„NRW-Check“ zur Pandemie Mehrheit der Bürger ist für schärfere Corona-Maßnahmen

Düsseldorf · Knapp zwei Drittel der Menschen in NRW sprechen sich für einen Lockdown aus, sollten die Infektionszahlen weiter steigen. Auch eine generelle Impfpflicht findet große Zustimmung, wie der „NRW-Check“ der Tageszeitungen zeigt.

 Hinweisschilder auf 3G in Bussen und Bahnen.

Hinweisschilder auf 3G in Bussen und Bahnen.

Foto: Christoph Soeder/dpa, Grafik/Carla Schnettler/RP

2G-Regeln für den Handel und Freizeitaktivitäten, Schwerpunktkontrollen in Bussen und Bahnen, dazu lange Schlangen vor den Impfstellen – die Corona-Pandemie ist für die Menschen in NRW auch knapp zwei Jahre nach den ersten bekannt gewordenen Fällen im chinesischen Wuhan allgegenwärtig. Hinzu kommen angesichts der sich nun ausbreitenden Omikron-Variante hitzige Diskussionen über einen neuerlichen Lockdown vor oder nach Weihnachten sowie der politische Streit über eine flächendeckende Impfpflicht.

Kein anderes Problem wird von der Bevölkerung als dringlicher wahrgenommen, das belegt eindrücklich der „NRW-Check“, eine vierteilige Umfrage der nordrhein-westfälischen Tageszeitungen vor der Landtagswahl im Frühjahr 2022. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat dafür 2009 Wahlberechtigte in NRW zu verschiedenen Themen befragt.

Zwei Drittel der Befragten nennen die Corona-Pandemie allgemein als das derzeit größte Problem – deutlich vor Bildung und Verkehr (je 14 Prozent) sowie dem Klimawandel (13 Prozent). Die speziell zur Bekämpfung der Pandemie beschlossenen Beschränkungen wie etwa die Maskenpflicht, Weihnachtsmarktschließungen oder Kontaktbeschränkungen werden dagegen nur von sieben Prozent genannt. Sechs Prozent der Befragten führen die Organisation der Corona-Impfungen an, etwa die Vorbereitung und Durchführung der Kampagne sowie die Impfstoff-Knappheit. Die Sorge vor Corona-Leugnern, Impfgegnern und Querdenkern hält sich in Grenzen und wurde von fünf Prozent der Befragten genannt. Genauso häufig werden die Zögerlichkeit bei den getroffenen Corona-Maßnahmen erwähnt.

Das große Problembewusstsein der Bürger führt dazu, dass schärfere Maßnahmen eine hohe Akzeptanz erfahren, ja geradezu eingefordert werden: 63 Prozent der Befragten geben an, die in NRW getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie gingen ihnen nicht weit genug. 18 Prozent halten sie dagegen für angemessen, 15 Prozent schäzen sie als zu weitreichend ein. Wenig überraschend ist die einzige Gruppe, die die Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung in NRW nicht für unzureichend hält: Die der Anhänger der AfD, denen die Maßnahmen mehrheitlich zu weit gehen.

63 Prozent der Bürger in Nordrhein-Westfalen halten einen Lockdown mit Schließung von Geschäften und Freizeiteinrichtungen, Ausgangs-und Kontaktbeschränkungen für alle Bürger und ein Verbot größerer Veranstaltungen für richtig. Dies jedoch nur für den Fall, dass die Infektionszahlen weiter steigen sollten. Am Mittwoch ging die Zahl der Neuinfizierten je 100.000 Einwohner in einer Woche stark zurück: Das Landeszentrum für Gesundheit registrierte 255,4 Fälle – das waren 12,5 weniger als noch am Vortag. Ein Drittel der befragten Wähler lehnt einen Lockdown auch im Falle erneut steigender Infektionszahlen ab. Vergleichsweise am größten sind die Vorbehalte gegen einen generellen Lockdown bei den Bewohnern im Sauer-und Siegerland, den Arbeitern, den Selbstständigen sowie den Anhängern der FDP und vor allem der AfD.

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Foto: Martin Ferl

Diese Haltung zu schärferen Maßnahmen gegen die Pandemie zeigt sich auch an anderer Stelle: Noch bis Jahresende soll der Ethikrat eine Empfehlung zu einer allgemeinen Impfpflicht abgegeben, der Bundestag dann ohne Fraktionszwang über deren Einführung entscheiden. Die NRW-Bürger sind mit großer Mehrheit für eine solche allgemeine Impfpflicht: 73 Prozent der Befragten wollen sie, nur 24 Prozent sind dagegen.

Auffällig ist, dass im Münsterland die Zurückhaltung bei dem Thema größer ist. Dort sprechen sich mit 30 Prozent der Befragten von allen Regionen in NRW deutlich mehr Menschen gegen eine Impfpflicht aus. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Impfkampagne im Münsterland auch ohne einen Zwang gut vorankommt. So hatte erst jüngst das kreisscharfe Impfmonitoring der nordrhein-westfälischen Landesregierung belegt, dass die Kreise Borken, Coesfeld und Steinfurt in der ersten Dezemberwoche deutlich über der landesweiten Impfquote lagen.

Da mit steigendem Alter das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs steigt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die älteren Semester sehr viel klarer für eine Impfpflicht sind: 87 Prozent der Menschen über 60 Jahre halten sie für angemessen, nur zehn Prozent dieser Gruppe lehnen sie ab.

Die bereits auf den Weg gebrachte Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen hat noch deutlich mehr Rückhalt in der Bevölkerung. 78 Prozent begrüßen das Vorhaben, mit dem Patienten und Pflegebedürftige besser vor einer Covid-19-Infektion geschützt werden sollen. Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs müssen künftig nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Ein entsprechendes Gesetz hatten Bundestag und Bundesrat am vergangenen Freitag verabschiedet. Weniger als ein Fünftel der Befragten im „NRW-Check“ (17 Prozent) lehnt die berufsbezogene Impfpflicht ab.

Eine Maßnahme, die in NRW wieder greift, ist die Maskenpflicht im Unterricht. Die Landesregierung hatte diese am 2. Dezember wieder in Kraft gesetzt. Vorausgegangen war massive Kritik aus den Reihen der Opposition, von Schülern, Lehrern und Eltern. Mit der Wiederbelebung der Maskenpflicht entspricht Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) auch dem Mehrheitswillen der Bevölkerung: Zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen halten die Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen für falsch. Nur 26 Prozent bewerten diese Maßnahme im Nachhinein als richtig. Auch in dieser Frage äußern mehrheitlich nur die Anhänger der AfD eine andere Meinung.

Umtreiben muss die Landespolitiker jedweder Couleur, dass ihnen grundsätzlich wenig Problemlösungskompetenz zugetraut wird. Mehr als die Hälfte sieht keine Partei dazu in der Lage, mit den Problemen des Landes fertig zu werden.

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