EU-Poker Tusk schlägt von der Leyen als Kommissionschefin vor

Brüssel · Am dritten Tag des EU-Gipfels zeichnete sich große Zustimmung für die Nominierung von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Nachfolgerin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ab.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

EU-Ratspräsident Donald Tusk schlug die Deutsche offiziell vor. Er schrieb nach gut 90-minütigen Gipfelberatungen auf Twitter, eine Einigung rücke "näher und näher". Die 60-jährige von der Leyen wäre die erste Frau an der Spitze der mächtigen Brüsseler Kommission. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe von der Leyen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeschlagen, hieß es von EU-Diplomaten in Brüssel.

Unterstützung kam aus Osteuropa. Ein Sprecher von Ungarns Regierungschef Viktor Orban schrieb auf Twitter, die vier osteuropäischen Visegrad-Staaten unterstützten von der Leyens Nominierung. Die Gruppe aus Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei hatte in den vergangenen Tagen erbitterten Widerstand gegen Pläne geleistet, den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans zum Juncker-Nachfolger zu machen. Auch der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte signalisierte laut einem EU-Mitarbeiter Zustimmung zu von der Leyen.

Der Gipfel hatte am Sonntagabend begonnen, die EU-Staats- und Regierungschefs konnten aber in 18-stündigen Beratungen bis Montag keinen Durchbruch erzielen. Das Treffen wurde daraufhin auf Dienstag vertagt.

"Ich glaube, dass jeder verstehen muss, dass er sich ein wenig bewegen muss", sagte Merkel vor der Wiederaufnahme der Beratungen. Sie forderte dabei eine Herangehensweise "mit neuer Kreativität". In der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) hatte es am Montag massiven Widerstand gegen den von Merkel mit ausgearbeiteten Plan gegeben, den Sozialdemokraten Timmermans zum Kommissionschef zu machen.

Der tschechische Regierungschef Andrej Babis bekräftigte, Timmermans sei für die Visegrad-Staaten "ein No Go". Der Niederländer habe als Vize-Kommissionspräsident die Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn und Polen vorangetrieben. Zudem halte er an Aufnahmequoten für Flüchtlinge fest, die die Osteuropäer ablehnen. Auch Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte "neue Gesichter und neue Ideen".

Der ursprünglich für den Vormittag geplante Gipfelbeginn wurde wegen intensiver Vorgespräche um mehr als fünf Stunden auf den Nachmittag verschoben. Tusk schlug dann von der Leyen offiziell als Kommissionschefin vor, wie es aus europäischen Regierungskreisen hieß.

Insgesamt geht es um fünf Spitzenposten. Nach einem neuen Personaltableau könnte dabei der CSU-Politiker Manfred Weber, der als EVP-Spitzenkandidat ursprünglich Juncker-Nachfolger werden wollte, als Parlamentspräsident zum Zuge kommen - allerdings nur für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren und womöglich nach dem Bulgaren Sergej Stanischew, der den Sozialdemokraten angehört.

Der amtierende belgische Regierungschef Charles Michel von den Liberalen ist den Angaben zufolge als neuer EU-Ratspräsident vorgesehen. Der spanische Außenminister Josep Borrell von den regierenden Sozialisten ist als Außenbeauftragter im Gespräch. Erste Frau an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) soll die Französin Christine Lagarde werden. Sie leitet derzeit den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.

Timmermans als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der Europawahl würde als Vizepräsident der EU-Kommission berücksichtigt, ebenso wie die Liberale Margrethe Vestager.

"Ich glaube, wir werden zu einer Einigung kommen", sagte ein EU-Diplomat. Ein anderer sprach von einer "hohen Wahrscheinlichkeit, dass das Paket angenommen wird."

Die Zeit für eine Einigung beim Gipfel drängte: Parallel zu dem Brüsseler Treffen trat in Straßburg das EU-Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, fünf Wochen nach der Europawahl. Am Mittwoch will die Volksvertretung ihren neuen Präsidenten wählen.

Die einzelnen Delegationen haben bis Dienstagabend um 22 Uhr Zeit, Kandidaten zu melden. Weber müsste bis dahin seinen Hut in den Ring werfen. Die Grünen hatten bereits am Vorabend beschlossen, die deutsche Ko-Vorsitzende Ska Keller ins Rennen zu schicken.

(lukra/AFP)
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