Mehr als 20 Kraftwerke sollen in diesem Jahr vom Netz Union: Laufzeiten wegen Ukraine-Krieg verlängern

Düsseldorf · In diesem Jahr sollen mehr als 20 Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz. Der CDU-Wirtschaftsrat fordert: So lange Putin Krieg gegen die Ukraine führt, soll der Bund jede Abschaltung prüfen. Das EU-Parlament will, dass dem Kohle- rasch ein Gas-Embargo folgt.

Eons Atomkraftwerk Isar 2 soll Ende des Jahres vom Netz.

Eons Atomkraftwerk Isar 2 soll Ende des Jahres vom Netz.

Foto: dpa/Armin Weigel

Das Kohle-Embargo der EU gegen Russland reicht vielen nicht. Eine Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament hat nun einen sofortigen Lieferstopp von Kohle, Öl und Gas aus Russland gefordert. Zudem verlangen die Parlamentarier, dass die Pipelines Nord Stream 1 und 2 vollständig aufgegeben werden. Auch die Ukraine hält das Kohle-Embargo für zu schwach, zumal es erst in einigen Monaten richtig greifen soll. „Wir pochen auf ein vollständiges Öl- und Gas-Embargo gegen Russland“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Damit wächst der Druck auf Deutschland, seine Energieversorgung anders zu sichern.

In diesem Zusammenhang fordert der Wirtschaftsrat der CDU nun, die für dieses Jahr geplanten Kraftwerksschließungen zu verschieben. „Eine verantwortungsvolle, nachhaltige Energiepolitik zieht kurz-, mittel- und langfristig die richtigen Schlüsse aus der Ukraine-Krise, damit daraus keine deutsche Energiekrise wird“, sagte Wolgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, unserer Redaktion. „Ich fordere ein klares Signal der Bundesregierung an alle Energieversorgungs-unternehmen in Deutschland: Solange der Krieg Putins gegen die Ukraine anhält, ist jeder Abschaltplan eines einzelnen Kraftwerkes – egal auf welcher Energiebasis – nochmals zu überprüfen.“ Und es sind nicht wenige Kraftwerke, die in den nächsten Monaten im Zuge des zwischen Politik und Wirtschaft vereinbarten Ausstiegs aus Atomkraft und Kohle eigentlich abgeschaltet werden sollen: „Es geht um mehr als 20 Kraftwerke, die in diesem Jahr vom Netz genommen werden sollen. Sie alle halten uns heute unabhängiger von russischem Gas. Aber wie lange noch?“, fragt Steiger.

Auf der Abschaltliste stehen drei Atomkraftwerke: Isar 2 (Eon), Emsland (RWE) und Neckarwestheim (EnBW). Die Union, die nach dem Unglück von Fukushima den Atomausstieg durchgesetzt hatte, dringt seit dem Ukraine-Krieg darauf, dass die Laufzeiten wieder verlängert werden. Doch die drei Atomkonzerne winken ab. Sie sind froh, dass sie die Verantwortung für die Endlagerung des Atommülls los sind. Sie verweisen darauf, dass sie keine frischen Brennstäbe mehr haben, das Uran dazu vor allem aus Russland kommt und langwierige Sicherheitsprüfungen nötig wären.

Auf der Abschaltliste stehen aber auch viele Stein- und Braunkohlekraftwerke. Allein im Rheinischen Revier betrifft das in diesem Jahr drei Braunkohle-Blöcke: Neurath A wurde zum 1. April stillgelegt, die Blöcke D und E sollen folgen. RWE hat aber bereits angekündigt, dass man Block A konservieren werde, um nach einer Entscheidung der Bundesregierung im Notfall zur Versorgungssicherheit beizutragen.

Auf der Liste stehen auch zwei Kohlekraftwerke von NRW-Konzernen: von Henkel in Düsseldorf und von Evonik in Marl. Henkel will bei seinem Kraftwerk (das mit Kraft-Wärme-Koppelung arbeitet und 80.000 Einwohner versorgen könnte) eigentlich Ende Oktober von Kohle auf Gas umsteigen. Doch beim Gas ist Deutschland besonders stark abhängig von Russland. „Wir halten weiter an unserem Nachhaltigkeitsziel fest, bereiten uns aber dennoch für den Notfall auf den weiteren Einsatz der Steinkohlenutzung vor“, hatte eine Henkel-Sprecher unlängst erklärt. Doch dafür muss der Bund noch grünes Licht geben. CDU-Wirtschaftsrat-Chef Steiger fordert daher: „Der Bund muss für den Weiterbetrieb auch die notwendigen finanziellen wie rechtlichen Voraussetzungen schaffen.“

Steiger betonte weiter: „Alle Vereinbarungen aus dem Ampel-Koalitionsvertrag wie auch der vorherigen Großen Koalition, die die Abschaltung von Kraftwerken beinhalten, sind durch die erschreckende Realität eingeholt worden. Die Unternehmen und Millionen Beschäftigte brauchen deshalb ein Umsteuern der Politik." Er begrüßte die Pläne, den Ausbau beim Flüssiggas (LNG) zu fördern. „Es ist richtig, dass Herr Habeck nach Katar gereist ist. Aber LNG-Lieferungen von dort als teilweiser Ersatz werden erst mittelfristig helfen, die Versorgungssicherheit und stabile Energiekosten in Deutschland zu gewährleisten.“ Zudem besitze Deutschland noch keine LNG-Terminals. Kurzfristig müsse „die Bundesregierung andere Signale aussenden“, so der Wirtschaftsrat – nämlich die Verlängerung der Laufzeiten.

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