Ukrainehilfe in Wermelskirchen Ein Haarschnitt nach der Flucht aus dem Krieg

Wermelskirchen · Maria-Luisa De Pasquale hat geflüchteten Frauen einen Besuch in ihrem Friseursalon spendiert. Und so für eine berührende Erfahrung auf allen Seiten gesorgt. Die Frauen sind sehr zufrieden.

 Maria-Luisa De Pasquale (l.) und Mitarbeiterin Birgit Steffens haben Frauen aus der Ukraine kostenlos die Haare geschnitten. Nika freut sich über ihre neue Frisur.

Maria-Luisa De Pasquale (l.) und Mitarbeiterin Birgit Steffens haben Frauen aus der Ukraine kostenlos die Haare geschnitten. Nika freut sich über ihre neue Frisur.

Foto: Jürgen Moll

Nika schließt die Augen, lehnt den Kopf zurück in das Waschbecken und lässt sich die langen Haare waschen. Es ist ein ruhiger Moment nach schweren Wochen und Monaten. Die 35-Jährige kommt aus Kiew – und an diesem Morgen sitzt sie in einem kleinen Friseursalon an der Unterstraße. Friseurin Birgit Steffens dreht am Wasserhahn und massiert dann die Haarpflegeprodukte ein. Es ist für einen Moment ganz leise im Salon. Gerade noch haben sich die beiden Frauen auf Englisch unterhalten, jetzt lässt die eine ihre Augen geschlossen und die andere schenkt Zeit und Können.

Am benachbarten Frisierstuhl ist auch Friseurmeisterin Maria-Luisa De Pasquale in ihrem Element. Hier fallen bereits die ersten Strähnen. „Eigentlich hätten wir heute geschlossen“, erzählt die Geschäftsinhaberin. Stattdessen haben sie und Mitarbeiterin Birgit Steffens aber die Türen für geflüchtete Frauen aus der Ukraine geöffnet. „Wir wissen nicht erst seit der Pandemie, dass es bei einem Haarschnitt nicht nur um das Haareschneiden geht“, sagt Maria-Luisa De Pasquale. Es sei so wichtig für das persönliche Wohlbefinden, sich gepflegt zu fühlen. „Wir sehen das auf den Gesichtern der Menschen, wenn sie sich dann im Spiegel ansehen“, sagt die Friseurmeisterin, „dann zieht in den allermeisten Fällen ein Lächeln in ihre Gesichter.“ Und das hatte sich Maria-Luisa De Pasquale auch für die Frauen aus der Ukraine gewünscht, die Wochen des Krieges und der Flucht hinter sich haben – und dabei nicht selten auch auf die gewohnte Körper- und Haarpflege verzichten mussten. Also hat die Friseurmeisterin an ihrem freien Tag den Salon geöffnet und mit Unterstützung der Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ geflüchtete Frauen auf einen Haarschnitt eingeladen.

Im Café International gab Brigitte Krips das Angebot an die Frauen weiter. Die 18 freien Termine waren schnell vergeben – an Frauen wie Nika. Als die Ukrainerin wieder vor dem Spiegel sitzt, beginnt sie zu erzählen: „In den letzten Wochen und Monaten gab es überhaupt keine Möglichkeit, zum Friseur zu gehen“, sagt sie. Es sei wirklich ein gutes Gefühl, mal wieder die Haare geschnitten zu bekommen. Und dann beginnt die 35-Jährige von der großen Gastfreundschaft zu sprechen, die sie seit ihrer Ankunft in Deutschland erlebe. „Die Menschen hier kümmern sich richtig um uns“, sagt sie. Erwartet habe sie das nicht. Voller Unsicherheit seien sie aus dem Krieg geflohen. „Ich hoffe sehr, dass ich auch etwas zurückgeben kann“, sagt Nika und blickt dann dankbar in den Spiegel, wo sie auf die freundlichen Augen von Birgit Steffens trifft.

Im Grunde kennt auch Maria-Luisa De Pasquale dieses Gefühl – etwas zurückgeben zu wollen. Ihr stecke immer noch die harte Zeit des Lockdowns in den Knochen. „In diesen Wochen und Monaten ging es mir wirklich schlecht“, erzählt die Geschäftsinhaberin. Aber dann habe sie eine bewegende Rückendeckung erlebt. „Kunden kauften Gutscheine, sie halfen mir, wo sie konnten“, erzählt sie. So habe sie den Lockdown überlebt. Seit dem weiß sie, wie wichtig und existenziell Solidarität und Zusammenhalt sein können. „Dafür bin ich bis heute dankbar“, sagt sie. Maria-Luisa De Pasquale erlebte am eigenen Leib: Jede Unterstützung kann helfen. Nun will sie etwas zurückgeben und selbst helfen. Also opfert sie ihren freien Tag und stellt ihre handwerklichen Fähigkeiten kostenlos zur Verfügung.

In der ersten Hälfte des Tages bekommt sie dabei Unterstützung von Mitarbeiterin Birgit Steffens, am Nachmittag wäscht und schneidet sie alleine weiter. Zwölf Stunden hat die Friseurmeisterin für den Aktionstag veranschlagt. Morgens um 8 Uhr stand der erste Termin im Kalender, für einen Abendtermin um 19 Uhr steht der letzte Name in der Liste. „Das ist meine Form von Ehrenamt in dieser schweren Situation“, sagt die Friseurin. Und dann widmet sie sich wieder ihrer Arbeit, nimmt den Föhn zur Hand sorgt für den letzten Schliff.

Draußen ist gerade der Fahrdienst für die nächsten Damen angekommen, den die Flüchtlingsinitiative organisiert hat. Ein Kleinbus hat die Damen in Dabringhausen eingesammelt und zum Salon hinter Tente gefahren. Er wird auch für die Rückfahrt sorgen. So finden die Frauen pünktlich zum Termin den Weg an die Unterstraße. Etwas schüchtern betreten die Ukrainerinnen den Salon, werden dann herzlich begrüßt und schnell finden sie einen Platz im Frisierstuhl.

Nika schüttelt inzwischen zufrieden ihren Kopf vor dem Spiegel. Der neue Haarschnitt sitzt. Und dann passiert tatsächlich das, was Maria-Luisa De Pasquale vorausgesagt hat: Auf das Gesicht der jungen Frau stiehlt sich ein Lächeln.

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