Ausbildungssituation in Wermelskirchen „Jeder Tag ist anders, jeder Tag ist gut“

Wermelskirchen · Laura Steinebach schließt ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bei Hephata ab. Ihre Stellen wird sie sich aussuchen können – denn sie hat Seltenheitswert.

 Laura Steinebach schließt in diesen Wochen ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bei Hephata ab. Praxiskoordinator Andreas Morneau (l.) und Regionalleiter Andreas Willinghöfer haben ihr bereits eine Einstellungszusage gegeben.

Laura Steinebach schließt in diesen Wochen ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bei Hephata ab. Praxiskoordinator Andreas Morneau (l.) und Regionalleiter Andreas Willinghöfer haben ihr bereits eine Einstellungszusage gegeben.

Foto: Theresa Demski

Der junge Mann geriet schnell an seine Grenzen. Geduld gehörte nicht zu seinen Stärken. Und seine Autismus-Spektrum-Störung machte seinen eigenen Plänen häufig einen Strich durch die Rechnung. Laura Steinebach traf ihn zum ersten Mal während ihrer Ausbildung bei der Evangelischen Stiftung Hephata. Berührungsängste? „Warum denn?“ fragt die 24-Jährige. „Ich arbeite mit Menschen. Und vor Menschen habe ich keine Angst.“ So begegnete sie auch dem jungen Mann in der Hephata-Wohngruppe. Mit viel Offenheit. Auf Augenhöhe. „Ich sehe dann nicht die Defizite, sondern die Möglichkeiten“, sagt die junge Frau aus Lennep. Also sagte sie dem Mann ihre Unterstützung zu für ein gemeinsames Projekt: Zusammen würden sie die Wohnung umgestalten, Raum für Gäste schaffen und ein Essen vorbereiten. „Am Ende kochte er Rouladen, schmückte den Tisch, verschickte Einladungen an seine Verwandten und richtete ein Essen aus“, sagt Laura Steinebach. Die junge Auszubildende stand staunend dabei und freute sich mit dem jungen Mann, der seine eigenen Grenzen für einen Augenblick überwand.

Es sind Geschichten und Erlebnisse wie diese, die Laura Steinebach im Alltag immer wieder darin bestärken, dass ihre Wahl die Richtige war. Als die junge Frau sie traf, befand sie sich mitten in der Ausbildung zur Zahntechnikerin. „Ich merkte damals, dass ich etwas anderes will“, sagt sie. Sie erinnerte sich an ihre Praktika in einer Pflegeeinrichtung und bei der Lebenshilfe und an das Berufsbild der Heilerziehungspflegerin. „Ich wollte helfen und unterstützen“, erzählt sie. Damals nahm sie Kontakt zu Hephata auf – die vor allem in Mönchengladbach, in Wuppertal und im Kreis Mettmann, aber auch in Remscheid Menschen mit Behinderung im Alltag unterstützt. 2019 hat an der Eich das Hephata-Regionalbüro eröffnet, ein paar Meter weiter entsteht am Schwanen ein Neubau, in dem auch Hephata-Wohngemeinschaften ein Zuhause finden sollen.

Beim Vorstellungsgespräch traf sie auf Andreas Morneau, Koordinator für Praxisqualifikation. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Bewerber aus anderen Bereichen bei uns vorstellig werden“, sagt er. Etwa ein Drittel der Bewerber würden aus anderen Berufszweigen in den sozialen Bereich wechseln. Die Bewerberzahlen sind trotzdem knapp. „Und die Corona-Pandemie hat es nicht leichter gemacht, Azubis zu finden“, sagt Morneau. Schließlich seien klassische Wege wie Praktika gar nicht möglich gewesen. Und auch Gespräche und Hospitationen waren zeitweise nicht denkbar. „Aber wir brauchen doch ein Feeling für die Menschen“, sagt Morneau.

Bei Laura Steinbach hatten die Verantwortlichen gleich ein gutes Gefühl – erst recht nach der Hospitation in einer Wohngruppe in Remscheid. Sie boten ihr einen Platz in der Praxisintegrierten Ausbildung an – mit zwei Tagen im Berufskolleg in Solingen, und drei Tagen in der Wohngruppe, später in einer Hephata-Einrichtung in Wuppertal. Ihre Aufgaben: „Ich unterstütze immer da, wo Klienten in ihrem Leben an ihre Grenzen geraten“, sagt sie. Mal sucht sie ein Angebot zum Bogenschießen für einen Klienten und begleitet ihn zum Kursus. Mal geht es um pflegerische Tätigkeiten. Im ersten Jahr der Ausbildung verdiente sie 1190 Euro. „Und ich fühlte mich ab dem ersten Tag wohl“, sagt sie. Erst recht, als ihre beste Freundin starb und sie selbst drohte, den Halt zu verlieren. „Das Team hat mir so viel Kraft gegeben“, sagt sie heute. Die Kollegen halfen ihr aus dem Kummer und sorgten dafür, dass sie den Anschluss an den Lernstoff wieder fand. „Heute bin ich Klassenbeste“, sagt sie. Sie sei immer auch selbst als Mensch vorgekommen in dieser Ausbildung, erzählt sie. „Ich war nie einfach der Azubi.“

Auch die Begegnungen mit den Klienten hinterließen ihre positive Spuren. „Das sind ganz andere Gespräche, weniger Oberflächlichkeit“, sagt Laura Steinebach. „Jeder Tag ist anders. Jeder Tag ist gut.“

In den nächsten Wochen beendet sie ihre Ausbildung. „Wir haben ihr schon ein Einstellungsversprechen gegeben“, sagt Andreas Willinghöfer, Regionalleiter für das Rheinisch-Bergische, Remscheid und Wuppertal. Hephata bilde für den eigenen Bedarf aus. „Aber wir wissen auch: Heilerziehungspfleger können sich ihre Stellen aussuchen. Sie haben allerbeste Chancen“, sagt Morneau.
Laura Steinebach will der Evangelischen Stiftung treu bleiben – wegen der guten Erfahrungen in der Ausbildung. Wenn im Februar 2023 das Gebäude am Schwanen fertig ist, könne sie sich gut vorstellen, dort zu arbeiten. Bis dahin finde sich sicher ein anderer Platz bei Hephata im Bergischen für sie. „Ich gehe sehr optimistisch in die Zukunft“, sagt Laura Steinebach, „auch dafür haben die Klienten, die Kollegen und die Ausbildung gesorgt.“

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