Nord Stream, auch Ostsee-Pipeline, ist eine Gasleitung von Russland nach Deutschland durch die Ostsee. Nord Stream 1 wurde 2011 fertig gestellt. Die Pipeline und ihre Erweiterung Nord Stream 2, welche seit 2018 gebaut wird, sorgen für diplomatische Verstimmung zwischen Deutschland und seinen direkten Nachbarländern. Aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine stoppte Bundeskanzler Olaf Scholz am 22. Februar 2022 das Genehmigungsverfahren für Nord Stream 2.
Festgestellt wurde die Sprengung in der Nacht auf den 26. September 2022. Zum einen konnten Seismographen eine Erschütterung durch Explosionen aufzeichnen, zum anderen wurde in den Pipelines ein Druckverlust registriert, was eine geringere Durchflussmenge an Erdgas zur Ursache hatte – zuerst in Nord Stream 2, dann auch in Nord Stream 1. Als Ursache wurde dann schnell eine Zerstörung der Pipelines durch Sprengungen festgestellt. Dabei wurden drei der vier Pipeline-Rohre zerstört, das vierte wurde in der Folge des Anschlags stillgelegt.
Von wem wurden die Pipelines gesprengt?
Die Sprengung von Nord Stream 1 und 2 bietet aktuell guten Stoff für Verschwörungsmythen. Denn die Täter – man ist direkt von einem Anschlag ausgegangen – sind bis heute nicht ermittelt worden. Sowohl die russische als auch die europäische Seite geht von einer „vorsätzlichen Handlung“ (Europa) beziehungsweise von „internationalen Terrorismus“ (Russland) aus.
Die Ermittlungen werden auf internationaler Ebene geführt, sowohl der deutsche Generalbundesanwalt, also auch die dänischen und schwedischen Behörden haben die Ermittlungen aufgenommen. Ein internationales sogenanntes Joint Investigation Team aus deutschen, polnischen, dänischen und schwedischen Ermittlern ist ebenfalls mit dabei.
Warum wurden die Pipelines gesprengt?
Auch ein gutes halbes Jahr nach dem Anschlag ist noch kein Ermittlungserfolg erzielt worden – auch wenn die Gerüchte schon bald hochkochten: So war die Rede von False-Flag-Aktionen der USA oder Norwegen, um Russland zu diskreditieren. Auch eine Sabotage-Aktion der Russen wurde kolportiert.
Russland selbst hat im Februar 2023 eine UN-Untersuchung gefordert – vor allem, weil der amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh seine Theorie der US-norwegischen Urheberschaft prominent verkündete. Auch eine ukrainische Urheber- oder zumindest Mittäterschaft wurde diskutiert – ohne allerdings über den Theoriestatus hinauszukommen.
Welche Rolle spielt Russland dabei?
Auch hier kann letztlich nur spekuliert werden – eine Urheberschaft Russlands an der Sprengung der Erdgas-Pipelines zwischen Deutschland und Russland kann bislang nicht bewiesen werden. Eine tschechische Zeitung kommentierte das ganze Thema wohl bislang am besten – auch wenn sich dabei vor allem auf den besagten Artikel Seymour Hershs bezog: „Stochern im Nebel“ lautete die Überschrift. Daher lässt sich über die Rolle auch nicht wirklich etwas Zutreffendes oder gar Belegbares sagen.
Der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Parlamentarischen Kotrollgremiums, Konstantin von Notz, bringt es in der aktuellen Situation auf Nachfrage des ZDF so auf den Punkt: „Zum jetzigen Zeitpunkt sind Rückschlüsse auf die Urheberschaft des Sabotageakts reine Spekulation, vor denen ich nur warnen kann.“ Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt vor Spekulationen oder voreiligen Rückschlüssen: „Was wir wissen, ist, dass es einen Angriff auf die Nord-Stream-Pipelines gab. Aber wir haben nicht feststellen können, wer dahintersteckt.“
Natürlich lag es in der aktuellen geopolitischen Gemengelage zunächst auf der Hand, Russland zu verdächtigen. Wobei man sich fragte, welchen Nutzen ausgerechnet der größte Profiteur des Pipeline-Betriebs von deren Sprengung haben sollte – schließlich bedeutet jeder Kubikmeter Erdgas, der durch Nord Stream fließt, bares Geld für Russland. Der Kreml selbst wiederum vermutet hinter dem Anschlag, nur wenig überraschend, die USA und Großbritannien, beziehungsweise deren Geheimdienste. Ebenfalls wenig überraschend ist, dass Russland die Objektivität und Neutralität der Ermittlungen anzweifelt. „Wir können und wollen nicht an die Unparteilichkeit der Schlussfolgerungen der US-Geheimdienste glauben“, hieß es auf dem Telegram-Kanal der russischen Botschaft in den USA.
In Folge des Artikels von Seymour Hersh führte der Kreml zudem schwere Geschütze gegen die USA auf – so wurde US-Präsident Joe Biden als „Terrorist“ bezeichnet – „Wenn Harry Truman zum Verbrecher wurde, indem er Atomwaffen gegen die Zivilbevölkerung in Hiroshima und Nagasaki einsetzte, so ist Biden zum Terroristen geworden, der den Befehl zur Zerstörung der Energie-Infrastruktur seiner strategischen Partner Deutschland, Frankreich und Niederlande gegeben hat“, hatte Wjatscheslaw Wolodin, der Vorsitzende des russischen Parlaments gesagt.
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09.08.2023
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Die Pipelines verlaufen unterseeisch durch die Ostsee, der Endpunkt der Rohre ist in der mecklenburgischen Gemeinde Lubmin bei Greifswald. Während Nord Stream 2 nie in Betrieb gegangen ist, obwohl sie 2021 fertiggestellt wurde, transportierte Nord Stream 1 von November 2011 bis Juli 2022 russisches Erdgas nach Deutschland. Dass Nord Stream 2 nicht fertiggestellt wurde, hatte mit den russischen Kriegsvorbereitungen zu tun – Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ende Februar 2022 das Genehmigungsverfahren für die Pipeline gestoppt.
Auch während des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine lieferte Russland Gas durch Nord Stream 1 – allerdings hat der Betreiber Wartungsarbeiten vorgeschoben, um so den Gasstrom zu unterbrechen. Bis zur Sprengung der Pipelines floss kein Erdgas mehr durch die Pipelines.