Habeck stellt „Osterpaket“ vor Windräder und Solardächer sind nun von überragendem Interesse

Berlin · Mehr als 500 Seiten umfasst das neue Gesetzespaket, mit dem Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen will. Ausbauraten sollen gesteigert, neue Flächen erschlossen und die Kommunen stärker beteiligt werden. Das Kabinett gab schon grünes Licht, nun kommt es auf die Parlamentarier an.

 Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte am Mittwoch sein Hunderte Seiten starkes „Osterpaket“ vor.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte am Mittwoch sein Hunderte Seiten starkes „Osterpaket“ vor.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geizt in diesen Tagen nicht mit neuen Plänen und Projekten, mit denen er die Transformation im Land voranbringen will. Der Vizekanzler ist dauerpräsent – und der Krieg in der Ukraine hat der Neuausrichtung der deutschen Energiepolitik, die Habeck verantwortet, neue Dringlichkeit verliehen. Nun soll der erste große Wurf gelingen: Mit dem „Osterpaket“, das Habeck am Mittwoch vorstellte, soll der Ausbau der erneuerbaren Energien – also der Energie aus Wind und Sonne – auf eine neue Grundlage gestellt werden. Das Paket sei auch als Antwort auf die sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands zu verstehen, – „nämlich sich unabhängig zu machen erst von russischen fossilen Energieimporte und dann von fossilen Energieimporten insgesamt“, sagte Habeck in Berlin.

Was hat es mit dem Paket auf sich?

Das mehr als 500 Seiten starke Werk soll den Ausbau der Erneuerbaren voranbringen und neue Flächen für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen erschließen. Im Kern soll der Grundsatz verankert werden, dass die Nutzung erneuerbarer Energien „im überragenden öffentlichen Interesse“ liege und der „öffentlichen Sicherheit“ diene. Diese Formulierungen sind entscheidend, um den Erneuerbaren bei Genehmigungsverfahren Vorfahrt zu geben. Der Grundsatz werde „massiv zu Planungsbeschleunigung, aber auch zur Rechtssicherheit der Planung beitragen“, sagte Habeck. Sein Ministerium will den Abbau von bürokratischen Hemmnissen weiter verfolgen, das soll auch Teil des bereits angekündigten Nachfolgepakets im Sommer werden.

Welche Ziele werden gesteckt?

Bis 2030 sollen die Erneuerbaren einen Anteil von mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs abdecken, bis 2035 sollen es nahezu 100 Prozent sein. Zum Vergleich: 2021 lag der Anteil erst bei rund 42 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Ausbauraten für die einzelnen Energiequellen gesteigert: bei Wind an Land auf jährlich 10 Gigawatt (GW), um im Jahr 2030 bei einer Gesamtleistung von rund 115 GW zu landen; bei Solarenergie auf 22 GW pro Jahr, so dass die bis 2030 installierten Solarananlagen ein Volumen von 215 GW abdecken. Dabei helfen sollen neue Anlagen auf Dächern, neu ausgewiesene Freiflächen und eine Verbesserung der bestehenden Anlagen. Beim Wind auf See, dem sogenannte Offshore-Wind, sieht das Paket gestaffelte Ziele vor: mindestens 30 GW im Jahr 2030, 40 GW bis 2035 und 70 GW bis 2045.

Was hat es mit dem Stromsektor auf sich?

Der Strombedarf wird weiter ansteigen, was mit der zunehmenden Elektrifizierung im Verkehr, bei Wärme und in der Industrie zu tun hat. Umso ehrgeiziger ist das Ziel, dass der Strom in Deutschland bis 2035 nahezu vollständig klimaneutral produziert werden soll, also aus den Erneuerbaren kommen soll. Damit soll die Versorgung „weitestgehend unabhängig von fossilen Energieimporten werden“, heißt es dazu aus dem Wirtschaftsministerium.

Was bedeutet das für den Bau von Anlagen vor Ort?

Er muss massiv beschleunigt werden. Es ist gesetzlich festgeschrieben, dass zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft auszuweisen sind. Mit dem Osterpaket soll aber auch genossenschaftlich organisierte Energieprojekte von Bürgern und die Beteiligung der Kommunen gestärkt werden, um Windkraftanlagen vor Ort attraktiver zu machen. So sollen etwa Bürgerenergieprojekte künftig umgesetzt werden können, ohne sich an Ausschreibungen beteiligen zu müssen. Habeck will den Erneuerbare-Ausbau auch als neuen Standortvorteil schmackhaft machen: Wertschöpfungsketten würden sich künftig stärker daran orientieren, wo die erneuerbaren Energien seien, so der Minister.

Wie laufen die Diskussionen mit den Ländern?

Der Krieg in der Ukraine hat das Bewusstsein dafür, schnell unabhängig von russischer Energie zu werden und eigene Energiequellen auszubauen, deutlich erhöht. Trotzdem gibt es noch Diskussionen zwischen Bund und Ländern etwa über die geografische Eignung für die Windkraft. Zur Diskussion stehen etwa Deals zwischen den Ländern, wonach windstarke Länder mehr ausbauen könnten, um Defizit in anderen Ländern auszugleichen. Ob das so kommt, ist allerdings noch offen. Habeck betonte am Mittwoch, dass das Zwei-Prozent-Ziel „unstrittig“ sei. „Wenn wir zwei Prozent jeweils in den Ländern haben, dann können die Leute auch 20H oder 30H haben“, sagte der Minister mit Blick auf die umstrittene 10H-Regelung in Bayern. Sie schreibt vor, dass Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnbebauung entfernt sein müssen. Die 10H-Regelung habe den Ausbau in Bayern bisher „massiv blockiert“, betonte Habeck.

Wie geht es nun weiter?

Das Kabinett hat das Osterpaket am Mittwoch bereits beschlossen. Nun geht es ins parlamentarische Verfahren. Aus einigen Fraktionen kamen bereits Stimmen, die sich Nachbesserungen vorbehalten. „Gemeinsam werden wir den Gesetzentwurf zügig beraten und überall dort, wo weitere Verbesserungen möglich sind, nachschärfen“, sagte SPD-Fraktionsvize Mathias Miersch. Er lobte zugleich aber den Fortschritt. „Während in der großen Koalition mit der Union nur Trippelschritte möglich waren, ist jetzt mit den Grünen und der FDP echter Fortschritt möglich“, so der SPD-Klimapolitiker. Aus der FDP waren vor allem Zweifel an den ehrgeizigen Zielen im Stromsektor zu hören, bis 2035 klimaneutral zu sein. „Hier wäre es wesentlich besser, das Ziel realistischer zu wählen, und stattdessen die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass das Ziel auch tatsächlich erreicht wird“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Habeck zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass es keine wesentlichen Abstriche am Paket geben wird. „Es kann ja nur besser werden, wenn mehr Leute sich daran beteiligen“, so der Minister.

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