EU-Verhandlungskreise Timmermans soll an die EU-Spitze

Exklusiv | Brüssel/Berlin · Der niederländische Sozialdemokrat hat gute Chancen auf den Posten des Kommissionschefs in Brüssel. Dafür könnten zwei Deutsche Parlamentspräsident und Zentralbankchef werden.

 Manfred Weber und Frans Timmermans nach dem TV-Duell. Frans Timmermans soll laut Verhandlungskreisen EU-Kommissionspräsident werden. Manfred Weber würde demnach der Posten des Parlamentspräsidenten angeboten werden.

Manfred Weber und Frans Timmermans nach dem TV-Duell. Frans Timmermans soll laut Verhandlungskreisen EU-Kommissionspräsident werden. Manfred Weber würde demnach der Posten des Parlamentspräsidenten angeboten werden.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Im Ringen um die Besetzung der Spitzenposten in der Europäischen Union zeichnete sich am Sonntag ab, dass der Niederländer Frans Timmermans die besten Chancen auf den mächtigen Job des EU-Kommissionspräsidenten hatte. Wie unsere Redaktion aus Verhandlungskreisen erfuhr, sollte der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der Europawahl die Kommission führen. Sein konservativer Gegenspieler Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, sollte dessen Präsident werden. Weber war Spitzenkandidat der Volkspartei gewesen.

Auf das Paket Timmermans/Weber hatten sich mehrere EU-Politiker, darunter Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, am Rande des Gipfeltreffens der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Japan geeinigt. Der Vorschlag sollte beim Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntagabend in Brüssel als Kompromiss präsentiert werden. Timmermans und Weber hatten sich am Morgen telefonisch zu einer gegenseitigen Unterstützung verabredet. EU-Ratspräsident Donald Tusk bestätigte, dass ein Sozialdemokrat an die Spitze der Kommission rücken soll. Macron zeigte sich offen für Timmermans.

Das Vorschlagsrecht für den Chef der EU-Kommission, der eine Art europäischer Regierungschef ist, hat der Rat der Staats- und Regierungschefs. Dabei muss er aber das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen, bei der sowohl die EVP mit Weber als auch die Sozialdemokraten mit Timmermans Verluste erlitten hatten. Die konservative EVP wurde dennoch stärkste Fraktion im Parlament. Weber hatte deshalb seinen Anspruch auf den Spitzenposten angemeldet. Das Parlament möchte in seiner Mehrheit, dass nur eine Person an die Spitze der Kommission rückt, die oder der auch Spitzenkandidat(in) der jeweiligen Parteienfamilie war. Das Prinzip war 2014 eingeführt worden; es soll die Distanz der Brüsseler Institutionen zu den Bürgern verkleinern. Das Modell trifft aber teilweise auf Ablehnung, etwa bei Macron.

Die liberale Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aus Dänemark war ebenfalls als Kommissionspräsidentin genannt worden, obwohl sie nicht offiziell Spitzenkandidatin gewesen war. Sie war offenbar aus dem Rennen. Die sogenannten Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei hatten sich indes bereits vor dem Gipfel gegen Timmermans ausgesprochen. Die vier Staaten könnten ihn aber nicht blockieren, wenn der Rat der Staats- und Regierungschefs mit qualifizierter Mehrheit zustimmte. Das heißt: 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, mussten Ja sagen.

Am Mittwoch will das Europäische Parlament seinen Präsidenten wählen. Wegen des engen Zeitplans war der EU-Sondergipfel notwendig geworden. Weber hatte es zuvor nicht vermocht, eine Mehrheit bei den Parteien im Parlament hinter sich zu versammeln. Macron hatte sich gegen den Deutschen ausgesprochen und seine mangelnde Regierungserfahrung genannt. Timmermans ist als bisheriger Vize-Kommissionschef erfahren und gilt als durchsetzungsstark. Der mehrsprachige Sozialdemokrat aus der katholisch geprägten niederländischen Grenzregion Limburg hatte zuletzt das Rechtsstaatsverfahren der Kommission gegen Polen und Ungarn angestrengt.

Auch für weitere Spitzenposten in der EU lagen am Sonntag Personalvorschläge auf dem Tisch, auf die sich wesentliche Staaten einigen konnten. Demnach gilt der frühere belgische Premierminister Charles Michel, ein Liberaler, als Favorit für das Amt des Ratspräsidenten, der die Sitzungen der Staats- und Regierungschefs leitet. Die bisherige EU-Kommissarin für Digitales wiederum, die Bulgarin Marija Gabriel, sollte den Posten der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen. Als neuer Präsident der Europäischen Zentralbank wäre in dieser Konstellation Bundesbank-Chef Jens Weidmann möglich. Als Favoritin für einen Posten in der EU-Kommission wurde in Brüsseler Kreisen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gehandelt.

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