Jubiläum in Kamp-Lintfort Vor 25 Jahren ging der Asdonkshof in Betrieb

Interview · Am 15. Februar 1997 begann das Herz des Asdonkshofes zu schlagen, als die Müllöfen den Probebetrieb aufnahmen. Am 11. Juni ist ein Jubiläums-Open-air-Konzert geplant. Der Grafschafter sprach mit Geschäftsführer Peter Bollig und Pressesprecherin Cornelia Bothen.

 Im Jubiläumsjahr laufen auf dem Areal des Asdonkshof mehrere Projekte, um den Standort für die nächsten 25 Jahre fit zu machen.

Im Jubiläumsjahr laufen auf dem Areal des Asdonkshof mehrere Projekte, um den Standort für die nächsten 25 Jahre fit zu machen.

Foto: Norbert Prümen

Die Müllverbrennungsanlage Asdonkshof war umstritten, als im April 1994 ihr Bau begann. Es gab Initiativen, die verhindert wollten, dass an der Grenze von Kamp-Lintfort, Rheinberg und Moers jemals der Betrieb startet. Doch am 15. Februar 1997 begann es, in den beiden Müllofen zu lodern. Seitdem brennt es fast 25 Jahre, abgesehen von wenigen Wochen im Jahr, die für Wartung und Inspektion der Öfen gebraucht werden.

Peter Bollig Ich bin seit 2002 beim AEZ Asdonkshof, im Jubiläumsjahr 20 Jahre. Ich habe noch die Zeit erlebt, als die Anlage umstritten war. Ich kann mich zum Beispiel an ein Plakat in dem Büro einer Kreistagsfraktion erinnern, auf dem die MVA des AEZ Asdonkshof durchgestrichen war. Später gab es sogar eine „Streichliste“ einer Landesregierung, auf der der Standort Asdonkshof öffentlich in Frage gestellt wurde.

 Peter Bollig ist Geschäftsführer der Kreis Weseler Abfallgesellschaft.

Peter Bollig ist Geschäftsführer der Kreis Weseler Abfallgesellschaft.

Foto: Norbert Prümen

Zur Schließung wegen Müllmangels ist es nicht gekommen . . .

Bollig (schmunzelt) Das Feuer ist bei uns noch nie aufgrund von Abfallmangel ausgegangen. Alle Behandlungsanlagen waren immer voll ausgelastet. 2021 haben wir gut 270.000 Tonnen verbrannt und weitere 100.000 Tonnen Abfall behandelt, zum Beispiel in der Kompostanlage oder Sortieranlage. Dazu gehört natürlich auch die Auslastung der Anlagen mit Gewerbeabfällen zu marktkonformen Preisen. Vor dem Bau wurde damals ein Abfallwirtschaftskonzept erstellt, das vier Säulen hat. Eine Säule ist die thermische Behandlung in zwei Müllöfen, sozusagen das Doppelherz der Anlage. Die zweite Säule ist die biologische Behandlung, also die Kompostierung. Die dritte Säule ist die stoffliche Behandlung, zum Beispiel um Eisen und Nicht-Eisen-Metalle aus der Schlacke zu holen oder Sperrmüll zu sortieren. Die vierte ist die Deponierung, zum Beispiel von den 70.000 Tonnen Schlacke, die jährlich bei der Verbrennung anfallen, wenn sie nicht verwertet werden. Alle vier Säulen stehen an einem Ort, der gut an Autobahn und Schienennetz angebunden ist. Dieses Konzept hat sich als zukunftsweisend erwiesen. Weil Planung und Bau kritisch begleitet wurden, wurde die Anlage aufwändig gebaut. Der Zustand nach 25 Jahren ist deshalb noch sehr gut. Die Rauchgasanlage reinigt die Abgase stärker als dies gesetzlich notwendig wäre. Seit 25 Jahren gab es keine nennenswerten Störungen an der Anlage. Das ist vor allem den Mitarbeitern zu verdanken. Das alles hat Vertrauen in der Bevölkerung geschaffen, wie auch in der Politik. Dieses Vertrauen ist für uns sehr wichtig. Dem wollen wir auch weiter gerecht werden.

Der aufwändige Bau und die Rauchgasanlage haben das Abfallentsorgungszentrum teuer werden lassen. Es kostete 700 Millionen Deutsche Mark, die 350 Millionen Euro entsprochen hätten. So waren die Verbrennungskosten hoch, und einige Kommunen im Kreis Wesel lagen im oberen Drittel, wenn der Bund der Steuerzahler jedes Jahr Statistiken präsentierte, in denen Abfallgebühren verglichen wurden.

Bollig Seit Ende 2020 ist die Anlage abgeschrieben. So konnten wir den Preis nahezu halbieren, den wir dem Kreis für die Verbrennung von je 1000 Kilogramm Abfall in Rechnung stellen. Viele Städte und Gemeinden konnten die Gebühr für die Restabfalltonnen um rund ein Drittel senken. In die Gebühr geht zum Beispiel auch das Entleeren der Tonnen und der Transport der Abfälle zum Asdonkshof ein.

Dabei ist die Müllmenge nahezu konstant geblieben.

Cornelia Bothen Bei Führungen tippen die Besucher immer, die Menge an Restabfall sei rückläufig, weil heute ein anderes Umweltbewusstsein herrscht. Der Abfall werde besser getrennt, Papier und Glas würde gesammelt, wie Bioabfall und die Verpackungen mit grünem Punkt. Das ist auch so. Aber der Gesamtabfall pro Person ist gestiegen. So war die Menge an Restabfall in den letzten 25 Jahren nahezu konstant. Zunächst war sie bis 2019 ganz leicht rückläufig. Seit 2020 ist sie wieder leicht steigend. Daran ist die Covid-19-Pandemie sicher nicht ganz unschuldig, weil viele die freie Zeit nutzen, um Keller und Garagen zu entrümpeln.

Gestiegen ist die Menge der kompostierbaren Abfälle.

Bollig Deshalb bauen wird gemeinsam mit dem Kreis Viersen eine neue Anlage für den Bioabfall. Der Bau hat im November 2021 begonnen. Anfang 2024 soll die deutlich größere Anlage in Betrieb gehen. Eine Fraktion des Bioabfalls, rund ein Drittel, wird dann getrennt. Diese Fraktion enthält zum Beispiel Küchenabfälle oder Rasenschnitt. Sie wird in einem Fermenter trocken vergoren. Dabei entsteht Biogas, das über ein Blockheizkraftwerk Strom und Wärme erzeugt. Die andere Fraktion, rund zwei Drittel, wird in Rottetunneln kompostiert, wie auch die Gärreste, die von der ersten Fraktion übrigbleiben. Insgesamt ist die Anlage auf rund 68.000 Tonnen im Jahr ausgelegt. Ihr Bau kostet mehr als 30 Millionen Euro. Verantwortlich dafür ist der Bioabfallverband Niederrhein (BAVN), ein Zweckverband der Kreise Viersen und Wesel. Betreiber wird die KWA Regio sein.

Parallel zum Bau gehen im Jubiläumsjahr die Überlegungen weiter, eine Anlage zu bauen, um aus Klärschlamm Phosphat zurückgewinnen zu können.

Bollig Phosphat ist zum Beispiel in Waschmitteln enthalten, für das Pflanzenwachstum unerlässlich und als Rohstoff endlich. Bislang trocknen wir Klärschlamm, den wir insbesondere von der Linksniederrheinischen Entwässerungsgenossenschaft erhalten. Anschließend verbrennen wir diesen in unseren beiden Müllöfen. Wenn wir das Phosphat aus der Asche zurückgewinnen wollen, müssen wir den Klärschlamm in einer neuen, separaten Anlage verbrennen. Ein Bau einer eigenen Klärschlammverbrennungslinie ist dann sinnvoll, wenn sie eine gewisse wirtschaftliche Größe hat, das heißt auch andere Klärschlämme aus der Region, wie zum Beispiel vom Niersverband oder aus Duisburg, behandelt würden. Wir haben auch schon entsprechende Gespräche geführt. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass spätestens ab 2029 Phosphor aus Klärschlamm zurückgewonnen werden muss.

2018 hat das AEZ Asdonkshof die DNK-Zertifizierung für Nachhaltigkeit erhalten.

Bothen DNK steht für Deutscher Nachhaltigkeits-Kodex. Bewertet werden drei Bereiche: Ökologie, Ökonomie und Soziologie, also die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter. Wir unternehmen diesbezüglich eine ganze Menge. Von 2018 bis 2021 haben wir zum Beispiel die Beleuchtung auf LED-Technik umgestellt. Wir konnten den Stromverbrauch für Licht um fast die Hälfte reduzieren. Es sind fast 600 Megawattstunden im Jahr weniger. Das entspricht dem Stromverbrauch von über 200 Haushalten. Gleichzeitig erfüllen wir die Anforderungen der Sicherheitsbeleuchtung, die es in einem Industriebetrieb gibt. Zum Beispiel muss in einem Treppenhaus mit Hilfe von Bewegungsmeldern automatisch das Licht brennen, wenn es jemand betritt, ohne erst einen Lichtschalter suchen zu müssen.
Bollig Das AEZ Asdonkshof verbrennt nicht nur Abfall, sondern erzeugt auch Strom und Fernwärme. Die Fernwärme fließt in die Fernwärmenetze von Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn. Es gibt aber auch Überlegungen, Fernwärme in die Rheinberger Innenstadt zu legen. Die Leitung könnte entlang unserer Bahntrasse gebaut werden, die vom Rheinberger Bahnhof zum Asdonkshof führt. Die Einnahmen aus Fernwärme und Strom kommen den Gebührenzahlern zugute. Wir produzieren rund 100.000 Megawattstunden Strom im Jahr und rund 100.000 Megawattstunden Fernwärme. Das entspricht etwa einem Zehntel der Leistung, das früher das Kohlekraftwerk in Voerde hatte.

Die Jubiläumsfeier ist für den 11. Juni geplant.

Bothen Es gibt ein Konzert, wie beim 20. Geburtstag. Das kam damals sehr gut an. Es heißt „Rock am Asdonkshof II“. Es spielen drei Bands. Headliner ist „Zauberlehrling“ aus Rheinberg. Mit einer zweiten Band stehen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss. Außerdem soll eine dritte Band spielen, für die wir noch Bewerber suchen. Die Anfangszeit haben wir noch nicht festgelegt. Möglicherweise geht es um 17 Uhr los. Es ist eine Außenveranstaltung. Durch Covid-Vorgaben könnte die Besucherzahl begrenzt sein. Da wir durch unsere Bauprojekte zurzeit nur wenige Stellplätze haben, wollen wir einen Shuttle-Service anbieten, einmal von Kamp-Lintfort aus und einmal von Rheinberg. Besucher mit dem Fahrrad haben den Vorteil, dass sie uns direkt erreichen können. Auch unsere 200 Mitarbeiter haben etwas von einem Konzert, anders als von einem Tag der offenen Tür. An einem solchen Tag sind rund 120 von ihnen selber im Einsatz. Nur so können wir die hohen Sicherheitsstandards einhalten, da die Anlage eine 24/7-Anlage ist, also 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche rund um die Uhr läuft. In zwei Jahren werden wir dann wieder einen Familientag organisieren, an dem wir dann auch unsere Anlagen vorstellen werden, sicher auch das neue Kompostwerk.

Wenn am 11. Juni das Jubiläum gefeiert wird, gibt es dann auch schon „grünen“ Wasserstoff am Asdonkshof?

Bollig Das ist leider nicht der Fall. Wir prüfen zurzeit die technische und wirtschaftliche Machbarkeit für die Herstellung von Wasserstoff für Brennstoffantriebe, gegebenenfalls auch den Betrieb einer H“-Tankstelle an unserem Standort. Mit dem Wasserstoff könnten zum Beispiel entsprechende Müllsammelfahrzeuge der Kommunen oder Busse des ÖPNV betankt werden. Eine Anlage ist nur sinnvoll, wenn es genügend Brennstoffbedarf, das heißt Fahrzeuge, geben wird. Wir haben erste Gespräche geführt. Es gibt durchaus Interesse, auch von Seiten der Politik. Von der Europäischen Union ist noch nicht klar festgelegt, ob Wasserstoff aus der thermischen Behandlung von Abfällen als „grüner“ Wasserstoff zählt oder nicht. „Grüner“ Wasserstoff gilt als klimafreundlich. Nur so wäre er auch für den Einsatz in Fahrzeugen mit Brennstoffzellen wirklich nachhaltig.

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