Robert Habeck bei Markus Lanz „Eine Dynamik, wo sich niemand über den Tisch gezogen fühlt“

Düsseldorf · Der Vorsitzende der Grünen lobt die Sondierungspapiere als „Dokument eines Einigungswillens“. Bei Markus Lanz im ZDF geht es vor Beginn der Koalitionsverhandlungen um Kohle, Tempo, Finanzen – und die unsichtbaren Frauen in der CDU.

 Markus Lanz diskutiert mit Robert Habeck, Kristina Dunz, Ulrich Schulte und Karin Prien

Markus Lanz diskutiert mit Robert Habeck, Kristina Dunz, Ulrich Schulte und Karin Prien

Foto: Screenshot ZDF

Darum ging es

Die Kohle, das Tempo auf Autobahnen, der Klimaschutz und die Frauen in der CDU - Markus Lanz unterhält sich mit seinen Gästen über die Sondierungen vor dem Beginn der Koalitonsgespräche zur Ampel-Regierung.

Die Gäste

Robert Habeck, Vorsitzender von Bündnis 90/Grünen

Kristina Dunz, Journalistin beim RedaktionsNetzwerk Deutschland

Ulrich Schulte, Leiter des „Taz”-Parlamentsbüros

Karin Prien, Mitglied des CDU-Bundesvorstands

Der Talkverlauf

Markus Lanz freut sich am Abend im ZDF: Auf eine „Chance, aus erster Hand zu erfahren, wie es gerade läuft mit den Verhandlungen für die neue Bundesregierung.” Zunächst allerdings provoziert er seinen Insider aus dem Verhandlungszentrum mit der Frage, ob nicht etwas falsch laufe, wenn sogar führende Unionspolitiker das Sondierungspapier lobten. Robert Habeck beißt nicht an, er sieht darin Fairness und Respekt des politischen Gegners. Auch Ulrich Schulte findet die positive Reaktion der künftigen Opposition nicht verwunderlich. Da sondierten ja drei Parteien, mit denen die CDU selbst gerne regiert hätte. „Wenn sie jetzt sagte, da steht nur Schwachsinn drin, würden sie sich ja unglaubwürdig machen”, sagt der Taz-Journalist.

Habeck muss dann trotzdem über weite Strecken verteidigen – Tempolimit, Finanzfragen, die Klimapolitik - und macht zunächst klar, dass ein Sondierungspapier „per Definition etwas schwammig” sein müsse. Diese Papiere seien ja weder Koalitionsvertrag noch Gesetzesvorlagen, „sie sind Dokument eines Einigungswillens”, erklärt der Grüne. Ja, das Tempolimit von 130 auf Autobahnen hätte er gerne durchgesetzt, auch als Maßnahme, die nicht nur das Klima schütze, sondern Leben rette und Stress reduziere, aber “ein Koalitionspartner hat das sehr hart gestellt.” Im Gegenzug habe man sich jedoch auf ein Ende des fossilen Verbrennungsmotors einigen können.

Immer wieder betont Habeck, es gehe nicht darum, “wer gewinnt und wer verliert”. Entscheidend sei vielmehr, “eine Situation herzustellen in der alle sich wiederfinden.” Dann entstehe “eine neue Dynamik, wo Vertrauen entsteht, wo sich niemand über den Tisch gezogen fühlt.” Und auf dem Weg zu diesem Vertrauen, müsse “man eben auch mal was geben können.”

Kristina Dunz ist enttäuscht, das Tempolimit hätte nichts gekostet und ein Teil der Gesellschaft hätte sich eh schon darauf eingestellt. Viele hätten von den Grünen eine „klarere Kante” erwartet, kritisiert die Journalistin.

Klarere Veränderungen werden sich Habeck zufolge jedoch früh genug einstellen, etwa wenn es daran geht „eine versorgungssichere Energiewelt allein auf der Basis der Erneuerbaren bis Anfang des nächsten Jahrzehnts” aufzubauen. „Das ist eine wahnsinnige Kraftanstrengung, die viel Verhandlungskunst erfordern wird. Das ist mega-ambitioniert.” Als Beispiel nennt er, dass künftig zwei Prozent der deutschen Fläche Windenergie produziert werden muss. Vor allem für Baden-Württemberg und Bayern gebe es da allerhand zu tun.

Beobachter Schulte erkennt ebenfalls klare Umrisse im Sondierungspapier, auch wenn seiner Ansicht nach „in Deutschland nach wie vor zu unehrlich oder zu wolkig über Klimaschutz gesprochen” werde. Ob der Kohleausstieg nun exakt im Jahr 2030 erzielt werde, sei für ihn nicht das Entscheidende, ihm fehlten vielmehr Angaben zum CO2-Preis, dem sozialen Ausgleich, und er fragt sich: „Wie soll der schnelle Bahnausbau klappen?” Eine große Chance der Ampel ist für ihn, „dass wir Klimaschutz nicht mehr als Kulturkampf begreifen” wie es im Wahlkampf gewesen sei, als „Freiheitsberaubung” (Tempo 130) und „Schnitzelverbote” vor allem unnötig aufgeheizte Diskurse produziert hätten.

Lanz bohrt mehrfach nach, ob sich Habeck als Finanzminister sieht, bekommt darauf natürlich keine Antwort, doch der Grüne lässt sich durchaus zu Finanzierungsfragen aus. „Es wird nicht am Geld scheitern, Deutschland klimaneutral zu machen“, sagt er und spricht von Vorschlägen, die vor allem öffentliche und private Investitionen deutlich steigen könnten. Da die drei Parteien an der Schuldenbremse nicht rütteln, sei zwar diese „Möglichkeit verloren”, sagte Habeck. Investitionen die durch Kredite finanziert würden, könnten jedoch Werte schaffen, die das Land nicht ärmer machten, sondern reicher. 

Karin Prien wüsste jedoch schon gerne, ob die Schuldenbremse nun eingehalten oder eher „umgangen” würde: „Das muss man klar sagen, lasst uns nicht drum rum reden”, fordert die Bildungsministerin aus Schleswig-Holstein. Mit ihr will Lanz am Abend aber vor allem die Lage der CDU ergründen. Von „Insolvenzfall, wie Friedrich Merz die Partei genannt hatte, und Bankrott will sie nichts hören, ist aber mit Lanz einer Meinung dass, die Frauen im Mittelbau zu unsichtbar sind. Nur 26,5 Prozent der Mitglieder seien Frauen, rechnet der Moderator vor, und derzeit säßen 151 Männer für die CDU im Bundestag und 46 Frauen. Auch Dunz nennt es eine „brutale Schwäche der Union”, die durchaus vorhandenen Frauen nicht gut zu positionieren.

Prien räumt ein, keiner der „vier katholischen Männer aus Nordrhein-Westfalen würden „alleine die Partei wieder nach vorn bringen.” Alle vier bräuchten ein Team, das auch die Gesellschaft abbilde. Wie die Grünen, müsse die Union dahin kommen, „dass Frauen wieder Lust haben mit uns Politik zu machen.” Was in ihrem Arbeitsumfeld in Schleswig-Holstein normal sei - dass viele Frauen wichtige Positionen ausfüllten, sei „absolute Selbstverständlichkeit”. Das müsse die CDU abbilden und „wenn sie das nicht ohne Quote schafft, dann braucht sie `ne Quote”, sagt Prien, zumal das ohnehin ein Beschluss des Bundesvorstands sei. Ein Team aufzustellen, in dem keine Frau mit dabei sei, nennt sie „unvorstellbar”. 

(juju)
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