Überflutung in Viersen Unwetter trifft Dülken mit voller Wucht

Kreis Viersen · Land unter in der historischen Altstadt: Binnen weniger Minuten wurden Straßenzüge überschwemmt und Keller überflutet. Auch in anderen Kommunen musste die Wehr pumpen. Für die Niers galt Hochwasserstufe 1.

 Betroffen war auch die Buchhandlung Doetsch an der Moselstraße. Wasser drang ins Ladenlokal.

Betroffen war auch die Buchhandlung Doetsch an der Moselstraße. Wasser drang ins Ladenlokal.

Foto: Friederike Doetsch

Sturmtief Xero hat am Dienstagabend für zahlreiche überschwemmte Straßen und vollgelaufene Keller im Westkreis gesorgt. Besonders betroffen waren der Viersener Stadtteil Dülken und die Gemeinde Niederkrüchten. Die Feuerwehren waren mit Großaufgeboten vor Ort.

Mehr als 135 Einsätze arbeitete allein die Feuerwehr Viersen in der Nacht zum Mittwoch ab. „Gut drei Viertel der Einsätze in Viersen entfielen auf diesen Stadtteil“, erklärte Stadtsprecher Frank Schliffke. Der nach 19 Uhr einsetzende starke Regen hatte zu einem Rückstau im Ortskern von Dülken geführt; besonders betroffen war der Bereich um die St.-Cornelius-Kirche. An der Ecke Moselstraße/Lange Straße stand das Wasser in kurzer Zeit bis zu 90 Zentimeter hoch. Keller, aber auch Erdgeschosse, liefen voll. Die Feuerwehr Viersen alarmierte alle Kräfte der ehrenamtlichen Löschzüge zur Hilfeleistung.

„Es waren ganz unwirkliche Szenen“, schildert Friederike Doetsch. „Menschen wateten in Badehosen durch das Wasser, hatten ihre Kinder auf den Schultern.“ Bei der Buchhändlerin drang das Wasser in den tiefer gelegten Teil des Ladenlokals ein. Auch der Keller des Hauses lief voll. „Das Wasser hat die Ware beschädigt, die sich nahe dem Fußboden befand. Auch die schönen, rund 75 Jahre alten Holzregale wurden in Mitleidenschaft gezogen“, berichtet Doetsch. Bis 22.30 Uhr schöpfte sie mit ihrem Team das Wasser aus dem Geschäft. „Uns war wichtig, dass wir am Mittwoch wieder öffnen konnten.“

Wegen der Vielzahl der eingehenden Meldungen baute die Wehr eine örtliche Einsatzleitung auf.  „Viersener Wehrleute organisieren hier die Bearbeitung der wetterbedingten Einsatzlagen und entlasten die Kreisleitstelle, die sich auf andere Aufgaben konzentrieren kann“, erklärt Viersens Stadtsprecher. Die Stadt Viersen richtete einen Stab für außergewöhnliche Einsatzlagen ein.

 Die Polizei sperrte besonders betroffene Straßen ab. „Dennoch wurde die Arbeit der Feuerwehr durch Schaulustige behindert, die sich zudem selbst in Gefahr brachten“, berichtet der Stadtsprecher. Auch liegen gebliebene Autos versperrten den Einsatzkräften den Weg. Die Feuerwehr appelliert, in solchen Situationen zu Hause zu bleiben und Absperrungen zu beachten. So werde sichergestellt, dass Rettungs- und Hilfsdienste ungestört arbeiten können.

Vollgelaufene Keller meldeten neben vielen Privatleuten auch die Volksbank Viersen und das Impfzentrum des Kreises. „Die Lage konnte aber schnell wieder unter Kontrolle gebracht werden“, berichtet Kreis-Sprecherin Janine Martschinske. „Auf den Betrieb des Impfzentrums am Mittwoch hatte der Vorfall keine Auswirkungen – alle Impfungen konnten wie geplant stattfinden.“ In Dülken-Hausen musste ein Schweinezuchtbetrieb geschützt werden. Diese Aufgabe erledigte die Feuerwehr Schwalmtal.

Angesichts der großen Zahl von nahezu zeitgleichen Meldungen priorisierte die Feuerwehr die Einsätze. „Alle Meldungen werden dokumentiert und nach Dringlichkeit abgearbeitet“, erklärte der Stadtsprecher. Zur Einschätzung der jeweiligen Lage waren bis zu einem halben Dutzend Erkunder im Stadtgebiet unterwegs. Der größte Teil der Einsätze war bis 2.30 Uhr am Mittwochfrüh abgearbeitet. Gegen 4 Uhr erreichten die letzten der mehr als 100 ehrenamtlichen Kräfte wieder ihre Standorte. Weitere kleinere Folge-Einsätze erledigte die hauptamtliche Wache. Die Hauptamtler an der Gerberstraße hatten während der Gesamtlage stets den Grundschutz für das Stadtgebiet sichergestellt.

Neben dem Schwerpunkt Dülken gab es auch einzelne Einsätze in Alt-Viersen. So bedrohten Wassermassen an der Heimerstraße in Viersen einen Pferdehof. Dort wurde über mehrere Stunden gepumpt. Außerdem sicherten Sandsäcke die Anlage.

In Süchteln und Boisheim war die Feuerwehr nur zweimal aktiv. Als harmlos erwies sich dabei eine gemeldete Rauchentwicklung am Wildgehege in Süchteln. Dort kontrollierten die hauptamtliche Wache und zwei Löschfahrzeuge der freiwilligen Kräfte. Sie konnten kein Feuer entdecken.

Neben der Gesamtwehr Viersen waren die Wehren aus Schwalmtal und Willich sowie das THW Viersen im Einsatz. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sorgte für die Versorgung mit Getränken und einem kleinen Imbiss. 

Ab 21 Uhr war am Dienstagabend auch die Freiwillige Feuerwehr Niederkrüchten wegen der Unwetterlage im Dauereinsatz. „Die letzten Kräfte konnten ihre Arbeit erst gegen 2 Uhr in der Nacht beenden“, erklärte eine Sprecherin. Im Einsatz waren insgesamt 70 Kräfte aus allen drei Löschzügen, die 31 Einsatzstellen abzuarbeiten hatten.

Bei drei Einsatzstellen wurde jedoch massive Pumpenleistung benötigt. Am Sohlweg im Gewerbegebiet Dam lief von den umliegenden Feldern Wasser in einen Betrieb. Dort pumpten die Einsatzkräfte mithilfe von mehreren Feuerwehrfahrzeugen das Wasser in den Abwasserkanal.

In Dam standen ebenfalls mehrere Straßen voll mit Wasser. Auch dort wurde mit Pumpen das nachfließende Wasser von den Häusern weg und in den Kanal gepumpt. Auf Grund der Regenmassen hatte die Schwalm einen hohen Wasserstand; dadurch wurden die angrenzenden Entwässerungsgräben überflutet. Sprecherin Heike Ahlen: „Hier pumpte die Feuerwehr mit mehreren Pumpen das Wasser aus den Gräben in die Schwalm zurück und sicherte ein angrenzendes Haus.“

 Innerhalb weniger Minuten wurden ganze Straßenzüge in Dülken am Dienstagabend überflutet.

Innerhalb weniger Minuten wurden ganze Straßenzüge in Dülken am Dienstagabend überflutet.

Foto: Manfred Pohl

Noch am Mittwochmittag war Sotiras Gkovilas vom griechischen Restaurant „Hermes“ mit Aufräumarbeiten beschäftigt. „Das Wasser stand bis zu unseren Blumenkästen an unseren Fenstern“, berichtet er. „Wir haben bis 4 Uhr in der Nacht versucht, das Wasser rauszubekommen. Und seit heute früh versuche ich, alles wieder sauber zu kriegen.“ Wann er wieder öffnen kann, stehe noch nicht fest. „Es ist ganz viel kaputt gegangen“, sagt Gkovilas und greift wieder zum Hochdruckreiniger.

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