Debatte um EU-Zulassung Plötzlich Insekten im Essen? Wohl kaum

Meinung | Düsseldorf · Die Europäische Kommission lässt weitere Insekten als Lebensmittel zu, im Internet werden Ängste geschürt und Verschwörungen erfunden: seit Jahren würden uns die Krabbeltiere untergeschoben. Warum das ausgemachter Unsinn ist.

 Eine Bandnudel der Plumento Food GmbH, die unter anderem Insektenmehl als Bestandteil haben, liegt auf getrockneten Larven des Getreideschimmelkäfers, auch Buffalowurm genannt. (Archivfoto)

Eine Bandnudel der Plumento Food GmbH, die unter anderem Insektenmehl als Bestandteil haben, liegt auf getrockneten Larven des Getreideschimmelkäfers, auch Buffalowurm genannt. (Archivfoto)

Foto: dpa/Marijan Murat

Insekten im Essen? Für den westlich geprägten Gaumen schwer vorstellbar. Und dennoch: In der EU sind inzwischen (teilweise seit Jahren) vier verschiedene Insekten als Lebensmittel zugelassen: Mehlwurm, Wanderheuschrecke, Buffalowurm und Hausgrille. Seit Tagen kocht die Diskussion dazu im Internet hoch. Angeheizt wurde sie nicht wenig vom stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten, Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Dieser unterstellt auf Twitter wahlweise den Grünen, dass sie mittels Insekten in Lebensmitteln die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland reduzieren wollten. An anderer Stelle sind es die Veganer, die, entgegen ihrer Prämisse, keine Tiere zu essen, damit tierisches Eiweiß zu sich nehmen wollten.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, fabuliert Aiwanger, dass Insekten „eventuell [...] gar nicht deklariert werden“ und diese „aus Fürsorge“ unter die bestehende Nahrung gemischt würden. Letzte Aussage ist zwar nur eine Antwort seinerseits, wurde aber (Stand 25. Januar 12.15 Uhr) über 200.000 Mal von Twitter als gesehen registriert. Und die Kommentare unter seinen Tweets zeigen, dass sein Schüren von Angst vor heimlichen Käfern im Essen auf fruchtbaren Boden fällt. Doch zwei große Fragen bleiben unbeantwortet: Wer sollte das tun und warum?

Mal angenommen, ein Hersteller eines bekannten und viel gekauften Lebensmittels käme auf die Idee, Insekten (oder ein Eiweißpulver auf Insektenbasis) seinem Produkt hinzuzufügen. Zunächst muss er in etlichen Testreihen die Rezeptur anpassen, Prototypen herstellen und herausfinden, ob und wie er seine Produktionsanlagen anpassen muss. Denn jeder, der in einem Kuchen schon mal Butter durch Margarine ersetzt hat, weiß, dass das Ergebnis nicht dasselbe sein wird.

Parallel dazu muss er jede Testrezeptur verkosten lassen (und das nicht nur vom Produktentwickler), um sicherzustellen, dass das Ergebnis auch geschmacklich funktioniert. Da er die neue Zutat, genauso wie die alte, in der Zutatenliste abdrucken muss, müssen also auch alle Etiketten neu erstellt werden. Der Inhalt der ebenfalls dort abgedruckten Nährwerttabelle muss von einem Labor neu analysiert und berechnet werden.

Über all dem schwebt aber noch das Damoklesschwert des Verbrauchers, der am Ende möglicherweise trotz gleichen Geschmacks sagt: nein, Danke. Denn egal wie klein die Zutatenliste auch gedruckt sein mag, irgendjemand wird die Änderung dort früher oder später (meistens recht schnell) entdecken. Und sollte jener Hersteller eine solch bedeutende Rezepturänderung nicht offen kommunizieren, wären der Aufschrei und die damit einhergehenden Umsatzverluste beachtlich. Man denke nur an Nutella zurück, als Ferrero weltweit auf Palmfett umstellte, um sein Produkt auch bei hohen Temperaturen stabiler zu machen.

Jeder Hersteller eines gut laufenden Produktes hat also einen Haufen wirtschaftliche Gründe, die Finger von funktionierenden Rezepturen zu lassen. Und der Kostenvergleich zwischen einem in sehr großer Menge verfügbaren Molken-/Hühnereiprotein und dem damit verglichen spärlich verfügbaren Eiweiß aus Insekten ist an dieser Stelle noch gar nicht gemacht worden.

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