Streetworker in Kamp-Lintfort Sie sind für Kinder und Jugendliche da

Interview | Kamp-Lintfort · Die Corona-Pandemie hat auch die Arbeit der Streetworker in Kamp-Lintfort verändert und erschwert. Ralf Müller, Michelle Zupancic und Sozialarbeitsstudentin Gjyljeta Macani erklären, warum Kinder und Jugendliche dringend Unterstützung benötigen.

 Die Streetworker Michelle Zupancic, Ralf Müller und Gjyljeta Macani gehen regelmäßig zu den Orten, an denen sich junge Leute treffen.

Die Streetworker Michelle Zupancic, Ralf Müller und Gjyljeta Macani gehen regelmäßig zu den Orten, an denen sich junge Leute treffen.

Foto: Norbert Prümen

Drei Streetworker kümmern sich derzeit in Kamp-Lintfort um Jugendliche, die sich bisher mehr oder weniger regelmäßig an verschiedenen Orten in der Stadt getroffen haben: Der 51-jährige Sozialwissenschaftler und Familienberater Ralf Müller, die 26-jährige Kindheitspädagogin Michelle Zupancic und die 18-jährige Sozialarbeitsstudentin Gjyljeta Macani. Die RP sprach mit ihnen darüber, ob und wenn ja, in welcher Weise sich ihre Arbeit seit Beginn der Corona-Epedemie verändert hat.

Herr Müller, können Sie unseren Lesern vielleicht zu Beginn kurz erklären, was ein Streetworker ist und was er macht?

Ralf Müller Wir pflegen im Auftrag des städischen Jugendamtes Kontakt zu Jugendlichen, die sich außerhalb der vorhandenen städtischen, kirchlichen oder sozialen Jugendeinrichtungen sporadisch oder auch regelmäßig an öffentlichen Orten in der Stadt treffen, hören uns ihre Sorgen und Wünsche an und suchen, wenn es zu Konflikten kommt, nach praktikablen Lösungen für möglichst alle jeweils beteiligten Parteien.

Wie lange gibt es dieses städtische Streetworker-Angebot schon?

Müller Ich selber bin seit 1999 dabei.

Wahrscheinlich hat sich in Ihrer Arbeit seither einiges verändert…

Müller Ja, in der Tat. Damals gab es für die Jugendlichen hier so gut wie überhaupt keine Freizeitangebote. Inzwischen wurde hier jedoch viel Neues gemacht.

Dennoch werden diese Neuerungen nicht von allen Kamp-Lintforter Jugendlichen entsprechend wahrgenommen.

Michelle Zupancic Ja. Aber dazu besteht ja auch keine Verpflichtung. Sich irgendwo im Freien zu treffen, ist für niemanden verboten. Auch nicht für Jugendliche.

Stimmt. Aber seit Corona ist das anders. Wie haben sich denn die seit März 2020 mehr oder weniger streng reglementierten Kontaktverbote auf die jugendlichen Treffpunkte in der Stadt ausgewirkt?

Müller ...Auf unsere Arbeit leider gleich mehrfach negativ. Die meisten bisher unorganisierten Jugendtreffs, für die wir ja zuständig sind, haben sich aufgrund dieser Regelungen inzwischen in den privaten Bereich, also in für uns nicht zugängliche Wohnungen verlegt. Das erschwert natürlich vor allem den Zugang zu jenen Jugendlichen, die aus welchen Gründen auch immer vielleicht Hilfe brauchen. Dazu kam die Schließung der Schulen. Plötzlich gab es für viele junge Leute kaum noch Möglichkeiten, auch nur für kurze Zeit aus ihren vielleicht schon vorher konfliktbeladenen familiären Verhältnissen zu fliehen. Auch der sonst so wichtige persönliche Kontakt zu gleichaltrigen Freunden war nur noch übers Internet möglich.
Zupancic Das hatten aber nicht alle zur Verfügung.
Müller Genau. Deswegen war die anfängliche Idee, unsere Arbeit in der nächsten Zeit weitgehend virtuell abzuwickeln, auch nicht sonderlich erfolgreich. Unsere bisherige Erfahrung ist, soziale Beratungsangebote für Jugendliche per Internet über längere Zeit aufrecht zu erhalten, ist sehr, sehr schwierig. Unsere Arbeit beschäftigt sich mit Menschen und lebt von zwischenmenschlichen Kontakten.
Zupancic Dazu kam auch noch, dass alle bisherigen alternativen Treffmöglichkeiten plötzlich nicht mehr zur Verfügung standen.

Müller Dazu sollte man wissen, dass es sich bei diesen sich frei treffenden Gruppen nicht immer nur um soziale Randgruppen handelt. Das sind unter anderem auch Schüler, die nach dem Unterricht nicht gleich nach Hause gehen und sich anschließend vielleicht noch ein wenig miteinander austauschen möchten.
Zupancic Nach den ersten recht gelockerten Corona-Schutzverordnungen im letzten Sommer waren wir noch recht hoffnungsvoll, unsere Arbeit mit den Kamp-Lintforter Jugendlichen da draußen wieder direkt aufnehmen zu können, aber im Monent sieht es dafür wieder mal ganz schlecht aus.

Inwiefern?

Müller Ja, das stimmt. Nachdem wir mit unserer langjährigen Jugendarbeit hier in Kamp-Lintfort wirklich schon eine Menge bewegt haben, wissen wir im Moment nicht mehr genau, wie es angesichts der derzeitigen Corona-Lage damit weitergehen wird.

Was wünschen Sie sich denn, wenn alles vorbei ist, für die nähere Zukunft?

Zupancic Ich wünsche mir nicht nur in dieser Zeit mehr räumliche Treffmöglichkeiten für die Kamp-Lintforter Jugendlichen, sondern auch mehr Kooperationsveranstaltungen, Ausflüge und andere spontane Aktivitäten, die wir mit ihnen in Zukunft unternehmen können.
Gjyljeta Macani Ich bin zwar erst im ersten Semester meines Sozialarbeitsstudiums, würde aber zukünftig gerne dazu beitragen, unsere unterschiedlichen Kulturen zusammenzubringen, da ich selbst albanische Wurzeln habe, und mir dieses Thema am Herzen liegt.

Und Sie, Herr Müller? Was wünschen Sie sich?

Müller Ich habe eigentlich nur zwei Wünsche: Erstens, dass sich alle Jugendlichen impfen lassen, und zweitens, dass unsere Politiker erkennen, dass nicht nur ihre Generationsvertreter, sondern auch Jugendliche unter der Corona-Krise zu leiden haben.
Zupancic Ja genau. Für viele junge Leute fallen die Corona-Beschränkungen der letzten Monate in eine Zeit, in der sie sich selber finden und dabei nicht von ihren gleichaltrigen Freunden isoliert sein sollten.

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