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30. Jahrestag des Brandanschlags in Solingen Familie Genç wünscht sich Haus des Gedenkens

Solingen · Mit einer zentralen Gedenkfeier hat die Stadt Solingen am Montag an die Opfer des Brandanschlages auf das Haus der Familie Genç erinnert, bei dem vor genau 30 Jahren fünf Familienmitglieder ermordet und 14 weitere Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt worden sind.

Fotos: Brandanschlag in Solingen vor 30 Jahren - so war die Gedenkfeier
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So verlief die Brandanschlag-Gedenkfeier 2023 in Solingen

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Foto: Peter Meuter

Unter den 600 geladenen Gästen im Theater und Konzerthaus befanden sich – neben dem stellvertretenden türkischen Außenminister Yasin Ekrem Sarin – zahlreiche Vertreter aus der Bundes- und Landespolitik wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich vor der Veranstaltung ins Goldene Buch der Stadt eingetrug.

Den Höhepunkt der Gedenkfeier, die von starken Polizeikräften geschützt wurde und unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen stattfand, bildete jedoch die Ansprache von Özlem Genç, die am Ende der Veranstaltung im Namen der Familie das Wort ergriff. Dabei erinnerte die Enkelin der 2022 verstorbenen Mevlüde Genç noch einmal an die Opfer, aber auch an den Schmerz der Familie durch die Tat vom Mai 1993. So sei es für sie als Kind lange nicht möglich gewesen, das Geschehene zu verstehen. „Es wurde in der Familie nicht darüber gesprochen. Aber es war immer da. Schweigen ist die Sprache der Schmerzerfüllten“, sagte die 1999 geborene Özlem Genç.

Gleichzeitig habe ihre Großmutter Mevlüde Genç einen „Fels in der Brandung“ dargestellt, schilderte die Enkelin, die die Verdienste ihrer Großmutter direkt nach der Tat unterstrich. Damals hatte Mevlüde Genç noch unter dem Schock des Verlustes von zwei Töchtern, zwei Enkelinnen und einer Nichte, zu Versöhnung aufgerufen. „Sie hat stets betont, dass Hass den Tod bringt“, sagte Özlem Genç, die die Anwesenden, aber auch die Gesellschaft aufrief, dass Vermächtnis der Großmutter über deren Tod hinaus zu bewahren.

„Wir als Familie wünschen uns an der Unteren Wernerstraße – dort, wo schon fünf Bäume an Hülya Genç, Saime Genç, Hatice Genç, Gürsün Ince und Gülistan Öztürk erinnern – ein Haus des Gedenkens“, regte Özlem Genç an. Denn auf diese Weise könne es gelingen, dass die „schweigende Mehrheit“ selbst ihre Sprachlosigkeit verliere und es die Gesellschaft nicht allein bei Forderungen nach einem „Nie wieder“ belasse, so Özlem Genç.

Zuvor hatten schon die anderen Redner die Notwendigkeit betont, aus dem Brandanschlag von Solingen die richtigen Konsequenzen abzuleiten. So erinnerte Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach in seiner Rede seinerseits an den „lebenslangen Schmerz“ der Familie Genç und sprach von einem furchtbaren Schlag sowie einem Angriff auf die Menschlichkeit. Trotzdem, so der OB, habe Mevlüde Genç in den Tagen nach dem Anschlag, aber auch in den Jahren und Jahrzehten danach immer wieder den Weg gezeigt für ein besseres Zusammenleben.

Umso dringlicher sei es heute, das sich alle ihrer Verantwortung bewusst seien. „Es hat uns gelehrt, dass wir nicht wegsehen dürfen, dass wir jedes Anzeichen von Rassismus und Rechtsextremismus ernst nehmen müssen“, sagte der Oberbürgermeister. Seit Pfingstsamstag 1993 komme der Klingenstadt „eine besondere Verantwortung für den Kampf gegen Rassismus und für ein friedliches Miteinander“ zu, erklärte Kurzbach.

Darüber hinaus rief der OB dazu auf, sich jeder Form von Hass und Gewalt entgegenzustellen. Probleme dürften nicht verschwiegen werden. So kündigte Kurzbach an, Antisemitismus werde in Solingen niemals hingenommen. Er forderte Bund und Land einmal mehr auf, die Kommunen bei der Integration nicht allein zu lassen. Denn sonst bestehe die Gefahr, dass die Städte untergingen, die Basis der Demokratie seien.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wiederum unterstrich sowohl die Verantwortung des Staates, als auch jedes einzelnen. Es brauche einen wehrhaften, wachsamen, aufrichtigen Staat. Der Staat, so der Bundespräsident, müsse „besonders diejenigen schützen, die ein höheres Risiko haben, Opfer von Gewalt zu werden“. Doch parallel sei jeder Bürger gefordert, die Stimme zu erheben, wenn es zu Diskriminierung oder Übergriffen komme.

Das betonte auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Bei dem Brandanschlag 1993 habe sich „Fremdenhass in seiner niederträchtigsten Form“ gezeigt. Das Schicksal der Ermordeten und Verletzten sowie der Schmerz der Angehörigen dürften niemals vergessen werden, sagte Hendrik Wüst.

An die Gefühle vieler nach der Tat erinnerte die in Solingen geborene Autorin Özlem Özgül Dündar, die aus einigen ihrer Werke las, bevor NRW-Integrationsministerin Josefine Paul und der Vorsitzende des Landesintegrationsrates, Tayfun Keltek, über die Bedeutung des Brandanschlages diskutierten. Dabei hob Keltek doppelter Staatsbürgerschaften hervor, die aus seiner Sicht wichtig sind.

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