Hochwasserschutz wird ausgebaut Der Deich bei Xanten wächst

Xanten · Zwischen den Xantener Ortsteilen Lüttingen und Wardt wird der Hochwasserschutz erneuert. Mensch und Maschine bewegen dafür rund eine Million Kubikmeter Erde, Lehm und Sand. Danach soll der Deich dann breiter, höher und besser sein. Ein Besuch auf der knapp vier Kilometer langen Baustelle.

Rhein-Deich bei Xanten wird saniert​
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Rhein-Deich zwischen Lüttingen und Wardt wird saniert

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Foto: Armin Fischer (arfi)

Xantens größte Baustelle liegt zurzeit am Rhein: Zwischen den Ortsteilen Lüttingen und Wardt wird der Deich komplett neu gemacht. Rund eine Million Kubikmeter Erde, Lehm und Sand werden dafür bewegt. Zuständig ist der Deichverband Xanten-Kleve. Geschäftsführer Maximilian Pieper, Oberbauleiter Harald Rodiek und der örtliche Bauleiter Ansgar Artz führten die Redaktion über die Baustelle. Ein Überblick.

Wo wird der Deich saniert? Der Deichverband Xanten-Kleve ist für den Hochwasserschutz zwischen den beiden Städten zuständig. Seit 2003 saniert er den 37 Kilometer langen Banndeich in seinem Verbandsgebiet. 25,8 Kilometer sind schon fertig. Dazu gehören auch die Abschnitte von der B57 bis zur Kläranlage Lüttingen (zwei Kilometer) und von Wardt bis Grieth (18,7 Kilometer). Um das 3,8 Kilometer lange Stück dazwischen geht es jetzt, also um den Banndeich zwischen der Kläranlage Lüttingen und Wardt.

Warum wird der Deich saniert? Der alte Deich stammt aus den 1960er Jahren. Er ist 25 bis 30 Meter breit. Der neue Deich wird doppelt so breit, also etwa 50 Meter. Dadurch wird die Böschung flache, die Standfestigkeit steigt, wie Pieper erklärt. Der Deich wird auch höher. „Heutzutage hält man Wasserschutzanlagen vor, die auf ein 500-jähriges Hochwasser am Rhein bemessen sind.“ Der neue Deich wird also so gebaut, dass er selbst einem Hochwasser standhalten wird, das rein statistisch gesehen nur alle 500 Jahre auftritt. „Pauschal packen wir dann ein Sicherheitsmaß von einem Meter oben drauf.“ Die Niederländer hätten für ihre Deiche berechnet, welchen Schutz der Deich dadurch biete. Demnach sei er nach der Sanierung ausgelegt für eine Überflutungswahrscheinlichkeit, wie sie statistisch gesehen vielleicht alle 1500 bis 2000 Jahre auftrete.

Der Deich wird aber nicht nur höher und breiter gemacht, sondern er wird zwischen Lüttingen und Wardt auch begradigt. Dafür wird er in Höhe des Willibrordwegs ein Stück nach hinten verlegt. Dadurch bekommt der Rhein an dieser Stelle mehr Retentionsraum, also Platz, um sich bei Hochwasser auszubreiten. An anderer Stelle zwischen Lüttingen und Wardt wird ihm dagegen etwas Platz genommen, da der Deich breiter wird. Unterm Strich soll der Retentionsraum aber gleich bleiben. Die Begradigung des Deichverlaufs bietet auch den Vorteil, dass er sich besser überblicken und damit überwachen lässt. Er bietet auch der Strömung weniger Angriffsfläche, weil der Deich an dieser Stelle bei Hochwasser nicht mehr in den Fluss hineinragt.

Der neue Deich wird auch anders gebaut. Die alte Hochwasserschutzanlage bestehe nur aus einem Material, einem sehr lehmigen Boden, erklärt Pieper. Beim neuen Wall werde werde auf der Wasserseite ein lehmiges, sehr dichtes Material verwendet – durch diese Dichtungsschicht könne das Hochwasser kaum hindurchsickern. Dahinter sei der Kern, eine sandige Schicht, die den Deich trage. Auf der Landseite werde ebenfalls ein sandiges Material verwendet, damit das Wasser, falls es doch einmal in den Deich vorgedrungen sei, hinaussickern könne, ohne die Standfestigkeit des Deichs zu gefährden. „Das ist der neueste Stand der Technik“, erklärte Rodiek.

Wie wird der Deich saniert? Der alte Deich wird abgetragen. Dafür ist die gesamte Strecke in Teilstücke eingeteilt worden. In einigen Abschnitten wird angefangen. Zuerst wird eine zwei Meter dicke Schicht vom Kampfmittelräumdienst untersucht, dann wird sie abgetragen. Dann werden die nächsten zwei Meter vom Kampfmittelräumdienst untersucht, bevor auch sie abgetragen werden, und die nächste Schicht untersucht und weggebracht werden kann. Das abgetragene Material wird aufbereitet und auf der Baustelle gelagert, damit es wiederverwendet werden kann. Bis zu 80 Prozent des alten Deichs werden genommen, um den neuen Deich zu bauen. Hinzu kommt noch Material, das angeliefert wird. Damit wird der neue Deich gebaut. Dabei wird das Material „höchstmöglich verdichtet“, erklärt Pieper. Dafür rollten schwere Walzen über den neuen Deich. „Wenn wir fertig sind, kommen Sie nicht mehr mit einem Spaten in den Boden.“ Ganz zum Schluss kommen Mutterboden und Gras auf den Deich.

Wie wird das Material zum Deich transportiert? Insgesamt werden rund eine Milllion Kubikmeter Material für den Deich bewegt: 210.000 Kubikmeter Altdeich, 325.000 Kubikmeter Lehm, 200.000 Kubikmeter sandiges Material, weitere 250.000 Kubikmeter Material. Bis zu 80 Prozent des alten Deichs werden recycelt, also wiederverwendet. Trotzdem muss noch mindestens genauso viel Material angeliefert werden, weil der neue Hochwasserschutz höher und vor allem breiter wird – deshalb ist mehr Material notwendig. Das meiste kommt auf dem Landweg, wie Pieper und Rodiek erklären. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat dafür drei Zufahrtswege genehmigt: (1) die L480 (Geldener Straße), die Lüttinger Straße und Kronemannstraße und (3) die Straßen Am Meerend und Strohweg. Die Bezirksregierung habe drei Zufahrten bestimmt, um die Belastung für Anwohner und Natur Belastung – Lärm, Staub, CO2 – zu verteilen und nicht auf eine Route zu konzentrieren. Mehrere Stecken seien vorher geprüft worden, erklärten Pieper und Rodiek. Auch die Salmstraße. Sie sei aber nicht als Zufahrt zugelassen worden, weil sie ein Schulweg sei. Die Kronemannstraße wird seit einigen Tagen nicht mehr befahren, weil sie ein Bodendenkmal ist. Außerdem wird Material auf dem Wasserweg angeliefert: Schottermaterial für den Wegebau am Ende auf dem Deich. Fünf, sechs Schiffe würden das Material zum früheren Verladehafen der Firma Hülskens am Rhein bringen, erklärten Pieper und Rodiek. Aber nur der Schotter komme auf dem Wasserweg. Bei den anderen Materialien ergebe der Transport mit dem Schiff keinen Sinn, weil sie aus Kiesgruben bei Sonsbeck und Kalkar hergebracht würden – der direkte Weg führte über den Landweg.

Wer ist mit der Deichsanierung beauftragt worden? Die Firma Martens en van Oord. Sie ist spezialisiert auf Tief-, Straßen- und Wasserbau. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben mehr als 200 Mitarbeiter und macht einen Umsatz im Jahr von 65 bis 70 Millionen Euro, wie aus den Unterlagen für die Anliegerversammlung hervorgeht. Sie hat schon einige Deiche am Rhein saniert, zum Beispiel von 2011 bis 2013 den Abschnitt zwischen Vynen und Wardt. Die Firma wird auch den Deich zwischen Ossenberg und Büderich sanieren.

Wie lange dauern die Arbeiten? Im vergangenen Herbst haben die ersten Arbeiten begonnen, vor allem noch im Schutz des alten Deichs. Im April ist damit begonnen worden, den alten Deich abzutragen – vorher nicht, weil im Winter die Wahrscheinlichkeit für ein Hochwasser höher ist als im Sommer. Nun wird an mehreren Stellen gleichzeitig gearbeitet, um den alten Deich möglichst schnell abzutragen und den neuen Deich schnell aufzubauen. Zurzeit konzentrieren sich die Arbeiten auf Lüttingen, wandern bis Sommer und Herbst immer mehr nach Wardt. Ende Oktober soll der Hochwasserschutz stehen, weil dann wieder die Zeit beginnt, in der ein Hochwasser wahrscheinlicher wird. Sollte der Rhein vorher schon steigen, kann der Deich innerhalb von 48 Stunden geschlossen werden. Im nächsten Jahr werden wahrscheinlich noch weitere Arbeiten folgen. So soll dann zum Beispiel der Weg auf dem Deich 2024 gemacht werden. Aber die großen Erdbewegungen und die Transporte mit den Lastwagen sollen sich auf 2023 konzentrieren. Diese Ankündigung habe die Anlieger gefreut, die schon mit zwei Jahren Bauzeit gerechnet hätten, sagten Pieper und Rodiek. Und bisher gehen sie davon aus, dass der Zeitplan gehalten werden kann. „Die Arbeiten laufen sehr gut“, sagt Pieper. „Wir liegen voll im Zeitplan“, ergänzt Roediek.

Wie viel kostet die Deichsanierung? Es wird wohl billiger als zuerst gedacht. Ursprünglich hatte der Deichverband den Auftrag für 17,3 Millionen Euro erteilt. Später sei mit der Firma noch einmal nachverhandelt worden, berichteten Pieper und Rodiek. „Jetzt sind wir bei 16,1 Millionen Euro.“ Zum einen sei der Ablauf der Baustelle optimiert worden. Zum anderen habe die Firma im vergangenen Jahr den alten Deich untersucht und vorgeschlagen, bis zu 80 Prozent des Materials wiederzuverwenden. Dadurch könnten die Kosten sinken.

80 Prozent der Kosten werden vom Land und vom Bund finanziert, wie Pieper und Rodiek erklärten. 20 Prozent sind der Eigenanteil des Deichverbands, die langfristig zu günstigen Konditionen finanziert würden, aber letztlich durch die Beiträge der Verbandsmitglieder geschultert würden.

(wer)
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