Wie Aufsteiger TuS Wickrath der Aufschwung gelang Mit der Kreisliga-Mentalität zum Bezirksliga-Spitzenteam

Fussball-Bezirksliga · TuS Wickrath gehört als Aufsteiger zur Spitzengruppe der Bezirksliga. Dabei lief der Start mäßig – bis die Erkenntnis reifte: Die Mannschaft muss spielen wie in der Kreisliga. Seitdem ist Wickrath kaum zu schlagen. Über ein Erfolgsteam, das „das Verlieren lernen musste“ – und dem Verein eine herausragende Perspektive bietet.

  Das Trainerteam von Wickrath vor dem Löwenbanner: Co-Trainer Gianluca Nurra und Chefcoach Dirk Horn.   Foto: Daniel Brickwedde

Das Trainerteam von Wickrath vor dem Löwenbanner: Co-Trainer Gianluca Nurra und Chefcoach Dirk Horn. Foto: Daniel Brickwedde

Foto: Daniel Brickwedde

Das mit dem Löwen, das war Dirk Horns Idee, in der Saison 2017/18 – seiner ersten als Trainer in Wickrath. Es habe mal ein Vereinsheft mit dem Namen „Löwen Echo“ gegeben, sagt Horn, woher der Bezug kam, das wisse allerdings niemand mehr so richtig im Verein. Der Coach fand am Löwen gefallen und etablierte ihn als Markenzeichen, entwarf ein Logo. Inzwischen hängt sogar ein großes Banner mit Löwenkopf am Sportplatz. Manch ein Verein habe das zwar belächelt, identifikationsstiftend ist es trotzdem: die Wickrather Löwen.

Dass die Mannschaft in den ersten Spielen nach dem Aufstieg in die Bezirksliga aber eher wie ein scheues Reh auftrat, hat Horn und seinem Co-Trainer Gianluca Nurra hingegen nicht gefallen. Das Problem war aber auch etwas hausgemacht: Eine kurze Vorbereitung, gepaart mit Ergebnisse, die kein gutes Gefühl gaben – all das ließ auch das Trainerteam grübeln. Also verordnete man dem Team zunächst eine zurückhaltende, eher defensive Ausrichtung. Vorsichtig heranpirschen an die neue Liga.

Das klappte allerdings so gar nicht: Zum Auftakt ein 0:2 in Neuwerk, danach ein 0:5 gegen Brüggen, dazwischen ein 1:3 gegen den 1. FC Mönchengladbach im Pokal. Es folgten zwar ein Sieg gegen Vorst und zwei Remis, spätestens nach dem 0:6 am fünften Spieltag gegen Fortuna Dilkrath musste Horn aber feststellen: Irgendwie passt das nicht. Die Löwen hatten ihren Biss verloren.

Es folgten Gespräche im Trainerteam, mit einzelnen Spielern und der Mannschaft. Und es reifte, um ein letztes Mal im Löwensprech zu bleiben, die Erkenntnis: Die Beute kommt nicht von alleine, man muss sie jagen. „Nach Dilkrath war klar: Wir müssen etwas ändern. Wir haben nicht mutig gespielt und haben uns zu sehr an die Gegner angepasst“, sagt Horn und formuliert die neue Devise: „Scheiß auf den Gegner: Egal wer kommt, wir spielen unser System. Wenn wir hinten vier kassieren, schießen wir vorne eben fünf.“

Wickrath überzeugt vor allem mit seiner Offensive

Wickrath überzeugt vor allem mit seiner Offensive

Foto: Fupa/Janik Zimdahl

Fortan spielte Wickrath wieder das, was sie in der Vorsaison, als Meister der A-Liga, ausgezeichnet hatte: eine deutlich offensivere Ausrichtung, den Gegner früher anlaufen, mehr Risiko. „Die Jungs hatten da auch Bock drauf“, sagt Co-Trainer Gianluca Nurra. Es folgten neun Spiele ohne Niederlagen, darunter sieben Siege – erst am vergangenen Wochenende riss diese Serie gegen Neuwerk (0:3). Ist es manchmal wirklich so einfach? Trainer Dirk Horn macht die sportliche Entwicklung nicht in erster Linie am Spielstil fest, mehr sei es der „Kopf“ gewesen, der dazu beitrug. Auf das alte System war die Mannschaft geeicht, damit war sie vertraut – und vor allem erfolgreich.

In der A-Liga überrannte Wickrath mit dieser Ausrichtung regelmäßig die Gegner, verlor in der gesamten Saison kein Spiel und schoss über 100 Tore. Dieses Selbstverständnis stand mit dem Systemwechsel auf einmal auch in der Bezirksliga wieder auf dem Platz. Die erste Partie gewann man 7:1 gegen Grefrath. Ein „Wendepunkt“, sagt Horn. Never change a winning Spielstil.

Im Nachhinein ist den Niederlagen zu Saisonbeginn womöglich sogar etwas Positives abzugewinnen. Die Mannschaft kannte zuvor nur Erfolge, das letzte verlorene Spiel datierte aus dem Oktober 2020. „Wir hatten teilweise Spieler im Kader, die im Seniorenbereich noch nie verloren haben“, sagt Horn. Die Lektion für das Team aus dem Saisonstart: das Verlieren lernen. Gerade für eine junge und erfolgsverwöhnte Mannschaft wie die in Wickrath. An deren Qualität für die Bezirksliga zweifelte Horn allerdings nie: „Ich wusste immer: Die Jungs können das, die Ergebnisse kommen irgendwann von alleine.“

Ein Großteil der Mannschaft spielte bereits erfolgreich in der A-Jugend zusammen. Und im Verein erkannte man früh, welch herausragender Jahrgang sich da zusammengefunden hatte. Die aktuelle Erfolgsgeschichte begann jedoch in einer Notlage: In der Winterpause 2019/20 steckte Wickrath tief im Tabellenkeller der A-Liga, der Verein setzte sich daraufhin zusammen und entschied, die A-Jugend frühzeitig zur ersten Herrenmannschaft hochzuziehen.

„Ich bin mir sicher, mit der jungen Truppe hätten wir die Klasse gehalten“, sagt Horn, „aber dann hat Corona uns die Arbeit erspart.“ Beim Saisonabbruch stand Wickrath auf einem Abstiegsplatz, die Spielzeit wurde allerdings nicht gewertet – die Rettung für den TuS. Seitdem ist es eine andere Mannschaft. „Dieser Jahrgang ist schon extrem gut“, sagt Horn und klingt wie jemand, den das selbst immer wieder fasziniert.

Der Verein verzichtete daher trotz des Aufstiegs auf große Veränderungen im Kader: dem jungen Kern wurde das höhere Niveau anstandslos zugetraut, unterstützt durch ein paar erfahrende Säulen wie Dennis Richter, Torjäger und „Vater der Kompanie“, wie Horn seinen Kapitän nennt. „Dennis ist oft eine Stunde eher da, hängt Trikots auf, bereitet Trinkflaschen vor. Er ist unheimlich wichtig.“

Mit einer dermaßen erfolgreichen Serie von neun ungeschlagenen Spielen haben weder Horn noch Co-Trainer Nurra gerechnet. So etwas nimmt man selbstredend aber gerne mit. Das angepeilte Ziel, der Klassenerhalt, scheint damit beim Tabellenfünften frühzeitig nur noch Formsache. Was die aktuellen Erfolge für die langfristige Perspektive des Vereins bedeutet – womöglich sogar in Richtung Landesliga? „Ein Aufstieg ist nicht planbar“, sagt Horn, „wenn wir die Mannschaft zusammenhalten, dann sind die Top drei der Bezirksliga aber ein Ziel.“

Zumal er das Potenzial der Mannschaft beileibe noch nicht ausgeschöpft sieht. Für künftige Erfolge muss der Kader nur zusammenbleiben. Womöglich der einzige Haken in dieser Erfolgsgeschichte. „Finanziell sind wir nicht so gut aufgestellt wie andere Bezirksligisten und es gibt immer Vereine, die mit Geld locken“, sagt Horn, „wir versuchen aber, alle zu halten. Mal sehen, was passiert. Ich bin aber guter Dinge.“

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