„Tatort“-Nachlese Ein zu bekanntes Gesicht

Dresden · Eigentlich ein gelungenes Psychogramm mit starken Bildern – doch richtige Spannung kam im „Tatort“ aus Dresden nicht auf. Das lag auch an einer Castingentscheidung.

 Schauspielerin Anna Maria Mühe spielte im Dresdner „Tatort“ die Mörderin.

Schauspielerin Anna Maria Mühe spielte im Dresdner „Tatort“ die Mörderin.

Foto: MDR/MadeFor/Hardy Spitz

Darum ging es Die 29-jährige Anna Schneider bricht auf der Straße tot zusammen. Die Ursache: Herzstillstand, weitere Auffälligkeiten finden sich bei der Obduktion nicht. Doch die junge Frau wurde gestalkt und litt seit einiger Zeit an unerklärlichen Schmerzen. Die Ermittlerinnen Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel) glauben deshalb nicht an einen natürlichen Tod – und behalten am Ende natürlich recht. Hinter dem Stalking und dem Mord – und hinter den Attacken auf Kommissarin Gorniak – steckt Martha Marczynski (Anna Maria Mühe). Die arbeitet in einem Labor für Nanotechnologie und hatte „die perfekte Waffe“ aus Nanobots entworfen, wie es im Film heißt, die je nach Dosierung Schmerzen hervorrufen oder eben zum Herzstillstand führen.

Das Motiv: Nichtbeachtung. Marczynski hatte sich in ihren Kollegen verliebt, der sie aber kurz darauf für Schneider links liegen ließ. Mit Gorniak verbindet sie eine Vergangenheit auf der Polizeischule – und die Party vom Stalker-Video. Auf einer Party der Polizei-Azubis war vor 20 Jahren ein Feuer ausgebrochen; Marczynski hatte Gorniak und einen Kollegen gerettet, die im Ecstasy-Rausch auf dem Sofa lagen und nichts mitbekamen. Doch bedankt hat sich Gorniak dafür offenbar nie, „ich kann mich nicht erinnern“, sagt sie – und das ist genau das Problem.

Unsichtbar (so ja auch der Titel des Films) fühlte sich die Stalkerin, unsichtbar bedrohte sie ihre Opfer, unsichtbar wurde sie zur Mörderin. Und zu allem Überfluss bezahlte Marczynksi ihren Einsatz auch noch fast mit dem Leben: Sie stürzte die Treppe hinunter und hat seitdem immer wieder mit starken Schmerzen zu kämpfen. Schmerzen, die sie auch ihren Opfern zufügte – die lernen sollten, diese auszuhalten, so wie es gelernt hatte. Am Ende nimmt sich Marczynksi auf grausame Art das Leben, und Gorniak versucht zumindest, einen Teil der angeblichen Schuld abzuarbeiten, und fährt zur Mutter der Toten, um mit ihr über ihre Tochter zu sprechen.

Darum ging es wirklich Um die unheimliche Macht von Stalkern, die ihre Opfer verfolgen, unter Druck setzen, sie psychisch und physisch terrorisieren. Wie zermürbend das sein kann, wird in diesem „Tatort“ – der zwei Wochen nach einer Gesetzesverschärfung bei der Verfolgung der Täter kommt – überdeutlich. Das Thema allerdings hätte auch ruhig stärker in den Fokus genommen werden können, so wirkt es, als könnte sich der Film nicht zwischen Psychogramm und Wissenschaftskrimi entscheiden. Und auch die ganz große Spannung bleibt aus – doch dazu mehr im nächsten Punkt.

Die kennen wir doch Wer sich ein bisschen in der deutschen Kino- und Fernsehlandschaft auskennt, wird Anna Maria Mühe (unter anderem mit dem Bambi und der Goldenen Kamera prämiert) schon einmal gesehen haben. Und wenn diese bekannte Schauspielerin nun auf einmal im „Tatort“ auftaucht, muss man kein Hellseher sein um davon auszugehen, dass ihre Figur noch eine größere Rolle spielen wird, vielleicht sogar etwas mit der Auflösung des Falls zu tun hat. Und genau so war es dann ja auch: Mühe spielte die Täterin, wurde anfangs aber nur als Kollegin des Ex-Freunds der Toten eingeführt.

So nimmt sich der Film selbst – zumindest für einen Teil der Zuschauer – die Spannung. Das ist schade, denn Mühe ist natürlich eine gute Schauspielerin und überzeugt auch hier, als verbitterte Stalkerin mit mehr schlecht als recht sitzender Perücke (ihr Haar, das wird in den Rückblenden zur verheerenden Party-Nacht deutlich, verlor sie nach dem Sturz). Dem Film hätte ein etwas unbekannteres Gesicht hier allerdings gutgetan.

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