Lars Bender im Interview „Ein Titel mit Bayer 04 ist mein großes Ziel“

Zell am See · Lars Bender ist Kapitän bei Bayer 04. Mit der Werkself hat der 29-Jährige noch große Ziele. Wir haben uns mit ihm auch über das Nationalteam unterhalten.

Lars Bender im Trainingslager der Werkself.

Lars Bender im Trainingslager der Werkself.

Foto: Imago/Deutzmann

In der Bundesliga gibt es nur vier Profis, die länger bei ein und demselben Verein unter Vertrag stehen als Leverkusens Lars Bender. Seit 2009 schnürt der 29-Jährige die Fußballschuhe für die Werkself und ist seit drei Jahren Spielführer. Im Trainingslager in Österreich spricht er über sein mittelfristig nahendes Karriereende, die Nationalmannschaft, und warum er unbedingt noch einmal in der Champions League spielen will.

Herr Bender, nach dem Karriereende von Stefan Kießling sind Sie nun dienstältester Profi der Werkself – ein komisches Gefühl?

Bender Es macht mir zumindest bewusst, dass ich älter geworden bin. Viele meiner Mitspieler haben im Laufe der Jahre die Laufbahn beendet. Das Karriereende ist auch für mich greifbarer geworden. Trotzdem fühle ich mich noch jung und fit genug, um zu spielen. Es tut gut, mit so vielen jungen Profis zusammenzuarbeiten.

Trotz vieler guter Spielzeiten warten Sie mit Bayer 04 noch auf den ersten Titel. Braucht es eine Trophäe, um ihre Karriere in Leverkusen zu komplettieren?

Bender Nein, das nicht. Aber als Sportler sollte man immer Ziele haben, nach denen man strebt und denen man alles unterordnet. Wenn einem das Feuer für eine Aufgabe fehlt, kann man auch direkt aufhören. Für mich ist es weiter ein großes Ziel, mit Bayer 04 einen Titel zu gewinnen. Gleiches gilt für das Ziel Champions League: Ich will unbedingt noch einmal in der Königsklasse spielen. Das Potenzial, diese Ziele zu erreichen, hat die Mannschaft.

Die Stimmung im Trainingslager scheint deutlich besser als im vergangenen Sommer. Oder täuscht dieser Eindruck?

Bender Alle waren unzufrieden, wie die Saison 2016/17 gelaufen ist, wir mussten quasi bei null anfangen. Jetzt sind wir ein Jahr weiter, haben eine gute Saison gespielt, sind größtenteils zusammengeblieben und haben eine homogene Truppe. Dass nun ein besseres Klima herrscht, ist klar. Das ist auch das Verdienst unseres Trainers Heiko Herrlich: Er hat aus uns wieder einen verschworenen Haufen gemacht.

In Lukas Hradecky, Paulinho und Mitchell Weiser hat sich der Klub prominent verstärkt. Fehlt der Werkself nur noch ein Knipser?

Bender Wir machen nach wie vor zu wenig aus unseren Möglichkeiten. Wenn noch jemand käme, der genau weiß, wo das Tor steht, würde sich sicher niemand verschließen. Wobei wir sicherlich alle noch zielstrebiger und mit mehr Überzeugung auf dem Platz agieren könnten. Uns mangelt es definitiv nicht an Torchancen, sondern an der Ausbeute.

Glauben Sie, dass Lucas Alario in diese Rolle hineinwachsen kann?

Bender Er ist jetzt komplett bei uns angekommen. Wir werden in dieser Saison einen ganz anderen Alario sehen, als noch über weite Strecken im letzten Jahr, auch wenn er da schon tolle Spiele gezeigt hat. Er weiß, wo die Hütte steht. Vor allem in dieser Saison mit Dreifachbelastung wird Lucas ein ganz wichtiger Faktor sein, da bin ich mir sicher.

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Die Champions League hat Bayer nur wegen der schlechteren Tordifferenz verpasst. Hat die Freude über die Europa League oder die Enttäuschung überwogen?

Bender Nach dem schlechten Jahr haben wir über weite Strecken guten Fußball gezeigt und sind überaus verdient Fünfter geworden, auch wenn mehr drin war. Wir sind selbstkritisch genug, um zu wissen, dass es unser eigenes Versagen in gewissen Momenten war, dass wir den entscheidenden letzten Schritt nicht gemacht haben.

Sie vermissten die „Killermentalität“ im Team.

Bender Das stimmt. Dieses Thema begleitet uns schon seit einigen Jahren. Vergangene Saison fing es schon in der Hinrunde an. Nach dem 2:2 im ersten Heimspiel gegen Hoffenheim hat sich jeder Zuschauer nach der Partie gefragt, warum wir nur einen Punkt geholt haben. Die 0:1-Niederlage gegen Stuttgart am 32. Spieltag war dann die Spitze des Eisbergs. Das Ding hätten wir gewinnen müssen. Der Punkt hat uns am Ende für die Champions League gefehlt.

21 Liga-Spiele haben Sie in der vergangenen Saison absolviert und damit mehr als in den vorangegangenen beiden Jahren zusammen. War das eine Genugtuung?

Bender Absolut. Für mich war sehr wichtig, zu sehen und zu fühlen, dass ich bereit bin für die Spiele und es schaffe, an mein Leistungsvermögen heranzukommen. Nach den vielen Verletzungen war das nicht selbstverständlich. Mich macht es extrem glücklich, dass ich bewiesen habe, dass es funktioniert.

Hatten Sie in den vergangenen Jahren das Gefühl, ihr Körper würde Sie im Stich lassen?

Bender Es gab Momente, in denen ich etwas ratlos war. Aber es ist sozusagen alternativlos: Wenn du eine gewisse Leidenschaft hast, spürst du immer dieses Feuer und brauchst es auch. Du hast den Drang, immer auf dem Platz stehen zu wollen. Wenn das wegfallen würde, würde mir etwas extrem fehlen. Deswegen spiele ich auch solange es geht. Daraus habe ich immer meine Motivation gezogen. Es ging nie um andere Menschen. Vor allem wollte ich mir persönlich beweisen, dass es noch geht.

Ist der aktuelle Kader vielleicht der stärkste der vergangenen Jahre?

Bender Das habe ich vor zwei Jahren auch mal gesagt und dann haben wir am Ende der Saison gegen den Abstieg gespielt, daher hüte ich mich vor solchen Aussagen. Aber wir haben sehr viele junge, talentierte Spieler mit durchaus schon viel Erfahrung. Die Mischung stimmt. Sicherlich ist es eines der stärksten Teams, das ich in meinen neun Jahren unterm Bayer-Kreuz erlebt habe. Wir haben Ambitionen und wollen in die Champions League. Das muss unser Anspruch sein.

Sie und Ihr Bruder Sven gelten als Leitwölfe dieses jungen Teams. Inwiefern haben Sie im Laufe der Jahre in diese Rolle gefunden?

Bender Vor allem aus den schwierigen Phasen habe ich viel lernen können. Heute agiere ich abgeklärter. Es waren extreme Erfahrungen, die ich gemacht habe, vor allem in schwierigen Phasen. Ich habe feststellen müssen, dass ein Team nicht immer das ist, was es nach außen zu sein scheint. In der einen oder anderen Situation war ich vielleicht zu gutgläubig und habe zu sehr an das Gute in den Menschen geglaubt. In der jetzigen Truppe haben wir aber astreine Charaktere und einen ausgeprägten Teamgeist.

Glauben Sie, dass die Zukunft der Nationalmannschaft bei Bayer 04 spielt?

Bender Da beim DFB nun vermutlich ein Umbruch erfolgt, ist es zumindest eine große Chance für sie. Wir haben sicherlich Spieler, die dafür mehr als in Frage kommen. Julian Brandt hat bei seinen WM-Einsätzen gezeigt, dass er ein Spieler ist, der auch beim DFB-Team Leistungsträger werden kann. Kai Havertz ist sehr talentiert und hat sich sicherlich seine Chance verdient. Auch Jonathan Tah und Benjamin Henrichs haben schon einige Länderspiele gemacht. Ich sehe uns da schon als einen Verein, der mal wieder einen größeren Block im Nationalteam stellen kann.

Ihr letztes Länderspiel war 2014. Ist das Thema Nationalmannschaft für Sie abgehakt?

Bender Ja. Vergangenes Jahr hatte ich mir noch einmal Hoffnung auf eine Nominierung gemacht und daraus auch meine Motivation gezogen, im WM-Jahr richtig Gas zu geben. Ich denke, dass meine Leistungen auch gestimmt haben. Trotzdem hatte ich am Ende das Gefühl, Meilen von einer Nominierung entfernt gewesen zu sein. Der Bundestrainer hatte aber auch viele gute Spieler zur Auswahl.

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