Zuweisung von Geflüchteten nach Wermelskirchen Unkontrollierte Lage wird befürchtet

Wermelskirchen · Die Stadtspitzen des Rheinisch-Bergischen Kreises wenden sich in einem offenen Brief an NRW-Ministerpräsident Wüst. Sie fordern Unterstützung bei der Aufnahme von Flüchtlingen. In Wermelskirchen ist die Lage derzeit noch entspannt.

Als die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine im Stephanus-Gemeindezentrum in Hilgen-Neuenhaus eintrafen, richtete die Stadtverwaltung dort kurzerhand eine Amtsdienststelle ein.

Als die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine im Stephanus-Gemeindezentrum in Hilgen-Neuenhaus eintrafen, richtete die Stadtverwaltung dort kurzerhand eine Amtsdienststelle ein.

Foto: Stephan Singer

Spätestens seit den Erfahrungen in 2015 weiß Tanja Dehnen: „Die Situation kann sich jederzeit ändern.“ Derzeit sei die Lage bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen in Wermelskirchen vergleichsweise ruhig, denn: „Ein bisschen Kapazität ist noch da.“ Damit meint die Leiterin des Sozialamtes die Unterbringungsmöglichkeiten von Flüchtlingen in städtischen Übergangshäusern und -wohnungen. Aktuell beobachtet Tanja Dehnen auch, was in anderen Kommunen passiert: „Generell wird im Moment die Lage wieder enger.“ Sprich: Die Anzahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, wächst wieder. Wermelskirchen habe im Moment wenige Aufnahmen, weil die Bezirksregierung aufgrund der Quote keine Menschen zuweise. „Aber die Quote, die die Anzahl der Aufnahme von Geflüchteten nach Einwohnerzahl der Kommunen regelt, ist flexibel – sie variiert mit der Anzahl der Zuzüge“, beschreibt Tanja Dehnen auf Anfrage unserer Redaktion. Das heißt: Wenn die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge steigt, müssen die Kommunen auch mehr Menschen aufnehmen.

„Was gedenkt das Land NRW an Unterstützungsmaßnahmen für die Kommunen kurz- und mittelfristig noch zu unternehmen, um der mehr und mehr anwachsenden unkontrollierten Lage wirksam entgegenzutreten?“, schreiben die Bürgermeister des Rheinisch-Bergischen Kreises in einem Offenen Brief, den auch Wermelskirchens Bürgermeisterin Marion Lück unterzeichnete, an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). Den Regierungschef sprechen die acht Kommunalspitzen direkt an: „Bitte nehmen Sie zur Kenntnis und verstehen Sie, dass wir uns bereits seit Längerem in einer krisenhaften Situation befinden, die wir unter den gegebenen und in Aussicht gestellten Rahmenbedingungen nicht mehr bewältigen können.“

Aus Sicht der acht Bürgermeister seien die Kommunen bereits jetzt „flächendeckend an die Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit“ gestoßen. „Wir sind den tausenden privaten Haushalten im Kreisgebiet dankbar für die vorübergehende private Aufnahme von Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine“, betonen die Bürgermeister, stellen aber genauso fest: „Hierbei zeichnet sich jedoch bereits seit einiger Zeit eine deutliche Umkehr in der Entwicklung ab, weil die private Hilfsbereitschaft verständlicherweise mehr und mehr an Grenzen stößt.“ Neben den Zuweisungen über die Bezirksregierung Arnsberg müssten die Städte also auch diese zusätzlichen Unterbringungsbedarfe mit schultern. Nicht zu vergessen seien schließlich die fortgesetzten Zuweisungen in gewöhnlichen Asylverfahren sowie die von afghanischen Ortskräften, die nach Deutschland kommen.

„Dass in dieser Situation die Kommunen Geflüchtete aufnehmen und unterbringen, ist ebenso selbstverständlich wie erforderlich. Dies ist auch erklärtes Selbstverständnis der Städte und Gemeinden im Rheinisch-Bergischen Kreis“, untermauern die zwei Bürgermeisterinnen und die sechs Bürgermeister des Rheinisch-Bergischen Kreises. Sie bemängeln unterdessen die Verfahrensweisen: „Die Anzahl der Zuweisungen sowie auch die immer kürzere Taktung der den Kommunen zugewiesenen Geflüchteten stellt uns jedoch mittlerweile vor kaum mehr lösbare Probleme.“

Wie Tanja Dehnen berichtet, funktioniert vor allem das Nachrücken kaum noch, was der prekäre Wohnungsmarkt verursacht. Denn Flüchtlinge, die einen Aufenthaltsstatus erlangt haben, sollen idealerweise eine eigene Wohnung beziehen und damit Plätze in städtischen Übergangshäusern und -wohnungen frei machen. „Das klappt gerade so gut wie gar nicht“; konstatiert Tanja Dehnen. Als vor dem Krieg Geflüchtete erhalten Menschen aus der Ukraine schnell einen Aufenthaltsstatus. „Viele dieser Menschen sind in Wermelskirchen in privat zur Verfügung gestelltem Wohnraum untergekommen. Das ist natürlich als Übergang zu Minderung der Not gedacht, wird aber teils schon zu einer Dauerlösung.“ Glücklicherweise habe das Sozialzimmer bei der Auswahl der privaten Unterbringungsmöglichkeiten auf „Gästezimmer“ verzichtet und darauf geachtet, dass die Unterbringung einen eigenständigen „Wohnungscharakter“ habe. Tanja Dehnen gesteht offen ein: „Es ist sicherlich so, dass viele der Privatleute, die Wohnraum für die Ukraine-Flüchtlinge zur Verfügung gestellt haben, davon ausgegangen sind, dass es schneller endet.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort