Nach 17 Jahren wieder Weltmeister Das deutsche Hockey-Märchen 2.0

Neuss · Vor 17 Jahren holte der Neusser Sebastian Draguhn im Mönchengladbacher Hockey-Park mit Deutschland den bis Sonntag letzten Weltmeistertitel. Zwischen den Mannschaften von 2006 und 2023 gibt es Parallelen.

 2006 im Mönchengladbacher HockeyPark: Der Neusser Sebastian Draguhn küsst den WM-Pokal nach dem Finalsieg gegen Australien.

2006 im Mönchengladbacher HockeyPark: Der Neusser Sebastian Draguhn küsst den WM-Pokal nach dem Finalsieg gegen Australien.

Foto: Quednau

Die Schlagzeile in den Medien nach dem im Penalty-Shootout-Krimi gegen Belgien eingebrachten WM-Gold der deutschen Hockey-Herren im indischen Bhubaneswar war immer gleich: „Deutschland holt ersten Weltmeistertitel seit 17 Jahren!“ 2006 war das, als die zum letzten Mal von Bernhard Peters trainierte DHB-Auswahl mit einem 4:3-Erfolg im Finale über Australien den Triumph von 2002 in Kuala Lumpur wiederholte. An diesen gemeinsam mit 14.000 Zuschauern im ausverkauften Mönchengladbacher HockeyPark verbrachten 17. September erinnert sich Sebastian Draguhn immer noch gut. „Ist ja auch noch nicht so lange her“, sagt der seit Kurzem 39-Jährige und fügt schmunzelnd hinzu: „Fragt sich, wie das bei mir in 20 Jahren ist ...“

Der ehemalige Top-Stürmer des HTC SW Neuss, in dessen Trikot er seine großartige Karriere Anfang 2021 (offiziell) beendet hatte, war bei der Heim-WM 2006 einer der jüngsten Akteure im Team des Titelverteidigers. Und total geflasht: „Die tolle Atmosphäre, die vielen Zuschauer – das war schon sehr speziell.“ Ein Treffer blieb ihm bei der Endrunde zwar verwehrt, doch hinter dem Weltklasse-Sturmtrio Christopher Zeller, Matthias Witthaus und Carlos Nevado fiel für ihn massig Spielzeit ab.

2023 in Indien: Die deutschen Torhüter Jean-Paul Danneberg (l.) und Alexander Stadler mit dem stattlichen WM-Pokal.

2023 in Indien: Die deutschen Torhüter Jean-Paul Danneberg (l.) und Alexander Stadler mit dem stattlichen WM-Pokal.

Foto: dpa/Frank Uijlenbroek

Hätte es den Begriff damals schon gegeben, wäre die Truppe ganz sicher auch als Mentalitätsmonster in die Geschichte eingegangen. Denn wie ihre Nachfolger 2023, die in der K.o-Runde dreimal in Folge einen 0:2-Rückstand wettmachten und sich dabei sowohl im Viertelfinale (gegen England) als auch im Finale erst im Nerven-Duell Torhüter gegen Feldspieler durchsetzten, hatten sich die Helden von 2006 als wahre Stehaufmännchen erwiesen. So musste im Halbfinale gegen Spanien (5:3) das Siebenmeterschießen entscheiden und im Endspiel lag Australien schon mit 3:1 vorne. „Diese klassischen deutschen Tugenden“ verkörpern für Draguhn auch die Goldjungs von Indien. „Für sie gilt wieder der einst vom niederländischen Weltklassespieler Teun de Nooijer geprägte Spruch: ,Die Deutschen sind erst geschlagen, wenn sie im Bus sitzen’.“

Das Turnier in Mönchengladbach, zu dem auch die zweijährige Vorbereitungszeit mit ihren Geschichten und den vielen kostbaren Erinnerungen gehört, ist dem zweifachen Familienvater stets präsent. Das Gewicht des WM-Pokals, dem er bei der Siegerehrung einen dicken Kuss verpasst hatte, spürt er bis heute. „Der ist megaschwer. Und der daran befestigte Hockeyschläger ist schon 1000 Mal auf jede nur erdenkliche Weise abgefallen.“

So etwas spricht sich halt rum. Die Hockey-Familie mag klein sein, ist aber – nicht zuletzt über diverse Social-Media-Kanäle – erstklassig miteinander vernetzt. Im Sommer kam Draguhn beim Abschiedsspiel seines alten Weggefährten Jan-Marco Montag in Köln mit den aktuellen Nationalspielern Moritz Trompertz und Mats Grambusch, Kapitän der Weltmeistermannschaft 2023, ins Gespräch. Schon damals ahnte er, dass bei der WM was gehen könnte. „Klar, um den Titel zu holen, muss alles passen. Dass es so gut laufen würde, konntest du nicht erwarten. Es gehört neben einem sehr guten Teamspirit auch Glück dazu. Aber ich finde, die Jungs haben sich das absolut verdient.“

Selbstverständlich hielt er sich während des aufregenden Turniers immer auf dem Laufenden, fand es aber „schade, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen sehr zurückgehalten hat. Da hätte ich mir ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl gewünscht. So viele deutsche Mannschaftssportarten auf Weltniveau gibt es ja jetzt auch nicht.“ Trotzdem steht für ihn fest: „Diese WM war so spannend und so mitreißend, das hat auch Leute gepackt, die sich vielleicht gar nicht so sehr für Hockey interessieren.“

Wie die Mannen von Bundestrainer André Henning ihren Coup mit Ansage noch vor Ort gefeiert haben, kann er sich lebhaft vorstellen. „Bei uns war das vor 17 Jahren schon sehr intensiv“, verrät er lachend, ohne Details preiszugeben. Nur so viel: „Es ging hinterher hockeytypisch zur Sache.“ In etwa so wie bei den Handballern, fügt er immerhin noch an. „Die sind auch so ...“

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