Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wermelskirchen „Ein gutes Netzwerk darf nicht fehlen“

Interview | Wermelskirchen · Seit dem 1. April ist die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Wermelskirchen wieder besetzt. Im Interview spricht Claudia Thienenkamp über ihre neuen Aufgaben und Herausforderungen.

 Claudia Thienenkamp arbeitet als Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt Wermelskirchen.

Claudia Thienenkamp arbeitet als Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt Wermelskirchen.

Foto: Stadt WK/Kathrin Kellermann

Frau Thienenkamp, seit wann sind Sie Gleichstellungsbeauftragte ? Und was haben Sie davor gemacht?

Thienenkamp Mit meinem Start in Wermelskirchen am 1. April bin ich hier noch ganz frisch an Bord. Zum Start ins Berufsleben habe ich Ende der 1980er Jahre zunächst eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten bei einer Betriebskrankenkasse absolviert, bevor ich in die freie Wirtschaft gegangen bin und in unterschiedlichen Rollen sowie diversen thematischen Schwerpunkten als Personalerin gearbeitet habe: Einstieg, Umstieg, Aufstieg, Coaching/Mentoring und weitere Bereiche mehr. Gearbeitet habe ich in verschiedener Branchen, in Kleinunternehmen und auch in Konzernen. Mit Ende 20 habe ich mich dann entschieden zu studieren. Nach einem BWL-Studium folgten noch Fortbildungen in der Erwachsenenbildung und im Bereich der Organisationspsychologie.

Was waren Ihre Gedanken, als Sie diese Stelle in Wermelskirchen angeboten bekamen?

Thienenkamp Zunächst einmal habe ich mich riesig gefreut. Diese Aufgabe ist Chance und Herausforderung zugleich. Die Mischung, auf der einen Seite „Wächterin“ gesetzlicher Vorgaben zu sein, gepaart mit viel Gestaltungsspielraum innerhalb der Stelle, ist wirklich herausfordernd und spannend für mich.

Warum ist eine Gleichstellungsbeauftragte in der Stadtverwaltung wichtig?

Thienenkamp Die Gleichstellungsbeauftragte hat sowohl eine Innen- als auch eine Außenwirkung. So bin ich nicht nur für die Mitarbeitenden der Stadt die Ansprechpartnerin, sondern ebenso für alle Bürgerinnen und Bürger, die sich beispielsweise in Partnerschaft und Familie, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Leben oder in ihrer sozialen Situation benachteiligt fühlen, Hilfestellungen benötigen oder Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Rechte brauchen. Außerdem helfe ich den Menschen dabei, wenn sie Informationen und Auskünfte benötigen, Kontakte zu Frauengruppen oder Verbänden suchen – oder aber auch wenn sie Anregungen haben, wie die Situation von benachteiligten Frauen in Wermelskirchen verbessert werden könnte. Mein Ziel ist es, für alle Menschen in der Stadt als Ansprechpartnerin mit einem offenen Ohr erreichbar zu sein.

Welchem Fachbereich sind Sie angegliedert?

Thienenkamp Die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten ist als Stabsstelle dem Haupt- und Personalamt zugeordnet.

Was sind Ihre Aufgaben, konnten Sie sich schon einarbeiten?

Thienenkamp Da die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten nun für längere Zeit unbesetzt war – genauer: die Stelle war seit Anfang Dezember 2020 vakant –, bin ich gerade dabei, mir einen ersten Überblick darüber zu verschaffen, welche Netzwerke bereits vorhanden sind, um diese dann gegebenenfalls fortzuführen. Und ein erster Anfang ist bereits gemacht: so konnte ich etwa erste Kontakte bereits zu meinen Kolleginnen knüpfen – der Gleichstellungsbeauftragten des Rheinisch-Bergischen Kreises und der Gleichstellungsbeauftragten in Leichlingen. Als nächstes ist es nun wichtig, die Kolleginnen und Kollegen genauso wie die handelnden Personen in der Stadt möglichst rasch kennenzulernen – und mich umgekehrt auch diesen bekannt zu machen. Meine Pflichtlektüre ist derzeit das Landesgleichstellungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. Sehr wichtige Aufgaben aus diesem Gesetz sind die Maßnahmen zur Frauenförderung, die im sogenannten Frauenförderplan zusammengefasst sind, und für deren Einhaltung ich maßgeblich mit verantwortlich bin.

Welche sind Ihre wichtigsten Themen in der näheren Zukunft?

Thienenkamp Als Gleichstellungsbeauftragte unterliegt ein Teil meiner Aufgaben der freien Schwerpunktsetzung. Da ich aus dem Personalwesen komme, möchte ich zunächst einmal mit den Themen starten, die mir auch fachlich nahe sind. Und da gibt es mit Bezug zum Themenkomplex „Frau und Gleichstellung“ schon eine ganze Menge. Nehmen Sie nur den Fachkräftemangel, das Thema Frauen in Führung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Chancengleichheit bei der Bildung. Das Thema „Mehr Frauen in die Politik“ schließt sich direkt als nächstes an – ebenso wie das Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Hier gibt es bereits bestehende Arbeitskreise, denen ich mich ab sofort wieder anschließen werde. Ein gutes Netzwerk darf nicht fehlen, welches ich nun sukzessive aufzubauen plane.

Sind Sie nur Ansprechpartnerin für Frauen?

Thienenkamp Nein, so ist das tatsächlich nicht. Gleichstellung bedeutet schließlich die Beseitigung bestehender Benachteiligungen aufgrund des jeweiligen Geschlechts. Also gilt es für mich, auch auf die Männer zu schauen und darüber nachzudenken, welche Gleichstellungsbedürfnisse und Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts auch bei Männern vorkommen können.

Können Sie einige Beispiele für Anfragen von Frauen und Männern nennen, die zu Ihnen kommen?

Thienenkamp Konkrete Beispiele kann ich leider noch nicht benennen, da ich ja gerade erst angekommen bin und somit noch nicht viele Beratungsgespräche gehabt habe.

Glauben Sie, dass Sie Ihre Aufgaben im Rahmen einer halben Stelle ausfüllen können?

Thienenkamp Es gibt tatsächlich eine Fülle von Themen, die für eine Gleichstellungsbeauftragte relevant sind und bearbeitet werden können und müssen. Nun gilt es, an dieser Stelle Prioritäten zu setzen.

Wie groß sind die strukturellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Jahr 2022 immer noch?

Thienenkamp Frauen sind in Führungspositionen, ob in Wirtschaft oder Politik, nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Ein anderes Stichwort lautet an dieser Stelle „Equal Pay“: Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt immer noch sehr viel weniger Geld als Männer. Als unmittelbare Konsequenz daraus, sind die Renten der Frauen ebenfalls entsprechend niedriger. Den Hauptanteil bei der Hausarbeit, der Erziehung und Betreuung der Kinder und die Pflege älterer oder kranker Menschen, übernehmen ebenfalls wir Frauen. Dadurch bleiben Karrieren auf der Strecke, weil Zeit für Job und Weiterentwicklung fehlt.

Ist Ihr Einsatzbereich nur im Rathaus – oder gehen Sie auch „nach draußen“?

Thienenkamp Mein Dienstsitz ist grundsätzlich im Rathaus an der Telegrafenstraße. Hier bin ich zunächst für alle Anfragen erreichbar – und hier finden auch die Beratungsgespräche statt. Ziel ist, spätestens nach den Sommerferien erste Projekte umzusetzen, die mit weiteren Akteuren selbstverständlich auch außerhalb des Rathauses stattfinden werden. Das ist auch etwas, worauf ich mich besonders freue.

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