Debattenwettbewerb #mitreden Miteinander und gegeneinander – Schule aus Mönchengladbach siegt im Landtag

Düsseldorf · Klimaschutz, Konsum und Nachhaltigkeit – beim Finale des Debattenwettbewerbs #mitreden zeigten Schüler eine lebendige Streitkultur. Trotz kurzer Vorbereitungszeit und Überraschungsthema gab es einen klaren Sieger.

v.l. Die Teilnehmer: Sarah Franßen, Isabelle Harms, Nomi Kurth, Simon Kellermann, Sinan Schuler, Marie S. Neumann, Sven Bruns, Adele Schnock. Foto: Anne Orthen

v.l. Die Teilnehmer: Sarah Franßen, Isabelle Harms, Nomi Kurth, Simon Kellermann, Sinan Schuler, Marie S. Neumann, Sven Bruns, Adele Schnock. Foto: Anne Orthen

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Bei der Frage danach, wie jeder einzelne dazu beitragen kann, den Klimawandel aufzuhalten oder mindestens zu verlangsamen, wird es schnell persönlich. Reicht es, auf regionalen Fleischkonsum zu setzen statt auf Massentierhaltung, oder muss man es ganz lassen? Braucht es eine CO2-Ampel für alle Lebensmittel und wenn ja, wer kontrolliert und wen interessiert das? Geht es in Sachen Klimaschutz allein mit Aufklärung und ohne Verbote? Oder stehen Eigeninteressen und Egoismus dem Verzicht im Weg?

Es sind Argumente wie diese, die am Montag im voll besetzten Plenarsaal der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag teils hitzig ausgetauscht wurden – in dem Fall aber nicht von Politikerinnen und Politikern. Vier Diskussionspaare im Alter von 16 bis 21 Jahren waren es, denen die Bühne „im Herzen der Demokratie des Landes NRW“ buchstäblich gehörten, wie Landtagspräsident André Kuper die mitgereisten vier Schulklassen zu Beginn begrüßte. „Auf den Plätzen der Abgeordneten, in den Werkstätten des Parlaments“, wo miteinander gestritten, nach guten Kompromissen gesucht werde. „Sie sind heute Botschafter der Demokratie – egal ob Sie gewonnen haben am Ende“, so der Landtagspräsident.

Zu gewinnen galt es das Finale des Debattenwettbewerbs #mitreden, ein Projekt der Rheinischen Post in Kooperation mit dem Chemiekonzern Evonik. Von insgesamt zwölf Schulen und mehreren Vorrunden innerhalb der vergangenen Monate hatten sich vier durchsetzen können: Die Gesamtschule Mönchengladbach-Hardt, das Gymnasium am Moltkeplatz in Krefeld, die Gesamtschule Mittelkreis Goch und das Otto-Hahn-Gymnasium Monheim. Teilnehmen konnten alle Schulen im RP-Verbreitungsgebiet vom Rheinland bis ins Bergische Land.

Als „alter, weißer Cis-Mann“ richtete zunächst Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann ein Grußwort an die jungen Menschen – „und das war schon der erste rhetorische Trick: Alter, weißer Cis-Mann, das Publikum lächelt, und das ist gut, es hört zu“, so Kullmann, der eine Tochter habe, die Politik, Wirtschaft und Philosophie studiere „und jetzt schon alles besser weiß.“ Aber genau darum ginge es in diesem Land, das so liberal und demokratisch sei wie nie zuvor: „Nur weil jemand eine andere Meinung hat, ihn durch Shitstorm nieder zu machen, das ist asozial – im schlimmsten Sinne dieses Wortes“, so Kullmann. Gerade deshalb sei es so wichtig, eine gepflegte, kritische Debattenkultur zu entwickeln: Ausreden lassen, auf Argumente eingehen, Austausch suchen.

So taten es die vier von ihren Klassen bestimmten Paare, die zunächst im Halbfinale zum Thema „Konsumverzicht fürs Klima“ debattieren sollten – wobei die Pro- und Contra-Haltung jeweils zugelost wurde. Alle vier Schulen hatten sich dementsprechend für beide Seiten vorbereiten müssen. In der Sache hart, im Ton höflich ging es in beiden Halbfinals um Verzicht versus Luxus, um Allgemeinwohl versus Eigennutz, um soziale Pflichten und staatliche Anordnungen. „Verzicht ist die schnellste und effektivste Lösung, das Klima zu schützen und jeder muss sich daran beteiligen“, hieß es etwa von der einen Seite. „Was bringen Fleischersatz und Ökolabels, wenn einige damit ihre Flugreisen legitimieren?“, von der anderen. Der Mensch sei gierig, die Welt überbevölkert. Konsumverzicht von allen unmöglich, „so schön die Idee ist“.

Auch im Finale trotz Überraschungsthema und nur einer Stunde Vorbereitungszeit ging es argumentativ hoch her. „Nachhaltigkeit sollte im Sinne künftiger Generationen im Grundgesetz verankert werden“ war die These, der sich die Finalteilnehmer 20 Minuten lang widmen sollten. Qualifiziert hatten sich die Diskussionsduos Marie Neumann und Sinan Schuler (Gesamtschule Mönchengladbach-Hardt) sowie Nomi Kurth und Simon Kellermann (Otto-Hahn-Gymnasium Monheim). Nachhaltigkeit sei in seiner Relevanz nicht vergleichbar mit anderen im Grundgesetz verankerten Themen und zudem viel zu abstrakt, argumentierte die Contra-Seite des Otto-Hahn-Gymnasiums. „Eine solche Entscheidung würde nicht dem Willen der Allgemeinheit entsprechen und könnte daher auch zu Konflikten führen“, sagte Nomi Kurth. Außerdem führe eine solche gesetzliche Verpflichtung zur Abwanderung von Unternehmen, die dann im Ausland produzieren und gleich gar keine Mindeststandards in Sachen Umweltschutz und Arbeitsrecht mehr einhalten würden.

„Nachhaltigkeit ist das politische, ökologische und ökonomische Gebot der Stunde“, hielt Marie Neumann von der Gesamtschule Hardt dagegen. Gütesiegel seien bislang zu oft ohne klare Vorgaben, Nachhaltigkeit aber im absoluten Gemeinschaftsinteresse, „wichtigstes Zukunftsziel, das auch alle Nachkommen betrifft“. Viele andere Länder, etwa in Skandinavien oder Albanien, hätten die Nachhaltigkeit in ihren Verfassungen bereits verankert, auch das Bundesland Hessen zum Beispiel. „Warum dann nicht bundeseinheitlich? Politik muss den Pfad vorgeben, auf dem wir wandeln“, ergänzt Sinan Schuler. Deutschland habe Vorbildfunktion für die gesamte Welt, die Entscheidung würde außerdem das Vertrauen in die Gesetzgebung stärken, so die Pro-Argumente – der letztlich auch die fünfköpfige Jury folgte.

Die Sieger bei der Preisübergabe mit André Kuper v.l. Die Sieger Sinan Schuler und Marie S. Neumann aus Mönchengladbach-Hardt.

Die Sieger bei der Preisübergabe mit André Kuper v.l. Die Sieger Sinan Schuler und Marie S. Neumann aus Mönchengladbach-Hardt.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)
 v.l. Nomi Kurth, Simon Kellermann (Monheim) Foto: Anne Orthen

v.l. Nomi Kurth, Simon Kellermann (Monheim) Foto: Anne Orthen

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Marie Neumann (21) und Sinan Schuler (18) hätten breiter und variantenreicher argumentiert und sich in Schlagfertigkeit und Reaktionsfähigkeit als überlegen gezeigt. „Das Siegerduo hatte auf jedes Argument der Gegenseite eine Antwort“, so die Begründung der Jury, der auch RP-Chefredakteur Moritz Döbler angehörte. Im Sinne der demokratischen Meinungsfreiheit seien alle Sieger im Wettbewerb, fand Döbler und betonte: „Jeder kann in Deutschland alles sagen, im strafrechtlichen Rahmen. Zum Wesen der Demokratie gehört aber auch der Respekt vor Mehrheitsentscheidungen.“ Das sei in Teilen der Welt, vor allem mit Blick auf Russland und die Ukraine auch in Europa nicht überall gegeben. Dort sei die Demokratie ernsthaft in Gefahr – aber auch in Deutschland sei mit der AfD eine Partei in Parlamenten vertreten, die demokratische Werte mit Füßen trete. „Die Demokratie lebt nicht von Zuschauerinnen und Zuschauern“, so Döbler, der die rund 120 Schülerinnen und Schüler im Saal ermunterte, auch Fehler zu riskieren. Gestalten kann man nur, indem man Verantwortung übernimmt. „Sie sind dran!“

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