Interview mit Peter Hyballa „Ich bin ein Mann für Chaos-Klubs“

Kleve · Der Trainer mit Klever Wurzeln spricht über seinen derzeitigen Job beim Zweitligisten NAC Breda, das vorzeitige Ende der Saison im Nachbarland und die Fußball-Kultur in den Niederlanden.

 Peter Hyballa (rechts) in seiner Zeit als Co-Trainer bei Bayer Leverkusen

Peter Hyballa (rechts) in seiner Zeit als Co-Trainer bei Bayer Leverkusen

Foto: Bayer Leverkusen

Peter Hyballa ist ein Wandervogel mit Klever Wurzeln. Für den Fußballlehrer sei die Kreisstadt ein wichtiger Ort, so sagt er. Die katholische Familienbildungsstätte Wasserburg in Rindern wurde für ihn als Kind zu einer zweiten Heimat, später war er dort gar Jugendbetreuer in Seminaren. Dabei lernte er pädagogisches Geschick. Bis heute kehrt der Bocholter immer wieder nach Kleve zurück. So pflege der 44-Jährige einen engen Austausch mit Georg Kreß, dem ehemaligen Sportchef des Fußball-Oberligisten 1. FC Kleve. Auch mit FC-Trainer Umut Akpinar stünde er in regelmäßigem Kontakt. Im Februar übernahm Hyballa beim niederländischen Zweitligisten NAC Breda, zuvor stand er bei DAC Dunajska Streda in der Slowakei an der Seitenlinie.

Herr Hyballa, Sie sind seit einigen Wochen Trainer in Breda, einer der Corona-Hochburgen in den Niederlanden. Ist an Normalität überhaupt zu denken?

Peter Hyballa Nein, wir erleben gerade wirklich eine bizarre, verrückte Zeit. Seit fünf Wochen findet mittlerweile kein Training mehr statt. Als am 13. März die Entscheidung pro Lockdown gefallen ist, hätten wir am Abend eigentlich noch gegen den Tabellenführer Cambuur-Leeuwarden gespielt. Daraus wurde nichts. Seitdem sitze ich im Home-Office und pendele zwischen Breda und Bocholt. Den Spielern schicke ich Hausaufgaben zu. Die bestehen vor allem aus Laufarbeit. Wir hoffen aber, dass wir ab dem 11. Mai zumindest in Kleingruppen wieder trainieren dürfen.

Der Niederländische Fußball-Verband KNVB hat die unterbrochene Saison in der vergangenen Woche für beendet erklärt und entschieden, dass es im Profifußball weder Auf- noch Absteiger gibt. Eine richtige Entscheidung?

Hyballa Ich halte die Entscheidung für überhaupt nicht gut. Vor allem das Procedere war schlecht. Der KNVB hat die Klubs gefragt, welche Lösung sie am besten fänden. Da hat sich eine klare Mehrheit dafür ausgesprochen, die Saison zu beenden, aber den Auf- und Abstieg der aktuellen Tabelle nach durchzuziehen. Wenn man auf so ein Votum dann nicht hört, braucht man sich nicht zu wundern, dass es Kritik gibt. Und wenn man mich fragt, hätte ich den Eredivisie-Spitzenreiter Ajax Amsterdam auch zum Corona-Meister gemacht.

Sie haben für anderthalb Jahre in Breda unterschrieben. Das Ziel ist der Aufstieg?

Hyballa Dafür wurde ich geholt. Und wenn ich den Aufstieg im Sommer 2021 nicht gepackt habe, werde ich gehen. Das Potenzial dazu hat der Klub allemal. In der holländischen Öffentlichkeit wird NAC wie ein Eredivisie-Klub behandelt. Außerdem gibt es kaum einen Verein mit solchen Zuschauerzahlen, zu unseren Spielen kommen fast immer 18.000 Fans.

NAC Breda gilt seit Jahren aber auch als Chaos-Klub mit einem Schleudersitz für Trainer.

Hyballa Das stimmt. Aber ich bin ein Mann für Chaos-Klubs. Hier passe ich rein. Ich habe immer Vereine trainiert, die viele und vor allem harte Fans hatten. Die kann ich gut bespielen. Aus meiner Zeit bei NEC Nimwegen wussten die Verantwortlichen in Breda, dass ich auch vor solchen Fans meinen Mann stehe. Ich bin ein Typ, der sagt, was er denkt. Davon gibt es heute sonst nicht mehr viele. Mein Ziel bleibt weiterhin ein großer Klub. Ein solcher wird trotz meiner direkten und ehrlichen Art irgendwann kommen. Da bin ich mir sicher.

NAC Breda hatte sich als Tabellenfünfter bereits für die Play-offs um den Aufstieg in die Eredivisie qualifiziert. Wie bitter ist es, dass das Ziel nun vom Tisch ist?

Hyballa Das ist natürlich hart für uns. Die Mannschaft hat in der bisherigen Saison immer die Knochen hingehalten, um den Aufstieg zu packen. Das war jetzt umsonst. Wir waren zuletzt gut im Flow und die Play-offs sind wie eine Lotterie. Der Aufstieg wäre also möglich gewesen.

In einem Interview mit der Zeitung Trouw sagten Sie jüngst, der niederländische Fußball sei zu konservativ. Was meinen Sie damit?

Hyballa Der holländische Fußball hat sehr lange am 4-3-3-System festgehalten. Die Fußballkultur stand über allem. Es ist auch gut, wenn man zu seinen Werten steht. Aber das hat eben dazu geführt, dass andere Fußball-Nationen an den Niederlanden vorbeigezogen sind. Deutschland war da innovativer. Wobei man sagen muss, dass der deutsche Fußball häufig zu schnell von Trend zu Trend springt.

Stoßen Sie denn auch auf Widerstände als deutscher Trainer im niederländischen Profifußball?

Hyballa Das kommt sicherlich vor. Niederländische Trainer sind sehr selbstbewusst und glauben, die Weisheit für sich gepachtet zu haben. Das dürfen sie auch. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Niederlande 2016 und 2018 die EM und die WM verpasst haben. Das kommt nicht von ungefähr. Durch diese sportliche Krise wurde das Denken im niederländischen Fußball etwas weitläufiger. So konnte ich Trainer in Breda werden, so wird Roger Schmidt Trainer bei PSV Eindhoven.

Sie stehen unverändert für Vollgas-Pressing-Fußball?

Hyballa Auf jeden Fall. Nur diesen Fußball kann ich authentisch verkaufen. Bei allen Stationen habe ich meinen Spielern gewisse Prinzipien an die Hand gegeben. Am Wichtigsten dabei ist, immer voll drauf zu gehen. Nach dem Gegner schaue ich nicht so gerne. Und dennoch bekommt man als Trainer manchmal ein ohnmächtiges Gefühl. Da gibt man den Spielern einen Spielplan mit an die Hand, coacht auf dem Feld, hält Kabinenansprachen und letztendlich ist man doch von Individuen abhängig, die eben manchmal das Tor aus einem Meter Entfernung nicht treffen oder dämliche Rückpässe in die Füße des Gegners spielen. Da stelle ich mir durchaus die Grundsatzfrage: Ist das hier der richtige Beruf für dich?. Aber die Frage stellt sich allen Trainern mal.

Wie intensiv verfolgen Sie noch den Fußball am Niederrhein?

Hyballa Ich habe noch zu vielen Protagonisten im niederrheinischen Amateurfußball Kontakt. Man darf nie vergessen, wo seine Heimat ist. Als Profitrainer musst du aufpassen, nicht arrogant zu werden. Die Basis bleibt das Wichtigste. Trainer sitzen alle in einem Boot. Ich bin nichts Besseres als ein Trainer im Jugend- oder Amateurfußball. Also komme ich immer wieder gerne an den Niederrhein zurück. Im Pokal wäre der 1. FC Kleve vor wenigen Tagen auf den 1. FC Bocholt getroffen. Den Termin hatte ich mir schon im Kalender eingetragen, da wäre ich auf jeden Fall vorbeigekommen.

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