Fußball Ein Wandervogel mit Klever Wurzeln

Kleve · Der aus Bocholt stammende Trainer ist ein Grenzgänger des Profi-Fußballs. Sein zweites Wohnzimmer ist die Wasserburg in Rindern.

 Peter Hyballa (rechts), damals Co-Trainer in Leverkusen, im Gespräch mit Emir Spahic.

Peter Hyballa (rechts), damals Co-Trainer in Leverkusen, im Gespräch mit Emir Spahic.

Foto: Bayer Leverkusen

Der Übungsleiter Peter Hyballa hat mit seinen 42 Jahren schon viel erlebt: Große Siege und bittere Rauswürfe, vielversprechende Nachwuchsmannschaften und leblose Kellerkinder. Das Trainerhandwerk lernte er bei Borussia und FC Bocholt, seine Karriere startete als Jugendtrainer bei Preußen Münster und Borussia Dortmund. Danach stand für den Deutsch-Niederländer der Weg in den Profifußball offen. Als Trainer bei Alemannia Aachen wurde er 2011 in größter Abstiegsnot entlassen; das gleiche Schicksal ereilte ihm nach einer sportlichen Talfahrt 2013 bei Sturm Graz. Auch als Co-Trainer bei Bayer Leverkusen und als Feuerwehrmann in Nimwegen war sein Engagement nur von kurzer Dauer. Der Buchautor und Trainerausbilder genießt dennoch weit über die Grenzen Deutschlands hinaus einen ausgezeichneten Ruf. Das neueste Projekt des Jugendtrainers von Mario Götze ist der slowakische Erstligist DAC Dunajska Streda.

Was verschlägt Sie nach einem siebenwöchigen Intermezzo als Trainerausbilder beim DFB in die Slowakei?

Peter Hyballa Die Arbeit beim DFB war interessant und eine passende Option nach 13 Monaten Arbeitslosigkeit. Aber wenn man 20 Jahre lang an erster Stelle in einem Verein stand, merkt man schnell, dass dieser Arbeitsplatz nicht passend ist. Ich bin ein Alphatier und mir war klar: Wenn ein passendes Angebot eines Vereins kommt, höre ich mir das an. An einem Tag meldeten sich dann drei Vereine. Einer aus der zweiten niederländischen Liga, einer aus Norwegen und eben Dunajska Streda.

Was gab den Ausschlag für das Abenteuer in Osteuropa?

Hyballa Die Möglichkeiten sind einfach sehr groß dort. Im Hintergrund steht ein potenter Geldgeber, das Trainingskomplex ist hochmodern und die Mannschaft sehr talentiert. Zudem ist das Stadion, das mit 10.000 Zuschauern fast immer ausverkauft ist, ein echtes Schmuckkästchen. Die zweite Liga in Holland kam für mich nicht in Frage. Ich war dann jeweils einen Tag in Norwegen und in der Slowakei und wusste sofort, was ich will.

Ambitioniert scheint der Klub zu sein – immerhin verstärkte er sich zuletzt mit Zsolt Kalmár von RB Leipzig. Wo soll es mit dem Verein hingehen?

Hyballa Wir haben in der Tat Großes vor. Unter meinem Vorgänger Marco Rossi, der nun ungarischer Nationaltrainer geworden ist, wurde das Team im vergangenen Jahr Dritter. Auch in dieser Saison wollen wir wieder zu den Besten der Liga gehören und uns für den europäischen Fußball qualifizieren.

Zwar kommen Sie gebürtig aus Bocholt, doch emotional sind Sie eng mit Kleve verbunden. Woher kommt dieser Bezug?

Hyballa Mit Kleve habe ich immer schon sehr viel zu tun gehabt. Die Stadt ist für mich weiterhin ein zentraler Ort. Das liegt vor allem an der Wasserburg Rindern, auf der ich als Kind mit meinen Eltern in den Ferien immer Seminare besucht habe. Während andere nach Mallorca flogen, zog es uns nach Kleve. Die Wasserburg wurde meine zweite Heimat, so viel Zeit habe ich dort verbracht. Viele Kompetenzen, die ich heute für meinen Beruf benötige, habe ich dort kennengelernt.

Welche meinen Sie?

Hyballa Alle meine pädagogischen Fähigkeiten, die als Trainer so wichtig sind, habe ich dort erlernt. Auch, weil ich später als Betreuer dort gearbeitet habe. Gleiches gilt für den Austausch im Team, das Sprechen vor einer Gruppe, der passende Einsatz von Kreativität und Emotionalität: Die Wasserburg hat mich maßgeblich geprägt.

Auch heute sind Sie noch regelmäßig in Kleve. Was führt Sie noch immer hierher?

Hyballa Als ich noch in Nimwegen gearbeitet habe, fuhr ich immer nach Kleve, um selber Sport zu treiben, da man mich hier kaum erkennt. Zudem treffe ich mich immer wieder mit Georg Kreß, dem sportlichen Leiter des 1. FC Kleve, um über Fußball zu fachsimpeln. Georg und ich leben Fußball und denken ähnlich. Wir sind beide ehrliche, emotionale Trainer. Außerdem hat er mich in meiner schweren Phase ohne einen Verein sehr unterstützt.

Schafft der 1. FC denn den Klassenerhalt in der Oberliga?

Hyballa Davon bin ich überzeugt. Kleve hat einen Sportchef mit viel Herz, einen Trainer mit viel Kompetenz und eine Mannschaft mit gutem Zusammenhalt. Ich freue mich auf das Derby gegen den FC Bocholt, der für mich an erster Stelle steht.

Zurück zu Ihrer Laufbahn als Trainer. Wie kommen denn Vereine aus Norwegen und der Slowakei auf Peter Hyballa?

Hyballa So doof es sich anhören mag: Ich genieße in Europa als Mannschafts-Entwickler einen klasse Ruf. Meine Erfolge als Trainer sind bekannt und meine Bücher in mehreren Ländern erschienen. Zudem ist die Fußballwelt eine kleine. Ich wollte gerne nach Deutschland, England oder in die Niederlande. Nun ist es die Slowakei geworden, ein super spannendes Projekt.

Als Analyst im niederländischen Fernsehen sagten Sie einmal: „Empathie vor Laptop“. Was meinen Sie damit?

Hyballa Wir haben in den vergangenen Jahren eine Akademisierung des Trainerberufs erlebt. Alle Trainer haben einen guten taktischen Plan. Dabei kommt es eigentlich darauf an, ob die Mannschaft bereit ist, für dich durchs Feuer zu gehen. Daher muss der Mensch bei mir im Vordergrund stehen. Außerdem haben wir zu viele gleiche Trainertypen, die die selbe Philosophie vorleben. Daraus ist eine Schwäche des deutschen Fußballs entstanden.

Inwiefern?

Hyballa Wir sind taktisch immer bestens aufgestellt. Dabei fehlt es unseren Mannschaften häufig an der Körperlichkeit. Da haben die Engländer und Franzosen viel aufgeholt. Zudem passen sich die Spieler bei uns häufig zu sehr dem System an. Daher sehen wir in der Bundesliga auch kaum mehr Dribblings oder Distanzschüsse.

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