NRW-Landtagswahl 2022 Düsseldorfer Parlament ohne AfD und Linke?

Mit den meisten Wählerstimmen können am Sonntag CDU, SPD, Grüne und FDP rechnen. Wie stehen aber die Chancen für die AfD in NRW, die in Schleswig-Holstein vergangene Woche aus dem Landtag flog? Und hat die Linke noch Einfluss auf die Wahl?

 Die AfD in Gelsenkirchen: Vor allem im Ruhrgebiet fanden 2022 Wahlkampfauftritte statt.

Die AfD in Gelsenkirchen: Vor allem im Ruhrgebiet fanden 2022 Wahlkampfauftritte statt.

Foto: dpa/Caroline SeidSeidel-Dißmannel

Als Anfang vom Ende für die AfD betrachteten viele den Ausgang der Wahl in Schleswig-Holstein am vergangenen Sonntag. Mit letztlich nur 4,4 Prozent der Wählerstimmen – 1,5 Prozent weniger im Vergleich zur vorherigen Wahl dort – scheiterte die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde und schied zum ersten Mal wieder aus einem der 16 Landesparlamente aus. Knapp, aber wohl längst nicht ganz so knapp, könnte es für die Rechtsaußenpartei in Nordrhein-Westfalen werden. Doch die Ausgangslage ist anders als im Norden.

Zwar haben die Kernthemen der AfD angesichts des Auslaufens der zwei Jahre andauernden Pandemie und des Krieges in der Ukraine kaum noch so viel Konjunktur wie 2017, kurz nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Trotzdem scheint sich die Partei bei einem Wählerstamm rechts der CDU etabliert zu haben. Von ihrem Ergebnis der NRW-Wahl 2017 (7,4 Prozent) ist die AfD in Umfragen seither nie groß abgewichen – ihre Umfragewerte lagen immer zwischen sechs und acht Prozent, nie darunter.

Hinzu kommt, dass die Partei an Rhein und Ruhr zwar immer wieder um ihre Ausrichtung ringt, aber längst nicht derart zerstritten ist wie der Landesverband in Schleswig-Holstein, der nach wie vor ohne Vorsitz auskommen muss. In NRW dagegen wirkt die AfD zuletzt – zumindest nach außen – einigermaßen geschlossen. Mit ihrem neuen Landeschef, dem jungen, ruhigeren Krefelder Arzt Martin Vincentz sogar gemäßigt. Dass sie sich weiterhin wenig zum rechtsextremen Spektrum abgrenzt, beweist allerdings der Wuppertaler Kandidat Hartmut Beucker, der mit einer ehemaligen NPD-Anhängerin zusammenarbeitet – und der für die AfD am Sonntag ins neue Parlament einziehen dürfte.

Dass die Fünf-Prozent-Hürde dabei kein Problem wird, glaubt auch Politikwissenschaftler Thomas Poguntke: „Die Partei hat einen festen Sockel an Stammwählerschaft, wenn auch etwas erodiert durch das Urteil zum Verfassungsschutz, ihrer Haltung zur Russland und den Irrungen in der Corona-Krise. Da wo die AfD steht, steht sie recht stabil.“ Ganz im Gegensatz zur Linkspartei, die sowohl im Bund als auch in den meisten westlichen Bundesländern beinahe in die politische Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist. Allein als ostdeutsche Regional- und Großstadtpartei spielt sie noch eine Rolle: In Thüringen stellt sie mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten, in Berlin mit SPD und Grünen ein rot-rot-grünes Bündnis sowie in Mecklenburg-Vorpommern mit den Sozialdemokraten eine Zweier-Koalition.

In Nordrhein-Westfalen scheiterten die Linken schon 2017 an der Fünf-Prozent-Hürde und dürften den Einzug ins Parlament auch diesmal verfehlen. In keiner Umfrage seit Ende 2020 erzielte sie in NRW mehr als vier Prozent, zuletzt rutschte sie auf drei Prozent ab. Die Prognosen sind düster: „Wenn man erst einmal so weit unten in der Wählergunst ist, ist es schwer, da so schnell wieder heraus zu kommen“, sagt Politologe Poguntke. Der Absturz der Linkspartei, im Bund aber auch in den westlichen Bundesländern, hänge eng zusammen mit dem Verschwinden ihrer Gallionsfiguren wie Oskar Lafontaine, Gregor Gysi oder der inzwischen umstrittenen Sahra Wagenknecht. „Der Partei fehlen attraktive Führungsfiguren.“

Gleichzeitig hat die SPD traditionell linkere Themen wie soziale Gerechtigkeit zuletzt wieder für sich nutzen können. So hat sie sich etwa in der Großen Koalition stark gemacht für eine Rentenerhöhung und die Anhebung des Mindestlohns. Erfolge, die auch in die Länderparlamente strahlen dürften und für Wählerwanderungen von links sorgen könnten. Die dauernden Querelen innerhalb der Linken und der Rücktritt der Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Welsow mitten im Wahlkampf dürften ihr Übriges tun. Poguntke spricht von einer „Sogwirkung“: Kann eine Stimme offensichtlich nicht viel ausrichten, wählen Bürger lieber taktisch.

Zumindest für die Linken in NRW scheint der Ausgang am Sonntag klar, die AfD kann hoffen. Sollten beide kleineren Parteien den Einzug ins Parlament verpassen, würden erinerseits die Karten der Koalitionsmöglichkeiten neu gemischt. Andererseits wäre der Landtag rein von der Anzahl der Parteien weniger vielfältig: „Ein Parlament aus nur den vier großen Parteien wäre weniger repräsentativ“, sagt Poguntke. „Unabhängig von den Zielen der einzelnen Parteien würden sich einige Gruppen weniger gut vertreten fühlen. Das wäre nicht unbedingt ein Gewinn für die Demokratie.“ Dabei fehlen nicht zwingend AfD oder die Linksparte – auch der Stimmanteil für Kleinstparteien wächst immer mehr. Ein wachsender Teil der Bevölkerung fühlt sich also nicht von den Großen vertreten, was sich in einem Vier-Parteien-Parlament nicht spiegeln würde.

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