Xanten Vision: Demente sollen in Xanten urlauben

Xanten · Etwa 600 Menschen sind in Xanten demenziell erkrankt. Das weiß auch Bürgermeister Thomas Görtz. Er wünscht sich ein Haus in Xanten, in dem Demente und ihre Angehörigen zusammen Urlaub machen.

Ulrich Petrow (l.), der im Kreis Wesel die Hilfen für ältere Menschen koordiniert, moderierte den Nachmittag in der Mensa des Xantener Stiftsgymnasiums. Und er wartete mit Zahlen auf. So leiden 600 Menschen in Xanten an Demenz, jeder von ihnen bindet rein statistisch vier Personen an sich. Im Hintergrund ist das Podium zu sehen, auf dem unter anderem auch die Bürgermeister aus Sonsbeck und Xanten saßen, Heiko Schmitz (v.l.) und Thomas Görtz.

Ulrich Petrow (l.), der im Kreis Wesel die Hilfen für ältere Menschen koordiniert, moderierte den Nachmittag in der Mensa des Xantener Stiftsgymnasiums. Und er wartete mit Zahlen auf. So leiden 600 Menschen in Xanten an Demenz, jeder von ihnen bindet rein statistisch vier Personen an sich. Im Hintergrund ist das Podium zu sehen, auf dem unter anderem auch die Bürgermeister aus Sonsbeck und Xanten saßen, Heiko Schmitz (v.l.) und Thomas Görtz.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Mit einem Musik-Video von Purple Schulz, das nachdenklich macht, wurde in der Mensa am Gymnasium eine Podiumsveranstaltung zum Thema „Leben mit Demenz“ eingeleitet: Zu sehen ist ein gar nicht so alter Mann, der im Bademantel auf der Bettkante sitzt, mühsam aufsteht, sich an den Tisch setzt, den Kaffee in die Zuckerdose kippt, irgendwann in ein Pflegeheim kommt. „Ein Schiff, ein Sturm, ein stummer Passagier. Die Angst, dass ich mich hier verlier’ in all den Fragezeichen“ singt Purple Schulz – der ein oder andere Besucher in den gut gefüllten Stuhlreihen musste schlucken.

So ging es auch den beiden Bürgermeistern aus Xanten und Sonsbeck, Thomas Görtz und Heiko Schmidt. Sie gehörten zu den Teilnehmern auf dem Podium, gaben der Veranstaltung des „Runden Tisch Demenz“ Gewicht, um diese Krankheit aus der Tabuzone zu holen. Das gelang dank fachkundiger Gesprächsteilnehmer. Görtz stellte sogar seine Vision vor. Er wünscht sich ein Haus in Xanten, in dem Demente und ihre Angehörigen zusammen Urlaub machen.

Ulrich Petroff, der im Kreis Wesel die Hilfen für ältere Menschen koordiniert, moderierte den Nachmittag in Xanten. Und er wartete mit Zahlen auf, die ähnlich nachdenklich machten wie das Lied von Purple Schulz: 600 Menschen in Xanten leiden an einer demenziellen Erkrankung, jeder von ihnen bindet rein statistisch vier Personen an sich. 30.000 Menschen leben in Xanten und Sonsbeck – also ist für jeden zehnten die Demenz ein Thema, mittelbar als Erkrankter oder unmittelbar als Angehöriger. 4700 vollstationäre Pflegeplätze gibt es im Kreis Wesel, 75 Prozent davon werden von Menschen mit Demenz belegt. „Die Krankheit ist eine der größten gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen“, sagte Petroff, der „aus purem Egoismus“ die Veranstaltung moderierte: „Auch ich bin bald dran – an dem Punkt, wo ich mich fragen muss: Was tue ich, wenn ich alt bin, nicht mehr alleine zurecht komme.“

Rund 1,5 Millionen Menschen, die die kognitiven Fähigkeiten verloren haben, leben gegenwärtig in Deutschland, jährlich werden zusätzliche 300.000 Neuerkrankungen diagnostiziert. Jenny Thate (Caritasverband Moers-Xanten), Pflegedienstleiter Egbert Timm (er sorgt seit 1991 mit seinem Team dafür, dass Menschen, die Hilfe im Alltag brauchen, trotzdem in ihrem Zuhause bleiben können), Bettina Schilling (Gerontopsychiatrische Beratungsstelle im St.-Josef-Krankenhaus Moers und St.-Nikolaus-Hospital Rheinberg), Dr. Martin Haas (Chefarzt der Geriatrie im Xantener St.-Josef-Hospital), Ulrich Hoffmann (Leiter des Elisabeth-Hauses in Xanten) und Josefine Baumgärtner (Leiterin Alten- und Pflegeheim St. Gerebernus Sonsbeck) saßen mit den beiden Bürgermeistern auf dem Podium.

Und sie stimmten überein, dass die Gesellschaft eigentlich von allem dringend mehr braucht: Pflegekräfte, Tagespflegeangebote, finanzielle Mittel, Kurzzeitpflegeplätze zur Entlastung der pflegenden Angehörigen. Und Menschen (Nachbarn, Freunde), die ein Auge drauf haben, wenn sich ein Mensch in ihrer Umgebung verändert, vielleicht plötzlich nicht mehr im gewohnten Supermarkt einkaufen kommt. Diese Gleichgültigkeit, mit der manchmal auch Ärzte Menschen mit Demenz abkapseln, die mache ihr zu schaffen, erzählte eine Besucherin, die sich daheim um ihren erkrankten Ehemann kümmert.

Margret Hennewig-Schnock vom Demenz-Servicezentrum Niederrhein fasste zusammen: „Wir müssen den dementen Menschen mit Würde behandeln, ihm mit Respekt begegnen.“

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