Unsere Besten Horst „Pille“ Gecks – der Dribbel-König

Serie | Kevelaer · Nach 13 Jahren im Profi-Fußball in Duisburg, Essen und Offenbach wurde der 79-Jährige in Kevelaer heimisch. Er erzählt, wie er zu seinem Spitznamen kam und wie er den Bundesliga-Skandal 1971 erlebt hat.

 Nach seiner aktiven Karriere als Spieler schlug Pille Gecks die Trainer-Laufbahn ein – hier beim Kevelaerer SV.

Nach seiner aktiven Karriere als Spieler schlug Pille Gecks die Trainer-Laufbahn ein – hier beim Kevelaerer SV.

Foto: Wensierski, Siegfried (siwe)

Den Zuschauern hat er nicht immer gefallen. Wenn Horst Gecks den ersten, den zweiten und den dritten Abwehrspieler ausgetrickst hatte und am vierten hängenblieb, dann murrte das Fußballvolk schon mal. „Die haben das nur nicht verstanden“, sagt der inzwischen 79-Jährige. „Wenn ich drei Mann frisch mache, schaffe ich Raum für meine Mitspieler.“

Er beherrschte, was heute so dringend gesucht wird: das Spiel Eins gegen Eins. Damit wurde er ein wichtiger Spieler der Bundesliga, immerhin 192 Partien absolvierte er für den Meidericher Spielverein (heute MSV Duisburg), die Offenbacher Kickers und Rot-Weiss Essen (ja, die waren alle mal Erstligisten) im Oberhaus. Im Dribbling ließ er auch später ab 1978 als sehr erfolgreicher Spielertrainer beim Kevelaerer SV viele Jüngere locker stehen – sogar noch im hohen Alter. „Bis 50 habe ich Bezirks- und Landesliga gespielt“, sagt der Mann, den die Fußballwelt nur als „Pille“ kennt. Den Spitznamen verdankt der Wahl-Kevelaerer seinem ehemaligen Trainer Willi Multhaup. Im Interview mit dem „Reviersport“ zum 75. Geburtstag verriet Gecks: „Es war eine Gymnastik-Einheit. Da sagte Multhaup: Der sieht aus wie ein Pillekamp.“ Pille blieb hängen, und was ein Pillekamp ist, hat er nicht erklärt.

„Pilles“ Karriere begann in Meiderich, beim Spielverein, der mit einer Mannschaft aus größtenteils einheimischen Jungs im Startjahr der Bundesliga 1963 dabei war. Und wie. Die kleinen Meidericher wurden im ersten Bundesliga-Jahr Vizemeister. Das Spielsystem beruhte im Wesentlichen auf guter Abwehrarbeit und klugen Kontern. Es war also sehr modern, heute würden die Experten sagen: „Die Duisburger spielen gut gegen den Ball und sind stark im Umschaltspiel.“

Derartige Weisheiten wurden in den frühen 1960er-Jahren nicht verbreitet. Trainer Gutendorf hängten die Fachleute wegen der Meidericher Spielweise den Titel „Riegel-Rudi“ an. Das wurde weder dem klugen Spiel der Duisburger noch den wesentlichen Verdiensten daran gerecht. Jedenfalls, wenn man „Pille“ Gecks glaubt. „Den Mann habe ich gar nicht wahrgenommen“, sagt er mehr als ein halbes Jahrhundert später. „Er hat sehr von unseren Erfolgen profitiert. Er hat sein Ding mit der Presse gemacht. Auf dem Niveau war er immer optimal.“ Öffentlichkeitsarbeit betrieb Gutendorf in einer Zeit, die nicht einmal das Wort kannte.

 Bundesliga-Fußball am  9. Dezember 1967: Der MSV Duisburg spielte beim FC Bayern München – und gewann mit 4:0. „Pille“ Gecks (r.) erzielte bei diesem historischen Sieg zwei Tore. Die Bayern-Profis Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Werner Olk (v. l.) konnten ihn nicht stoppen.

Bundesliga-Fußball am  9. Dezember 1967: Der MSV Duisburg spielte beim FC Bayern München – und gewann mit 4:0. „Pille“ Gecks (r.) erzielte bei diesem historischen Sieg zwei Tore. Die Bayern-Profis Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Werner Olk (v. l.) konnten ihn nicht stoppen.

Foto: Archiv

Gecks und die Kollegen hielten nichts davon, sie spielten Fußball – nicht immer mit dem allerletzten Ehrgeiz, aber ziemlich erfolgreich. Im DFB-Pokalfinale 1966 scheiterten sie am kommenden Branchenführer Bayern München mit 2:4. Und wer weiß, was aus Gecks geworden wäre, wenn er das prompt hereinflatternde Angebot der Münchner angenommen hätte. Er lehnte ab, weil er seiner Frau die Einsamkeit in der Großstadt ersparen wollte.

Zum Pokalsieger wurde Gecks dennoch. Weil es ihn ärgerte, dass er in Duisburg für Punktverluste verantwortlich gemacht wurde (das Ding mit den drei Mann, die man frisch macht, ehe der vierte einen aufhält), ging er freiwillig eine Liga abwärts zu den Offenbacher Kickers. Mit ihnen gelang ihm auf Anhieb der Aufstieg und (wichtiger) der 2:1-Sieg im Pokalfinale gegen den favorisierten 1. FC Köln. Gecks erzielte nach einem 60-Metersprint, bei dem er Gegenspieler Werner Biskup abhängte, das vorentscheidende 2:0. Noch heute kann er sich an jede Szene aus dem Spiel erinnern. Das versichert er jedenfalls.

Natürlich erinnert er sich auch an den Bundesliga-Skandal, schließlich begann der 1971 mit den medienwirksamen Enthüllungen des Offenbacher Präsidenten Horst-Gregorio Canellas. Offenbach war sportlich abgestiegen, aber vom allgegenwärtigen Gemauschel im Profifußball wussten die Spieler selbstverständlich. Gecks weiß noch, wie die Offenbacher vor einem Spiel gegen Bielefeld auf einer Autobahnraststätte einen Koffer voll Geld geboten bekamen. Er selbst hätte 10.000 Mark zusätzlich verdienen können. „Aber ich konnte das nicht, ich hatte einen zu starken Charakter, wir gewannen 5:0.“

Weitere Angebote gab es dennoch. Auch das plaudert er dem „Reviersport“ aus: „Vor einem Spiel in Braunschweig hieß es: Ihr braucht nur in den 16er zu kommen, dann werdet ihr umgesenst, und es gibt Elfmeter. Wir kamen gar nicht in den 16er, die haben uns schon an der Mittellinie ohne Ende in die Stäbe getreten. Da hatte wohl einer mehr gezahlt.“

Der Skandal war längst bei Gericht aufgearbeitet, da stieg Gecks wieder mal in die Bundesliga auf, diesmal mit Rot-Weiss Essen und zusammen mit Willi „Ente“ Lippens und Günter „Nobby“ Fürhoff. Nach dem ersten Essener Jahr war für Gecks 1974 Schluss in der Bundesliga. Für Schwarz-Essen hängte er noch ein Jahr in der Zweiten Liga dran.

Dann wurde er ein großer Mann im Amateursport. In Kevelaer übernahm er ein Sportgeschäft, das bald zum Treffpunkt der Fußballer im ganzen Nord- und Südkreis wurde. Auf dem Rasen führte er den KSV in die Landesliga. Und er blieb dem Verein auch in den Alten Herren treu. Selbst wenn Fußball für ihn sogar in den Höhen der Erstklassigkeit auch Spaß war, verließ ihn der Ehrgeiz auf dem Platz nie. Wer zu spät abspielte (eigentlich fast jeder) und wer seinen hohen technischen Ansprüchen nicht genügte, der musste sich mit großer Sicherheit einen kleinen Vortrag anhören. Das war in der Bundesliga so, das war in der Bezirks- und Landesliga so, und das war beim KSV bei den Alten Herren so. Nach dem Spiel war das natürlich vergessen. Da wurde dann erzählt – so manche Anekdote aus 13 Jahren Profifußball. Zugehört haben sie „Pille“ Gecks immer gern, nicht nur die Mannschafts-Kameraden. Das hat sich nicht geändert.

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