Geschichte der Adler-Apotheke in Solingen „Ich glaube, dass es im Haus sogar spukt“

Serie | Solingen · Die frühere Adler-Apotheke in Wald ist immer noch ein Juwel und war beim Verkauf bis unters Dach gefüllt. Die nach Burg ausgelagerte Einrichtung nahm beim Wupper-Hochwasser Schaden.

Xenia Balke-Kerr und ihr Mann Kevin erwarben das  Gebäude im Jahr 2005.

Xenia Balke-Kerr und ihr Mann Kevin erwarben das Gebäude im Jahr 2005.

Foto: Fred Lothar Melchior

Das Spannendste hebt Xenia Balke-Kerr sich für den Schluss auf. In ihrer Geschichte über die Adler-Apotheke im Walder Schlauch wird es auf der dritten Seite gespenstisch: „Ich glaube, dass es im Haus sogar spukt.“ Hans Mewes vom Walder Bürgerverein hat ihre Erfahrungen für den Band „Wir in Wald, Erinnerungen“ protokolliert. Und weil die Geschichte der Adler-Apotheke so interessant ist, findet sie sich gleich auf den ersten zehn Seiten des 2022 erschienenen Bands.

Das Ehepaar Balke-Kerr schreibt seit 2005 an der Geschichte des Hauses Stresemannstraße 8 mit. Da war die gebürtige Solingerin wieder seit einem Jahr im Land – zusammen mit ihrem amerikanischen Ehemann Kevin Kerr. Sie hatten sich 1997 auf Hawaii kennengelernt und später in Las Vegas geheiratet. Das Paar lebte in San Diego und Maine, bevor es eine Wohnung über dem Getaway bezog. Dann verloren sie ihr Herz an das Apothekengebäude – und steuern seitdem ihr eigenes Kapitel bei.

„It’s not very practical“, sagt Kevin Kerr – auch angesichts hoher Heizkosten – über das gut 300 Quadratmeter große Haus – sehr praktisch ist das wirklich nicht. Aber jeder Besucher sei beeindruckt. 3,20 Meter hoch sind nicht nur die Räume im Erdgeschoss, sondern auch die in der ersten Etage. Es habe viele Monate, „wahrscheinlich einige Jahre“ gedauert, das im 19. Jahrhundert entstandene Haus wieder herzurichten, erzählt der Porsche-Liebhaber. Gerade musste noch eine Stelle am Dach repariert werden. Nur eine von vielen Arbeiten, die auch mit Hilfe von Freunden erledigt wurden: „Ich habe noch einen steifen Hals, weil wir alle Fensterrahmen abgeschliffen und neu gestrichen haben“, berichtet Xenia Balke-Kerr.

Ihr Mann hat mit seinen Gemälden, Tiffany-Lampen und Verglasungen von Fenstern viel zum heutigen Ambiente des Apothekengebäudes beigetragen. „Ich mag den Jugendstil“, bekräftigt der auch als „Glass Man“ bekannte 74-Jährige, der Kunst, Architektur und Erziehungswissenschaften studiert hat. Das besonders farbenfrohe Glas, das er nach eigenen Entwürfen verarbeitet, lässt er extra aus Pennsylvania kommen.

In den Vitrinen neben der ­Eingangstür zeigen die Besitzer noch altes Inventar der Apotheke.

In den Vitrinen neben der ­Eingangstür zeigen die Besitzer noch altes Inventar der Apotheke.

Foto: Fred Lothar Melchior

Dabei muss das Haus Stresemannstraße 8 früher noch imposanter gewesen sein. Mit seinen Klingelleitungen zu den Gesinderäumen hatte es etwas von Downton Abbey. Die Apotheke war eine riesige Schatzkiste, als sie an die Stadt-Sparkasse überging. Die Schulden der Apotheker-Familie sollen hoch gewesen sein; ihre Besitztümer aber waren imposant. „Wir haben das komplette Inventar gekauft“, erzählt Auktionator Harro Steinmetz („Solinger Auktionshaus“), der 2003/2004 noch als Antiquar arbeitete. „Das war für uns ein ganz, ganz großes Abenteuer. Wir waren ein Jahr lang im Haus zugange. So etwas Vollgestopftes haben Sie noch nie erlebt. Die 14 Räume haben überall Schätze hergegeben.“

Auch in Form von Dokumenten. „Da kam die ganze Familiengeschichte zutage“, sagt Steinmetz. Über einiges solle man den Mantel des Schweigens breiten. Über anderes berichtet er gerne. „Es war für uns eine schöne Zeit, in der ich auch schon einmal im Haus übernachtet habe“, berichtet der Auktionator. „Selbst in den Schrägen der Speicher haben wir noch etwas gefunden.“ Vieles, etwa Meißener Porzellan, sei in mehreren Ausführungen vorhanden gewesen. „Wir hätten das Haus 20-mal einrichten können.“

Im Büro erinnern noch Behälter und Gefäße an die Arbeit der Apotheker.

Im Büro erinnern noch Behälter und Gefäße an die Arbeit der Apotheker.

Foto: Fred Lothar Melchior

Es reichte, um Interessenten aus Düsseldorf und Köln zu Besichtigungen einzuladen. Auch beim Walder Weihnachtsmarkt warb Steinmetz für die „Haushaltauflösung“. „Wir haben das Haus mehrfach für viele Menschen geöffnet. Am Ende waren es etwa tausend, die sich umgesehen haben. Es ist eine der schönsten Geschichten in meiner Laufbahn.“

„Wir haben bis zum letzten Tag, bevor wir das Haus besenrein übergeben haben, noch etwas gefunden“, blickt Steinmetz zurück. Hinter einem Schrank habe sich beispielsweise eine Tür verborgen. Sie gab den Weg frei zu Orden, Uniformen und anderen Relikten aus Kriegszeiten. Trotz der peniblen Inspektion blieb aber noch einiges übrig. Als Familie Balke-Kerr einzog, fand sie in Ecken und Winkeln noch Gegenstände aus der Apotheke, die jetzt in Vitrinen neben der Eingangstür und im Haus zu sehen sind.

An die für eine Apotheke typischen Schränke erinnert aber nur noch eine Kommode mit vielen Schubfächern. Die neuen Besitzer haben sie abgebeizt. Die großen, dunklen Apothekerschränke fanden eine Heimat im Rheinisch-Bergischen Apothekenmuseum auf Schloss Burg – aber nicht auf Dauer. Bei der Umgestaltung des Schlosses wurden sie nach Unterburg ausgelagert. Dort standen sie bei der Flut 2021 einen halben Meter im Wasser.

Sehr wahrscheinlich werde es keinen Wiederaufbau geben, erklärt Gregor Ahlmann, Direktor von Schloss Burg. Mona Lohrengel, die Leiterin der Unteren Denkmalbehörde, bedauert den Verlust: „Es wäre damals sicherlich wünschenswert gewesen, die Ausstattung komplett im Gebäude zu halten“, kommentiert die Architektin. „Allerdings ist es bekanntlich immer sehr schwer, ein Objekt nur museal zu nutzen. Da war es dann ein guter Kompromiss, die lose Ausstattung nach Schloss Burg zu geben und nur einige der Einbaumöbel an Ort und Stelle zu erhalten.“

Ob das Gespenst in der Apotheke ähnlich denkt, bleibt der Fantasie überlassen. Xenia Balke-Kerr („Wir hören es eigentlich immer“) hat jedenfalls früh ihren Frieden mit ihm gemacht: „Es war komisch. Ganz am Anfang huschte da jemand durch den Flur. Ich habe ihm gesagt: Benimm dich, dann kannst du bleiben.“ Dass sich das Ehepaar seinen Mitbewohner nicht einbildet hat und er (oder sie?) geblieben ist, wissen möglicherweise die Hunde ihrer erwachsenen Kinder am besten: Einer traut sich gar nicht ins Haus, der andere schaut im Wohnzimmer immer an eine bestimmte Stelle der Decke.

Xenia Balke-Kerr und ihr Mann wollen das Gebäude trotzdem nicht aufgeben. „Wir bleiben hier“, betont die 72-jährige Großhandelskauffrau. „Es ist sehr, sehr schön, im Walder Schlauch zu wohnen. Wir haben hier alles, was wir brauchen.“ Weitere Mitbewohner soll es aber nicht geben: Während das Ehepaar früher auch Räume vermietete, verbringt es jetzt gerne Zeit in seinem Wohnmobil – bei Touren von Schweden bis zu den Pyrenäen.

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