Kampf gegen islamistischen Terror in Deutschland Bundesweite Razzia gegen Islamisten – auch in NRW

Düsseldorf · Die Terrormiliz IS kämpft nach wie vor unter anderem in Syrien. Dafür wird auch in Deutschland Geld gesammelt. Der Justiz ist nun ein nahezu bundesweiter Schlag gegen die Helferinnen und Helfer gelungen. Durchsuchungen gab es auch in NRW.

 Das undatierte Foto aus dem jahr 2017, das von einer militanten Website über die Nachrichtenagentur AP zur Verfügung gestellt wurde, zeigt einen Fahrzeugkonvoi mit Mitgliedern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), auf dem Weg von Al-Rakka (Syrien) in den Irak.

Das undatierte Foto aus dem jahr 2017, das von einer militanten Website über die Nachrichtenagentur AP zur Verfügung gestellt wurde, zeigt einen Fahrzeugkonvoi mit Mitgliedern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), auf dem Weg von Al-Rakka (Syrien) in den Irak.

Foto: dpa/Uncredited

Mit einer konzertierten Aktion sind Sicherheitsbehörden am frühen Mittwochmorgen mit einem massiven Polizeiaufgebot bundesweit gegen Islamisten vorgegangen Nach Informationen unserer Redaktion fanden seit sechs Uhr morgens in zwölf Bundesländern gleichzeitig Durchsuchungen statt – auch Haftbefehle sollen vollstreckt werden. Spezialeinheiten waren auch im Einsatz.

Den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder sei ein wichtiger Schlag gegen Anhänger des Islamischen Staats gelungen, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Die Anhänger des Islamischen Staats glauben, sie könnten ihr Netzwerk international ausbauen und sich über Landesgrenzen hinweg Unterstützung holen“, so Reul. „Unsere Sicherheitsbehörden sehen aber dieses Treiben und drehen der Terrormiliz die Geldhähne ab“, so Reul. In NRW wurden in 14 Städten 24 Objekte durchsucht und mehrere Haftbefehle vollstreckt — unter anderem in Bonn, Mönchengladbach, Neuss, Düren, Kreis Heinsberg, Köln und Wuppertal. Die Durchsuchungen fanden neben NRW unter anderem noch in Berlin, Bayern, Bremen, Baden-Württemberg und Hamburg statt.

Laut Ermittlungsbehörde stehen die Islamisten unter Verdacht, die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu unterstützen oder unterstützt zu haben. Konkret soll es vor allem um die Finanzierung und Spenden für das Terrornetzwerk gehen. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat die Federführung übernommen, aber auch der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf ermittelt nach Informationen unserer Redaktion. „Durchsuchungen finden auch in einer Reihe von Städten in NRW statt“, hieß es. Demnach liegen in NRW für zahlreiche Objekte und mehrere Personen in Nordrhein-Westfalen in dem Zusammenhang Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle vor. Die Maßnahmen der nordrhein-westfälischen Polizei finden unter anderem in Mönchengladbach, im Raum Aachen, Köln und Wuppertal statt.

Sieben Festnahmen

Die Bundesanwaltschaft hat aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs die deutsche Staatsangehörige Chahira A., den kosovarischen Staatsangehörigen Kujtim B., den deutschen Staatsangehörigen Alperen K., die türkische Staatsangehörige Cagla K., die deutsche und marokkanische Staatsangehörige Siham O., die deutsche Staatsangehörige Anna Y. und den deutschen Staatsangehörigen Harun Y. in Ulm (Baden-Württemberg), im Landkreis Neuwied (Rheinland-Pfalz), im Kreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen), in Bremen sowie im Rheinisch-Bergischen Kreis durch Beamte des Bundeskriminalamts, der Landespolizei Rheinland-Pfalz und des Polizeipräsidiums Köln festnehmen lassen. Zeitgleich haben im Auftrag der Bundesanwaltschaft Durchsuchungsmaßnahmen in 19 Objekten in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie in einem Objekt in den Niederlanden begonnen.

Unter den Verdächtigen befinden sich nach unseren Informationen sogenannte Gefährder und „relevante Personen“. Allein in Nordrhein-Westfalen zählen die Sicherheitsbehörden 188 Gefährder mit religiöser Ideologie (Stand 28. Februar 2023); hinzu kommen weitere sieben mit ausländischer Ideologie. Ungefähr die Hälfte von Ihnen wird als „aktionsfähig“ eingestuft; das bedeutet, dass diese Personen sich weder in Haft befinden noch im Ausland aufhalten und nicht mutmaßlich in Kriegsgebieten getötet wurden. Von diesen Personen geht laut Sicherheitsbehörden grundsätzlich ein höheres Aktionspotential aus. Die Vorstufe von Gefährdern sind sogenannte relevante Personen.

Spenden an IS-Mitglieder in Syrien

Die Beschuldigten gehören einem internationalen Netzwerk an, das die terroristischen Aktivitäten des "Islamischen Staates" (IS) in Syrien durch finanzielle Spenden gefördert hat. Seit 2020 warben zwei gesondert verfolgte Anhängerinnen des IS aus Syrien heraus auf Telegram-Kanälen für Geldzahlungen zugunsten der Vereinigung. In das Netzwerk eingebunden waren Finanzmittler, die Gelder sammelten und Konten oder digitale Spendenkassen zur Verfügung stellten.

Über diese wurden in der Folge die gesammelten Geldbeträge an IS-Mitglieder in Syrien oder an von dort benannte Mittelspersonen transferiert. Die Zahlungen dienten dazu, den IS zu stärken. Die Gelder wurden insbesondere zur Verbesserung der Versorgungslage von in den nordsyrischen Lagern Al-Hol und Roj inhaftierten Angehörigen der Vereinigung genutzt. Teilweise wurde den Inhaftierten mit den Geldern die Flucht oder Schleusung aus den Lagern ermöglicht. Insgesamt wurden in der beschriebenen Weise mindestens 65.000 EUR an den IS in Syrien transferiert.

Die aktuell Beschuldigten waren laut BKA als Finanzmittler in das Netzwerk eingebunden. Durch ihr Sammeln von Spenden und deren Weiterleitung an den IS nahmen sie eine zentrale Rolle innerhalb des Finanzierungsnetzwerkes ein. Im Verlauf des Tages sollen die Beschuldigten dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.

Die Maßnahmen am Mittwoch stehen im Zusammenhang mit einer Vielzahl weiterer an die Generalstaatsanwaltschaften Berlin, Celle, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Koblenz, München, Naumburg, Stuttgart und Thüringen abgegebener Ermittlungsverfahren. Diese Verfahren richten sich gegen Beschuldigte, denen Geldzahlungen an das Finanzierungsnetzwerk zugunsten des IS vorgeworfen wird.

Seit den frühen Morgenstunden des heutigen Tages werden in dem Verfahrenskomplex in einer konzertierten Aktion bundesweit richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen in mehr als 90 weiteren Objekten im Auftrag der jeweils zuständigen Generalstaatsanwaltschaft durchgeführt.

Im aktuellen Bericht des NRW-Verfassungsschutzes heißt es, dass es im Islamismus keine Entwarnung gebe. Die dschihadistische Ideologie sei nach wie vor Nährboden für terroristische Gewalt. „Dadurch besteht weiterhin eine große Gefahr für terroristische Anschläge in Deutschland von islamistisch motivierten Extremisten“, heißt es in dem Bericht. Das habe nicht zuletzt die Festnahme im Fall Castrop-Rauxel im Januar 2023 gezeigt. „Der Islamische Staat (IS) wie auch al-Qaida setzen heute mehr auf Einzeltäter oder Kleinst-Gruppen, die sie zu Angriffen mit ganz einfachen Tatmitteln anstiften wollen“, so die Einschätzung des Verfassungsschutzes.

(csh)
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