unteren Tabellenhälfte. Ist damit schon alles in trockenen Tüchern?

Akpinar Klar ist, dass wir schon einen riesengroßen Schritt gemacht haben. Wir befinden uns daher in einer guten Ausgangsposition. Aber wir dürfen uns auch nicht blenden lassen. Da kommen noch starke Teams auf uns zu, die ebenfalls in die Aufstiegsrunde kommen möchten. Zudem warten Mannschaften, die sich unbedingt von den Abstiegsrängen absetzen wollen. Daher erwartet uns ein ordentliches Restprogramm.

Es scheint unwahrscheinlich, dass der 1. FC Kleve in der Aufstiegsrunde um den Gang in die Regionalliga mitspielen kann. Geht es dann nicht um die goldene Ananas?

Akpinar Nein, auf keinen Fall. Die Mannschaft und das Trainerteam sind viel zu ehrgeizig, um die Spannung zu verlieren. Es ist völlig egal, ob wir gegen eine Mannschaft aus der Spitzengruppe oder ein Team von unten spielen. Wir beurteilen unseren Gegner nicht nach dem Tabellenplatz – wir wollen immer gewinnen. Diesen Anspruch werden wir auch in einer möglichen Aufstiegsrunde haben. Es bleibt unser Ziel, so lange wie möglich ganz oben mitzuspielen. Sollten wir die Aufstiegsrunde erreichen, werden wir uns wieder neue, realistische Ziele setzen.

Ihr 36-jähriger Abwehrchef Nedzad Dragovic hat vor einigen Monaten im RP-Interview gesagt, dass er nach der Saison seine Karriere beenden will. Wie schmerzhaft wäre der Verlust?

Akpinar Ich habe das auch gelesen. Ich habe danach aber auch nochmal ein Interview mit Nedzad gelesen, das uns doch noch Hoffnung macht. Nedzad ist ein ganz wichtiger Mann für unser Spiel. Er ist ein absoluter Profi, was die Einstellung im Spiel und im Training anbelangt. Außerdem ist er topfit und daher auch problemlos in der Lage, noch einige Jahre dranzuhängen. Das Alter zählt für mich nicht. Nedzad spielt konstant auf einem hohen Niveau und bringt nun einmal Erfahrung mit, die man nicht kaufen kann. Wir werden alles dafür tun, ihn zu halten.

Viele Nachwuchsakteure haben in dieser Saison den Durchbruch geschafft: Frederik Meurs, Calvin Top oder Christian Emmers. Wie stolz sind Sie auf die Jungs?

Akpinar Die Jungs machen mir auf jeden Fall große Freude. Sie trainieren komplett bei der ersten Mannschaft mit, sind wissbegierig und lernwillig. Außerdem bringen sie die nötige Geduld mit und entwickeln sich so weiter. Von Routiniers wie Nedzad Dragovic, Fabio Forster, Niklas Klein-Wiele oder Danny Rankl können sie eine Menge lernen. Wichtige Spielpraxis müssen sie gelegentlich auch bei der zweiten Mannschaft in der Bezirksliga sammeln.

Im Sommer 2020 haben Sie mit dem 1. FC Kleve einen Zweijahres-Vertrag geschlossen. Das Papier läuft bald aus. Wollen Sie verlängern?

Akpinar Grundsätzlich würde ich dem offen gegenüberstehen. Aber das Signal muss von den Vereinsverantwortlichen kommen. Ich habe jedenfalls große Lust, weiter für den Klub zu arbeiten.

Gibt es auch Anfragen von anderen Vereinen?

Akpinar Dagegen kann man sich natürlich kaum wehren. Aber ich beschäftige mich mit solchen Anfragen nicht. Für mich zählt nur der 1. FC Kleve. Alles andere macht aktuell einfach keinen Sinn.

Können Sie sich vorstellen, dass der 1. FC Kleve irgendwann noch einmal in der Regionalliga spielt?

Akpinar So weit denke ich überhaupt nicht. Im Jahr 2018 sind wir in die Oberliga aufgestiegen und haben uns seitdem Jahr für Jahr weiterentwickelt. Daran sollten wir anknüpfen und dann sieht man, wo die Reise endet. Klar ist, dass es andere Teams mit viel größeren finanziellen Spielräumen gibt.

Wie läuft die Kaderplanung?

Akpinar Natürlich habe ich klare Vorstellungen, die ich immer mit Hans Noy abstimme. Wir halten ständig Augen und Ohren offen. Hans Noy hat ein sehr großes Netzwerk, er kennt den Markt ausgezeichnet und ist über vieles auf dem Transfermarkt sehr früh informiert. Wir tätigen nie einen Transfer aus Aktionismus heraus oder weil wir unter Druck stehen. Es muss immer Sinn machen und passen. Gerne nenne ich ein Beispiel. Im Sommer wollten wir neben Danny Rankl unbedingt noch einen weiteren Stürmer verpflichten. Doch die Suche gestaltete sich schwierig. Wir wollten nur jemanden holen, der perfekt zu unserem Verein, dem Team und unserer Spielphilosophie passt. Zwei Tage vor Ende der Transferphase haben wir dann Younes Mouadden verpflichtet. Den Transfer hat Hans Noy dank seiner Beziehungen und seines Netzwerks während seines Urlaubs aus dem Nichts eingefädelt. Er ist voll eingeschlagen.

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Tribüne am Bresserberg ein Rohbau. Vielen ist das ein Dorn im Auge. Wie sehr ärgert Sie das?

Akpinar Es ist sehr schade, dass die Tribüne noch immer in so einem Zustand ist. Wir hoffen sehr, dass sie bald fertig gebaut wird. Eine fertige Tribüne würde aus der Getec-Arena ein richtiges Schmuckstückchen machen. Das hätte in meinen Augen schon ein ganz besonderes Flair.

Sind Sie vom Zuschaueraufkommen in der Getec-Arena enttäuscht? Zuletzt kamen bisweilen nur 200 Fans. Und das, obwohl der Fußball mehr als ansehnlich war.

Akpinar Tatsächlich bin ich der Überzeugung, dass die Jungs mehr Zuschauer verdient hätten. Vor der Corona-Pause waren es mehr. Aber danach gab es irgendwie einen kleinen Einbruch. Dabei haben wir zuletzt schon versucht, vermehrt am Freitag oder Samstag zu spielen. Ich kann aber auch Leute verstehen, die aufgrund der Corona-Situation zuletzt den Besuch gemieden haben. Allerdings machen die Fans, die zu den Heimspielen kommen, Stimmung für 500 Zuschauer. Das ist wirklich unglaublich. Eine bessere Stimmung gibt es in der Oberliga nicht. Das Team kann sich auf die Unterstützung von der Tribüne immer verlassen, auch auswärts.

Wie sehr wird Corona die Fußball-Szene in den kommenden Monaten noch belasten?

Akpinar Ich hoffe nicht allzu sehr. Wir wissen schon lange, dass die Ansteckungsgefahr draußen nicht besonders groß ist. Daher glaube ich, dass der Fußball-Betrieb weiterlaufen kann.

Wie schaut es mit der Impfquote Ihrer Mannschaft aus?

Akpinar Das Betreuerteam und das Team sind zu 100 Prozent durchgeimpft. Es gibt nur einen Spieler, bei dem der Arzt von einer Impfung abgeraten hat.

Nationalspieler Joshua Kimmich war vor einigen Wochen öffentlich in die Kritik geraten, weil er sich nicht impfen lassen wollte und dann selbst an Corona erkrankt ist. Nun hat er sich umentschieden. Wie haben Sie die Debatte um den Bayern-Spieler erlebt?

Akpinar Mir ist klar, dass Joshua Kimmich für viele ein Vorbild ist und mit gutem Beispiel vorangehen sollte. Aber was alles auf ihn eingeprasselt ist – vor allem in dieser Intensität – war unverhältnismäßig. Glücklicherweise hat er seine Meinung revidiert. Vielleicht war er vor seiner Erkrankung auch einfach noch nicht umfassend aufgeklärt oder überzeugt. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass die Öffentlichkeit ihn wie einen normalen Menschen behandelt, der eine eigene Meinung hatte, die man auch respektieren sollte.

Ihr Herzensverein ist Borussia Dortmund. Der BVB blickt auf eine nur mäßig erfolgreiche Hinserie zurück. Wie sehr leiden Sie unter der sportlichen Misere?

Akpinar Das schlägt mir gelegentlich schon mächtig aufs Gemüt. Ich habe mehr von der Mannschaft erwartet. Bayern München ist uneinholbar davongezogen und in der Champions League sind wir ausgeschieden. Mit meinen Söhnen gehe ich regelmäßig ins Stadion. Zuletzt waren wir beim 3:0 gegen Greuther Fürth vor Ort. Da war der Fußball schon sehr zäh, nur das Ergebnis stimmte. Aber solche Spiele kennen wir auch aus der Oberliga. Man denkt, dass es eine einfache Nummer wird, wenn man gegen den Letzten spielt. Doch auch der wehrt sich nach Kräften. Ich hoffe dennoch, dass wir in der Rückrunde überzeugendere und erfolgreichere Spiele sehen werden.

Sie sind täglich auf dem Gelände des 1. FC unterwegs. Nicht nur, dass Sie das erste Team verantworten. Sie trainieren auch die U 12. Wie sehr genießen Sie die Winterpause?

Akpinar Die Ruhe und Pause tut gut und ist auch wichtig. Die Zeit mit meiner Familie genieße ich sehr. Ich werde meine Reserven aufladen, um im neuen Jahr wieder voll anzugreifen.

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