Finnen zu Gast in Wermelskirchen Schüler blicken beim Austausch über den Tellerrand
Wermelskirchen · Seit einer Woche gastieren 22 Schüler aus Finnland am Städtischen Gymnasium in Wermelskirchen. Die Siebtklässler sprechen fast alle fließend deutsch. Im April steht dann der Rückbesuch an – die Vorfreude ist schon jetzt groß.
Am Anfang gab es manchmal irritierte Blicke. Das Klassenbuch liegt in Papierform auf den Schreibtischen und nicht digital. „Und hier gibt es mittags gar kein warmes Essen in der Schule für alle“, sagt der zwölfjährige Viljami und erzählt dann von der Regelung in seiner finnischen Heimat, in der jeder Schüler mittags auf Staatskosten ein warmes Essen bekommt. Und die Schultage seien in Deutschland viel kürzer, hat Ella festgestellt – und sich darüber strahlend gefreut. Ein Mädchen kam in den ersten Tagen vom Besuch im Supermarkt ganz überrascht zurück: In Deutschland gebe es so viele verschiedene Süßigkeiten, stellte sie fest.
Inzwischen sind die 22 Jugendlichen aus der deutschen Schule in Helsinki seit einer Woche zu Gast in Wermelskirchen – am Dienstag geht es zurück in die Heimat. Und neben den kleinen „Kulturschocks haben die Jugendlichen vor allem neue Freunde gefunden. „Wir sind gar nicht so unterschiedlich“, meint der zwölfjährige Jonas und blickt zu seinem gleichaltrigen Gastschüler Eino. Beide sind froh, dass sie der unerwartete Schüleraustausch zusammengeführt hat. Eishockey, Basketball, Fußball: „Wir finden die gleichen Dinge gut“, sagt Jonas, „und ich glaube, wir können auch voneinander lernen.“
Damit bringt der Zwölfjährige aus Wermelskirchen den Wunsch der Lehrer am Gymnasium auf den Punkt: „Wir halten den interkulturellen Austausch für ganz wichtig“, sagt Irina Kaufmann, die gemeinsam mit Kollege Lukas Merten die neue Freundschaft mit der Schule aus Helsinki pflegt. Gerade in Zeiten wie diesen könne man so ein Stück zur Völkerverständigung beitragen. Und deswegen mussten die Wermelskirchener auch nicht lange überlegen, als die Anfrage der finnischen Schulleiterin – die übrigens aus dem Bergischen stammt – das Gymnasium erreichte. „Obwohl unsere Schüler sprachlich erstmal keinen großen Gewinn haben werden, glauben wir, dass diese Begegnung eine große Chance ist“, erklärt Irina Kaufmann.
Alle 22 finnischen Schüler sprechen nämlich fließend deutsch – nicht als Muttersprache, aber als Fremdsprache seit der ersten Klasse. „Das hätte ich nie erwartet, dass sie so gut deutsch sprechen können“, meint dann auch Jonas überrascht. Und weil sich die Lehrer der deutschen Schule in Finnland für ihre Schüler auch ein bisschen Spracherfahrung aus der Praxis wünschen, kommt ihnen der Besuch in Wermelskirchen entgegen. „Hier sind sie gezwungen, die Sprache auch anzuwenden“, sagt Lehrerin Ria Häkkinen. Fehlt mal ein Wort helfen sich die Jugendlichen mit englisch aus.
„Vielleicht erleben unsere Schüler auch noch mal einen Motivationsschub für den Fremdsprachenunterricht“, sagt Irina Kaufmann. Fest steht: Es sind erste Freundschaften entstanden. „Wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt“, sagen die 13-jährige Ella und die gleichaltrige Celine und deuten auf ihre Handys. Freunde in der ganzen Welt zu haben, sei einfach super.
In der gemeinsamen Woche hatten die Jugendlichen allerlei Gelegenheit, um sich kennenzulernen. Die Wermelskirchener Schulleitung hatte interessierte Familien gebeten, sich als Gasteltern zu bewerben: 60 Bewerbungen aus der sechsten und siebten Klasse für 22 Gastschüler gingen ein. „Es gibt also ein großes Interesse“, weiß Irina Kaufmann. Neben der Zeit in den Gastfamilien, machte sich die Gruppe auch gemeinsam auf den Weg – ins Schokoladenmuseum nach Köln, zur Stadtrallye in Wermelskirchen. Zum Abschluss am Montag arbeiteten die Kinder an gemeinsamen Projekten, um sie beim deutsch-finnischen Abend zum Abschied zu präsentieren – zu Themen wie Jugendsprache, Sehenswürdigkeiten oder Mobilität.
„Die deutschen Schüler werden sich in Helsinki sicher ein bisschen wundern, dass es gar keine Elterntaxis gibt“, sagt Lehrerin Ria Häkkinen und spielt dabei auf den Rückbesuch der Gymnasiasten in Finnland an. In der letzten Aprilwoche machen sich die jetzigen Gastgeberschüler gemeinsam mit den Lehrern Irina Kaufmann und Lukas Merten auf den Weg nach Helsinki. „Die Aufregung und Vorfreude ist schon riesig bei den Kindern“, sagt die Lehrerin. Sprachlich dürfte es für die deutschen Kinder eine größere Herausforderung werden.