Kultur in Remscheid Ein wortgewaltiger Mahner

Remscheid · Wilfried Schmickler, der alte Hund des Politkabaretts, ist auch im Rentenalter noch putzmunter und giftet bitterböse gegen Politiker, Rechtspopulisten, Facebook, die Fifa und das ganze restliche Übel in der Welt.

 Wilfried Schmickler präsentierte sich bei seinem Auftritt in der Klosterkirche in Topform.

Wilfried Schmickler präsentierte sich bei seinem Auftritt in der Klosterkirche in Topform.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Gemessen daran, dass die Klosterkirche am Dienstagabend bis auf den letzten Platz ausverkauft war, ist die Stimme von Wilfried Schmickler nicht nur in Sachen Lautstärke eine gewichtige. Mit seinem immer noch aktuellen Programm „Kein zurück“ war einer der wenigen verbliebenen Grandseigneurs des politischen Kabaretts einmal mehr zu Gast in Lennep - und wurde von seinem Publikum trotz der Erkältung, die ihn stimmlich jedoch nur ein wenig einschränkte, gleich beim Herabschreiten auf die Bühne mit herzlichem Applaus begrüßt.

Wie jener alte Bekannte eben, der er ja in der Klosterkirche auch war. „Ich kann Christi Himmelfahrt absagen, ich kann Pfingsten absagen – aber ich kann doch meine Lieblings-Klosterkirche nicht absagen“, sagte Schmickler, ganz der Charmeur, im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand. Mit dem charmanten Verhalten war es aber für den Rest des Abends schnell vorbei. Denn Schmickler war doch eigentlich kein Charmeur. Er giftete in gewohnt spöttisch-böser Manier, und tat das in die verschiedensten Richtungen. Etwa gegen Mark Zuckerbergs Facebook, dieser Datenkrake, in deren Online-Gehege jeder „Furz“ schamlos seinen ganz persönlichen „Scheißhaufen“ für jeden sichtbar mit Klarnamen präsentiere, ohne sich dafür zu schämen. Oder natürlich gegen das politische Geschehen in Berlin und anderswo.

Das ging dann schon mal ein wenig weiter zurück, wenn er etwa über die Anfangszeit des „großen Koalitionstheaters“ urteilte: „Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien. Aber wenn ich mir ansehe, was da seit Beginn der Regierungszeit alles an Unsinn verzapft wurde, dann kann ich mir nur denken, dass da jemand im Hintergrund die Strippen zieht, um das System zu zerstören.“

Dann aber war Schmickler auch wieder ganz aktuell, wenn er etwa zu einem potenziellen Kanzlerwahlkampf zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Andrea Nahles anmerkte: „Das dürfte der lockerste Wahlkampf seit Helmut Kohl gegen Rudolf Scharping sein. Aber das wird wohl nix, denn wer so hässlich verloren hat wie Annegret und Andrea am Europawahl-Sonntag, der hat im Kanzleramt nichts zu suchen.“

Oder wenn er sich darüber wunderte, dass bei der Europawahl die Rechtspopulisten so erfolgreich waren: „Wo doch noch in der Woche davor in Österreich der Video-Beweis eingeführt wurde ...“ Es kam keiner gut weg, hießen sie nun Horst Seehofer, Christian Lindner, Peer Steinbrück oder Angela Merkel – oder seien es korrupte Spitzensportler, die Fifa oder das Privatfernsehen und seine Schundformate wie „Promis auf Hartz IV“.

Aber natürlich auch die sogenannte Alternative für Deutschland. „Immer dann, wenn ich von der AfD höre, geht sofort mein Schmähzentrum an.“ Auch wenn er das gar nicht wolle. Denn damit würde man die Populisten ja nur stärken. „Deswegen gilt – nur ja nicht dem Schmähzentrum Raum geben. Obwohl, einmal noch ...“

Was dann folgte, war der Moment, an dem Schmickler den lautesten Applaus des Abends bekam. Denn in seiner etwa einminütigen „wirklich allerletzten Tirade gegen die AfD“ schimpfte er auf so atemlose wie virtuose und wortgewaltige Weise gegen die rechtspopulistischen Politikdarsteller, dass ein beinahe ebenso langer, von Jubelrufen und Pfeifen begleiteter Applaus die Folge war.

Wilfried Schmickler mochte in diesem Jahr 65 Jahre alt werden, mithin also vor der Rente stehen. Möglicherweise war „Kein zurück“ ja auch sein letztes Programm, wie allenthalben kolportiert wird. Aber der alte Hund des Politkabaretts würde tatsächlich fehlen, sollte er sich wirklich demnächst für den Bühnenabschied entscheiden.

Denn Wilfried Schmickler war ein so wortgewaltiger Mahner, einer dessen Sätze so wichtig wie richtig waren: „Natürlich muss man den Rechten begegnen. Bewaffnet. Mit der Wahrheit. Mit nichts als der Wahrheit.“

Irgendwann sagte Wilfried Schmickler über seinen großen Kollegen Hanns Dieter Hüsch: „Sein Tod im Jahr 2005 hat eine bis heute nicht gefüllte Lücke hinterlassen.“ Das wäre bei Ihnen nicht anders, Herr Schmickler.

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