Coronakrise und Leiharbeiter Quarantäne, aber Kreis kontrolliert nicht

Emmerich/Goch/Kleve/Kranenburg · Damit hat in der Coronakrise wohl niemand gerechnet. Der Klever Landrat will das Gesundheitsamt nicht in Sammelunterkünfte der Leiharbeiter schicken. Derweil ist ein Haus in Emmerich unter Quarantäne gestellt worden.

 Blick auf die Unterkunft in Emmerich-Praest. Zwei Leiharbeiter sind erkrankt, alle in der Sammelunterkunft sind in Quarantäne.

Blick auf die Unterkunft in Emmerich-Praest. Zwei Leiharbeiter sind erkrankt, alle in der Sammelunterkunft sind in Quarantäne.

Foto: Christian Hagemann

Eigentlich müssten die Behörden freie Bahn haben, um gegen die Machenschaften der Leiharbeitsfirmen vorzugehen. NRW-Gesundheitsminister Laumann hat in der vergangenen Woche per Erlass die Landräte ermächtigt, in die Unterkünfte zu gehen und Leiharbeiter zu testen. Und zwar solche, die über Leiharbeitsfirmen beschäftigt sind, die sie täglich in die Niederlande zu den dortigen Schlachhöfen fahren.

Wohnen tun diese Menschen, die überwiegend aus Rumänien oder Bulgarien stammen, in Sammelunterkünften an der Grenze. In Emmerich gibt es davon 40 Stück. In Kranenburg sind es 26. Mehr als 20 zählt die Stadt Goch. In Kleve scheint die Zahl noch nicht ganz klar zu sein.

Doch der Kreis Kleve wird sein Gesundheitsamt nicht in die Unterkünfte schicken. Emmerichs Bürgermeister am Dienstag: „Nach einem Telefonat mit Landrat Spreen heute ist klar, dass er es ablehnt, in den Unterkünften zu kontrollieren.“

 Landrat Wolfgang Spreen will eine exakte Liste der Unterkünfte und Firmen. Vorher will er sein Gesundheitsamt die Leiharbeiter nicht testen lassen.

Landrat Wolfgang Spreen will eine exakte Liste der Unterkünfte und Firmen. Vorher will er sein Gesundheitsamt die Leiharbeiter nicht testen lassen.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Die Begründung: Der Landrat habe eine Liste aller Leiharbeiter-Unterkünfte in Emmerich angefordert. Die kann ihm die Kommune ohne Probleme liefern. Hat sie auch gemacht. Doch der Landrat will zudem wissen, in welchen Betrieben in den Niederlanden die Leiharbeiter arbeiten, die dort wohnen. Der Hinweis alleine, dass die Menschen in der Fleischindustrie arbeiten, reiche Spree nicht, so Hinze.

Diese Rechtsauffassung sorgt dafür, dass bislang der Erlass von NRW-Gesundheitsminister Laumann nicht umgesetzt wird. Der hatte bekanntlich die Gesundheitsämter ermächtigt, aufgrund des Seuchenschutzgesetzes in die Unterkünfte zu gehen und die Leute dort zu testen.

Sie sind bislang nämlich durchs Raster gefallen. Sie leben zwar in Emmerich, Kleve, Goch oder Kranenburg. Zudem gibt es zwei Unterkünfte in Rees. Aber sie arbeiten in den Niederlanden in den Schlachthöfen. Und dort wurden bislang keine Corona-Tests durchgeführt.

 Eine Nachricht, die für die Richtigkeit von Laumanns Initiative spricht: In der Sammelunterkunft für Leiharbeiter in Praest an der B 8 sind zwei Menschen an Covid-19 erkrankt. Die Menschen, die dort wohnen, sind allesamt unter Quarantäne gestellt worden. Genau diese Unterkunft hatte in der vergangenen Woche noch ein Team des ZDF-„Heute Journal“ gefilmt, das nach Emmerich gekommen war. Der Grund war ein Brandbrief von Bürgermeister Peter Hinze, den dieser an NRW-Gesundheitsminister Laumann geschrieben hatte.

Laumann war bereits zuvor alarmiert gewesen, weil in einem Schlachthof in Coesfeld ein Großteil der Leiharbeiter-Belegschaft positiv getestet worden war. Der Kreis Coesfeld ging danach in den Lockdown zurück.

Laumann kündigte an, eine Null-Toleranz-Politik gegen die Fleischindustrie zu fahren. Es ging um Corona. Aber nicht nur. Auch um die Ausbeutung, die seit Jahren beklagt wird. Laumann schmiedete ein scharfes Schwert. Weil nun das Infektionsschutzgesetz greift, sollten die Kreise ihre Gesundheitsämter in die Sammelunterkünfte schicken und gleich auch die Bauämter und den Arbeitsschutz der betroffenen Städte mitnehmen. Zuvor wäre eine solche Untersuchung nicht möglich gewesen, weil es sich um Wohnraum handelt, der privat angemietet worden ist. Und da dürfen die Behörden nicht ohne Anlass hinein.

Doch seit Dienstag stellt sich die Frage: Ist das Schwert nicht scharf genug? Oder ist es vielleicht nicht scharf genug für Landrat Spreen?

Dieser hat die Stadt Emmerich und die anderen betroffenen Kommunen im Kreis Kleve aufgefordert, eine Liste mit den Adressen anzufertigen und zuzuschicken. Priorisiert nach Risiko. Und er  hat einen juristischen Einwand. Was ist, wenn in einer Sammelunterkunft auch Menschen angetroffen werden, die nicht in der Fleischindustrie arbeiten? Gilt dann noch das Infektionsschutzgesetz? Das beziehe sich ja ausdrücklich auf die Branche und die Leiharbeiter, die in den Niederlanden arbeiten.

Die Kreis Klever SPD hat am Montag erklärt, der Landrat betreibe „Arbeitsverweigerung“. Der Landrat sieht es anders. Er findet, die Kommunen müssten handeln, nicht der Kreis. „Das sieht kein einziger Landrat in NRW so“, sagt ein Insider.

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