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Kunst des Abwägens bei Panzerlieferungen Die Ukraine-Politik von Kanzler Scholz ist besser als ihr Ruf

Meinung · Das Bild von Olaf Scholz in der Öffentlichkeit ist schlecht. Das wird ihm nicht gerecht, weil er sich zwischen drei gleichrangigen Zielen bewegt, die nicht immer deckungsgleich sind. Die öffentliche Wahrnehmung konzentriert sich gern auf nur eines.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht vor einem Kampfpanzer Leopard 2 nach der Ausbildungs- und Lehrübung des Heeres im Landkreis Heidekreis in der Lüneburger Heide zu Soldaten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht vor einem Kampfpanzer Leopard 2 nach der Ausbildungs- und Lehrübung des Heeres im Landkreis Heidekreis in der Lüneburger Heide zu Soldaten.

Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Schnelle Reaktion – das steht für Entschlusskraft und Führungsanspruch. Bedächtiges Nachdenken – darin zeigt sich Unsicherheit und mangelnder Einsatz. Wenn Politik so einfach wäre, würde Bundeskanzler Olaf Scholz derzeit eine eher schwache Figur machen. Die schlechten persönlichen Umfrageergebnisse für ihn legen nahe, dass die Bevölkerung mehrheitlich dieses Bild über den mächtigsten Mann Deutschlands im Kopf hat.

Doch das wird ihm nicht gerecht. Es geht Scholz um die Kunst des Abwägens, eine politische Tugend, die perfekt zur Demokratie passt. In der herausfordernden Situation des Ukraine-Kriegs hat die deutsche Politik drei fast gleichrangige Ziele, die nicht immer miteinander kompatibel sind. Die Kunst besteht darin, alle drei weitgehend zu bedienen. Das wichtigste Ziel ist, einen Atomkrieg in Europa zu verhindern. Eine Eskalation des Angriffskriegs hin zu einem nuklearen Schlagabtausch, sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, wäre in der Tat das schlimmste Szenario. Das zu verhindern, muss das Hauptziel der deutschen Politik bleiben. So sehr uns das Leiden der ukrainischen Bevölkerung schmerzt: Ein drohender Atomkrieg ist als Preis für die Unterstützung zu hoch.

Das zweite Hauptziel ist die Solidarität mit der angegriffenen Ukraine. Alles, was dem Land wirklich hilft, müssen Deutschland und seine Verbündeten leisten. Das ist großzügige humanitäre Hilfe, aber auch die Lieferung schwerer Waffen – bis hin zum Kampfpanzer Leopard. Die Ukraine hat das Recht zur Selbstverteidigung und zur Rückgewinnung seines von Russland besetzten Territoriums. Mindestens die Linie vom 23. Februar, bevor russische Verbände die Ukraine angriffen, muss Ziel des Krieges bleiben. Aber auch Gebietsgewinne des ukrainischen Territoriums darüber hinaus sind legitime Kriegsziele. Der Angriff darf sich für Putin nicht lohnen. Dafür muss der Westen auch Risiken eingehen, die ihn bedrohen könnten.

Das dritte Hauptziel ist die Gemeinsamkeit des Bündnisses. Nach außen darf es nicht zu Zerwürfnissen kommen, heftige Diskussionen zwischen Partnern sind aber erlaubt. Aber eine Arbeitsteilung in der Nato, wonach die Europäer womöglich unter deutscher Führung maßgeblich für den Ukraine-Krieg zuständig werden, ist nicht in Ordnung. Die Vereinigten Staaten als überragende Schutzmacht des Westens müssen im Boot bleiben. Sonst ist Europa dem Zugriff Putins ausgesetzt.

Diese drei Ziele muss der Bundeskanzler unter einen Hut bringen. Die Verhinderung eines Atomkriegs kann unter Umständen zum differenzierten Handeln an der Front in der Ukraine führen. So wird der Westen kaum eigene Kampfflugzeuge liefern oder eine Flugverbotszone für den ukrainischen Luftraum verhängen. Das wäre der Kriegseintritt der Nato – mit unabsehbaren Folgen. Der Panzer-Deal ist anders zu bewerten. Aus Moskauer Sicht stellt er eine Eskalation des Krieges dar. Aber der Kreml kann darauf nicht nuklear antworten. Er wird folglich konventionelle Kräfte einsetzen, weitere Mobilisierungen veranlassen oder mit verstärkten Drohnen- und Raketenangriffen reagieren. Wenn die alliierten Panzer ihre Durchschlagskraft entwickeln, kann Putin womöglich zu einem Waffenstillstand gezwungen sein. Diese Option spricht für eine kontrollierte Eskalation vonseiten des Westens.

Dass die USA und Frankreich sich mit Panzern beteiligen, stärkt die Unterstützung der Ukraine. Zugleich festigt sie das Bündnis, wenn auch die unterschiedlichen Vorstellungen vorher für Spannungen sorgten. Das Abwägen der Optionen hat also zu einer Entscheidung geführt, die verantwortet werden kann und alle drei Ziele bedient. Das ist besser als Hurra-Patriotismus, der ein Ziel – alles für die Unterstützung der Ukraine – zum alleinigen Maßstab macht.

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